31.10.2006
Forscher identifizieren das Gen, das den Magen knurren lässt
Freiburg, den 28. Oktober 2006. Es rumpelt in der Bauchgegend, die Körpertemperatur steigt, Unruhe kommt auf. Ein Forscherteam der Universität Freiburg und der Louis Pasteur Universität in Strassburg ist dem Gen auf die Spur gekommen, das kurz vor Essenszeit solche Hungersignale aussendet. Diese neuen Ergebnisse sind soeben im renommierten Wissenschaftsmagazins «Current Biology» publiziert worden.
In ihrem jüngsten Forschungsprojekt haben Urs Albrecht, Prof. für Biochemie an der Universität Freiburg, und Etienne Challet von der Universität Louis Pasteur herausgefunden, dass eine einzige Genmutation bei Mäusen dazu führt, dass ihnen die Fähigkeit, Essenszeiten vorauszusehen, völlig abgeht. Anhand dieser über zwei Jahre durchgeführten Experimente lässt sich erstmals beweisen, dass ein Gen, welches im ganzen Körper und verschiedenen Hirnregionen aktiv ist, für diese Voraussehbarkeit bzw. das Zeitgefühl verantwortlich ist. Auch ist es gelungen, die Signale nicht nur zu reduzieren, sondern vollständig zu eliminieren. Das so genannte Per 2-Gen, das diese körperlichen Prozesse vor der Nahrungsaufnahme steuert, ist ein eigentliches Schlüssel-Gen für den Organismus. Diese neuen Erkenntnisse über die Synchronisierung von Essenszeit und körperlichen Reaktionen dürften für Therapien gegen Übergewicht, bei Schlafproblemen, Depressionen oder Alkoholismus eine viel versprechende Grundlage sein.
Wettbewerbsnachteil mit fatalen Folgen
Während Labormäuse, deren Essenszeit auf 10.00 Uhr morgens festgelegt worden ist, einige Minuten vor Essensausgabe aktiv werden, die Futterquelle aus eigenem Antrieb aufsuchen, eine erhöhte Körpertemperatur aufweisen - kurz den ganzen Organismus auf die Nahrungsaufnahme vorbereiteten – bleiben die Mäuse mit defekten Per 2-Genen vorerst passiv. Aktivität stellt sich erst ein, wenn sie das Futter effektiv vorgesetzt bekommen.
«Das Zeitgefühl ist für die Überlebensstrategie in einer kompetitiven Umwelt absolut zentral», sagt der Biochemiker Urs Albrecht. Für Tiere in der freien Wildbahn entscheidet die Fähigkeit der Futtervoraussage oft über Gedeih oder Verderb; bis ein Per 2 mutiertes Tier merkt, dass es Hunger hat, haben seine gesunden Artgenossen das Futter längst verzehrt.
Überleben bei widrigsten Umständen dank Per 2
Das Per 2 Gen, das Prof. Urs Albrecht im Jahr 1997 während eines Forschungsaufenthalts in den USA entdeckt hat, ist insbesondere bei der Adaption des Organismus an Veränderungen, etwa was Temperatur oder den Licht-Dunkel-Zyklus anbelangt, sehr wichtig. Dank Per 2 lässt sich auch die innere Uhr umstellen, etwa bei einem Flug von Zürich nach China. Das Freiburger Forscherteam konnte anhand von Mäusen mit defekten Per 2-Genen vor einigen Jahren nachweisen, dass eine aus dem Takt geratene innere Uhr – etwa bei Schichtarbeit oder bei einem Jetlag– ein stärkeres Verlangen nach Alkohol zur Folge hat. Das Per 2-Gen könnte indirekt auch einen Einfluss auf das Körpergewicht haben, vermutet Prof. Urs Albrecht.
Kontakt : Urs Albrecht, Departement für Medizin, Tel. 026 300 86 36, urs.albrecht@unifr.ch
Quelle : Dienst Kommunikation & Marketing, Tel. 026 300 70 34, marcom@unifr.ch