16.06.2014
Biodiversität von Korallenfischen: Eine Lektion aus der Vergangenheit
Wie kommt es, dass sich im Korallendreieck bei Indonesien zehn Mal mehr Fischarten tummeln als im Ostpazifik oder im Atlantik? Die Antwort liegt in der Vergangenheit: Eine internationale Studie unter der Leitung des Bereichs Ökologie und Evolution der Universität Freiburg belegt den massgeblichen Einfluss natürlicher Zufluchtsstätten auf die Erhaltung der Biodiversität von Korallenfischen während des Quartären Eiszeitalters. Die Forschungsresultate unterstreichen nicht zuletzt die Notwendigkeit der Erhaltung dieser geschützten Habitate angesichts der aktuellen Klimaveränderungen.
(Thinkstock)
Geologie, Klimatologie, Ökologie, Biogeographie und Evolution: Zusammen konnten diese Fachbereiche aufzuzeigen, dass der starke longitudinale Gradient der marinen Biodiversität, der in den Tropen beobachtet werden kann, hauptsächlich auf die Beständigkeit der Zufluchtszonen zurückgeht, in welchen die Arten der Korallenriffe auch während der kältesten Perioden des Quartären Eiszeitalters erhalten blieben. Aktuelle Umwelteinflüsse wie die Temperatur oder auch die Korallenfläche haben hingegen nur einen geringen Einfluss auf die herrschenden Unterschiede, wie die kürzlich in der Fachzeitschrift Science publizierten Resultate belegen.
Biodiversitäts-Rekord am Korallenriff
Das um Indonesien herum gelegene Korallendreieck weist eine aussergewöhnliche Biodiversität auf: So werden die Korallenriffe im Dreieck von rund 3000 verschiedenen Fischarten bevölkert, während es auf demselben Breitengrad und im selben Habitat im Ostpazifik nur knapp 500 Arten und im Atlantik nur deren 300 sind. Verschiedenste Hypothesen wurden bereits geäussert und untersucht, um ein Gefälle diesen Ausmasses zu erklären. Dabei hat sich aber bisher keine Forschung damit befasst, explizit und quantitativ die Rolle der Korallenhabitate zu analysieren, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit während der Eiszeit als Zuflucht gedient haben. Loïc Pellissier, Oberassistent am Departement für Biologie der Universität Freiburg und spezialisiert auf die Modelisierung der Habitatsverteilung erklärt: „Dank der chemischen Analyse von Kernbohrungen mariner Sedimente am Grunde des Ozeans haben wir das Klima der letzten drei Millionen Jahre über mehr als 30 eiszeitliche Zyklen rekonstruiert. Diese Information hat es uns ermöglicht, die Verteilung der Korallenriffe zu simulieren, unter Berücksichtigung der Einflüsse von Temperatur, Wasser und Licht im Laufe der Zeit. In Zusammenarbeit mit dem Team von Professor David Mouillot des Laboratoire Ecologie des Systèmes Marins Côtiers in Montpellier, der für die weltweite Datenbank zur Verteilung der Korallenfische verantwortlich zeichnet, konnten wir den Effekt der Beständigkeit der Korallenriffe auf die Diversität der Fische testen.“
Die Forschenden konnten also aufzeigen, dass die Isolierung der Korallenzufluchtsstätten während der Eiszeit der wichtigste Faktor (62%) ist zur Erklärung der ungleichen Verteilung der Biodiversität von Fischarten. Gleichzeitig unterstreichen die Forschungsresultate die Wichtigkeit eines stabilen Lebensraums für das Überleben einer Spezies.
Kein Mangel an Beweisen
Die Studie belegt zuerst den Fortbestand der Arten in den Zufluchtsstätten, das rapide Aussterben derselben ausserhalb dieser Zonen sowie das Potential dieser Habitate, als neue „Biodiversitätsquellen“ zur Wiederbevölkerung der Korallenriffe zu dienen, die sich zwischen den verschiedenen Perioden der Eiszeit neu bildeten. Zur Vervollständigung des Forschungsprojekts befassten sich die Wissenschaftler mit der Untersuchung von drei für das Korallenriff typischen und davon abhängigen Fischfamilien, die unterschiedliche Ausbreitungsfähigkeiten aufweisen. Es hat sich gezeigt, dass die Riffbarsche (Pomacentridae), die eine deutlich geringere Ausbreitungsfähigkeit aufweisen als die Falterfische (Chaetodontidae) und die Lippfische (Labridae), einen stärkeren Effekt aufweisen in Bezug auf die Distanz zur Zufluchtsstätte als die beiden anderen. Dieses Resultat bestärkt die Hypothese der Kolonisierung resp. des Aussterbens zwischen den Zufluchtsstätten und den alternierenden Korallenhabitaten. Die Forschungsteams konnten anhand von deren Entfernung zu den Korallen-Zufluchtsstätten schliesslich auch das Alter der Fischstämme in den Riffen schätzen. Es hat sich gezeigt, dass sowohl die ältesten wie auch die jüngsten Linien häufiger auf den Korallenriffen in der Nähe von Zufluchtsstätten anzutreffen sind. Diese Erkenntnis unterstreicht einerseits die wichtige Rolle dieser Zufluchtsorte zur Erhaltung der Arten, zeigt aber auch deren Funktion als Quelle für neue Kolonien.
Die Klimaschwankungen des Quartärs haben eine deutliche Spur in der globalen Verteilung der Biodiversität auf Korallenriffen hinterlassen. Dieser „Fingerabdruck“ aus vergangenen Zeiten, mit massivem Artensterben als Folge der durch die Klimaveränderungen verschwundenen Habitate, muss als Alarmglocke verstanden werden: Es ist höchste Zeit, die politischen Handlungen den regionalen Gegebenheiten anzupassen und den bedrohten Lebensraum und damit auch die Biodiversität angesichts der herrschenden Klimaveränderungen zu schützen.
Link zur Publikation:
Quaternary coral reef refugia preserved fish diversity
Kontakt:
Loïc Pellissier, Departement für Biologie, 026 300 88 71, loic.pellissier@unifr.ch