16.03.2009
Wie kann man mit einem einzigen Photon ein Hohlatom produzieren?
Eine Forschungsgruppe des Physikdepartements der Universität Freiburg hat die Systematik der doppelten Ionisation von neutralen Atomen mit Hilfe von Synchrotronstrahlung studiert. Es zeigte sich, dass das Geheimnis in der Korrelation zwischen den Elektronen des Atoms liegt, die sich in der gleichen Elektronenschale befinden. Die Resultate, welche einen neuen Einblick in die Interaktion zwischen Elektronen innerhalb eines Atoms gewähren, wurden in der renommierten Zeitschrift Physical Review Letters publiziert.
Obwohl über Jahrzehnte hinweg intensiv in diesem Bereich geforscht wurde, sind die Korrelationseffekte zwischen Elektronen innerhalb eines Atoms noch nicht vollständig verstanden. In der Tat ist es schwierig vorherzusagen auf welche Art und Weise die Elektronen eines Atoms miteinander interagieren. Auch die exakte Berechnung eines Mehrelektronensystems ist noch immer eine Herausforderung für theoretische Physiker. Die Korrelationseffekte zwischen Elektronen sind nicht nur für ein besseres Verständnis der atomaren Struktur von Bedeutung, sondern auch für eine möglichst verlässliche Beschreibung einer Grosszahl von physikalischen Prozessen und Systemen. Des Weiteren ist die Beschreibung komplexer Systeme ohne den Begriff der Korrelation oder Wechselwirkung nur bedingt möglich.
Doppelte Ionisation
Um das Verständnis der Wechselwirkung zwischen den Elektronen innerhalb eines Atoms zu verbessern, haben die Forscher den Vorgang der doppelten Ionisation der K-Schale (welche dem Atomkern am nächsten ist) studiert, indem sie Atome mit Photonen eines Synchrotrons bestrahlten. Da das einfallende Photon allerdings nur mit einem Elektron interagiert, welches die ganze Energie des Photons aufnimmt bevor dieses verschwindet, kann die doppelte Ionisation des Atoms nur durch eine Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen der K-Schale erklärt werden. Die Art der Wechselwirkung kann entweder ein einfaches Herausschlagen des zweiten Elektrons durch eine Kollision mit dem ersten Elektron sein (knock-out process) oder ein Quantumeffekt bedingt durch eine schlagartige Änderung des atomaren Potentials in Folge einer einfachen Ionisation des ersten Elektrons (shake effect).
Unerwartetes Resultat
Die experimentelle Vorgehensweise der Forscher den Prozess der doppelten Ionisation durch ein einzelnes Photon zu studieren bestand darin, die Emissionsspektren der doppelt ionisierten Atome während des radiativen Übergangs in ein energetisch niedrigeres Niveau zu messen. Magnesium-, Aluminium- und Siliziumproben wurden monoenergetischen Photonen eines Synchrotronstrahls ausgesetzt und die daraufhin emittierte Fluoreszenzstrahlung wurde mit einem an der Universität Freiburg hergestellten Kristallspektrometer gemessen. Der Querschnitt für die doppelte Ionisation der K-Schale, sowie die respektiven Beiträge des knock-out Prozesses und des shake Effektes konnten in Abhängigkeit von der Energie der einfallenden Strahlung bestimmt werden. Anhand dieser Resultate konnte ein universelles Gesetz abgeleitet werden welches die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit einer doppelten Ionisation der K-Schale für alle leichteren Elemente als Silber erlaubt. Ausserdem haben die Forscher entdeckt, dass auch die Elektronen in den äusseren Schalen im Vorgang der doppelten Ionisation der K-Schale nicht vernachlässigt werden dürfen. Dieses neue und etwas unerwartete Resultat legt die Vermutung nahe, dass die Dynamik der Wechselwirkung zwischen den Elektronen in einem elektrisch neutralen Atom verschieden ist von der in einem positiv geladenen Ion mit zwei Elektronen während der Mechanismus der doppelten Ionisation derselbe bleibt. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit erlauben eine neue Sicht auf die Problematik der Korrelation zwischen den Elektronen eines Atoms und geben hoffentlich neue Impulse für die theoretische Beschreibung der doppelten Photoionisationsprozesse für die innersten Schalen.
Kontakt: Dr. Joanna Hoszowska, Physikdepartement, Universität Freiburg,
Tel. +41 26 300 9210, e-mail: joanna.hoszowska@unifr.ch.
Prof. Jean-Claude Dousse, Physikdepartement, Universität Freiburg,
Tel. +41 26 300 9073, e-mail: jean-claude.dousse@unifr.ch.
Photos und Originalartikel: Physical Mechanisms and Scaling Laws of K-Shell Double Photoionization.
Originalartikel:
- http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.102.073006
- Originalartikel
Photos :
Der Kristallspektrometer während der Messungen in ESRF mit der Haupautorin des Artikels, Joanna Hoszowska, im Hintergrund.
Sicht auf den Speicherring und das experimentelle Hauptgebäude des Europäischen Zentrums für Synchrotronstrahlung (ESRF) wo die Messungen stattgefunden haben. (Image : P. Ginter/ESRF).