20.04.2011

Freiburger Forschende entwickeln selbstheilendes Material


Ein Material, das in der Lage ist, sich selbst zu «heilen»: In Zusammenarbeit mit Partnern aus den USA ist es Forschenden des Adolphe Merkle Instituts (AMI) der Universität Freiburg gelungen, eine Polymerstruktur zu entwickeln, die auf der Oberfläche entstandene Schäden in Kontakt mit Ultraviolettstrahlung zum Verschwinden bringen kann. Eine Entdeckung, die auch im Alltag für Furore sorgen könnte.

Mittels UV-Licht durchläuft das Material im Labor einen "Heilungsprozess"

Einem Forschungsteam des Adolphe Merkle Instituts unter Prof. Christoph Weder ist es gelungen, ein auf Polymeren basierendes Material zu entwickeln, das sich in weniger als einer Minute unter dem Einfluss von ultraviolettem Licht selber heilen kann. Die Forschungsresultate basieren auf einer Zusammenarbeit mit Partnern der Case Western Reserve University in Cleveland/Ohio unter Prof. Stuart J. Rowan sowie mit Rick Beyer und Andrew Duncan des Army Research Laboratory in Aberdeen Providing Ground/Maryland und wurden in der aktuellen Ausgabe der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature publiziert.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Folgendes Bild: Ein Sechsjähriger «verziert» mit einem Nagel die Karrosserie des Autos seiner Eltern. Heute bleibt zur Behebung des Schadens nur der Gang zum Garagisten und der Griff ins Portemonnaie; in nicht allzu ferner Zukunft sollten solche Schäden kostengünstig und selbstständig zu reparieren sein. Noch sind die Polymere nicht soweit, um in den Handel aufgenommen zu werden. Die jüngsten Forschungsresultate des AMI aber belegen, dass der Mechanismus funktioniert. Das neu entwickelte Material dürfte auf dem Markt verschiedenste Anwendungs- und Einsatzmöglichkeiten finden, sei dies im Bereich der Autoindustrie, der Bodenbeläge oder Lacke oder auch in der Möbelherstellung. 

Verwandlungskünstler dank UV-Strahlen

«Die Polymere funktionieren sozusagen nach dem Napoleon-Prinzip: Sie sind klein, reagieren aber als wären sie gross indem sie von spezifischen molekularen Wechselwirkungen profitieren», erklärt Stuart Rowan, Professor für Makromolekularwissenschaften und Direktor des Instituts für Advanced Materials der Case Western Reserve University. Die Entwicklung dieser neuen Materialien basiert auf sogenannten supramolekularen Verbindungen. Im Gegensatz zu konventionellen Polymeren, die aus langen, Ketten ähnlichen Molekülen aus tausenden von Atomen bestehen, setzen sich diese speziellen Polymere aus kleineren Molekülbausteinen zusammen, die sich wiederum zu längeren Ketten verbinden, indem sie Metall-Ionen als «molekularen Leim» verwenden. Das Resultat: «Dank ihrer molekularen Beschaffenheit sind diese Materialien in der Lage, unter UV-Strahlung die Eigenschaften zu verändern», so Christoph Weder, Professor für Polymerchemie und Materialien und Direktor des Adolphe Merkle Instituts.

Die neuen Materialien, von den Wissenschaftlern «Metallo-Supramolecular Polymers» genannt, benehmen sich wie normale Polymere – es sei denn, man setze sie UV-Strahlen aus. Im Ultraviolettlicht gebadet, werden die verbundenen Strukturen vorübergehend entbunden, der «Leim» löst sich und das feste Material wird dadurch flüssig. Sobald die Polymere jedoch nicht mehr dem UV-Licht ausgesetzt sind, setzt sich das Material neu zusammen, nimmt die ursprüngliche, feste Form und damit auch die ursprünglichen Eigenschaften wieder an. In den Tests benutzten die Forscher Lampen, wie sie die Zahnärzte zum Einsetzen von Füllungen brauchen und es gelang ihnen, damit Kratzer zu beseitigen, ähnlich einer geheilten Schnittwunde, die auf der Haut keine Spuren mehr hinterlässt.

Die Forschung wurde finanziell unterstützt durch das US Army Research Office, die US National Science Foundation, die Adolphe Merkle Stiftung, und das Postgraduate Research Participation Program des US Army Research Laboratory.

Weitere Infos und Bilder zum Download: http://www.am-institute.ch/en/nature

Kontakte:

Marc Pauchard, Vizedirektor und Leiter Kommunikation des Adolphe Merkle Institut, Universität Freiburg, 026 300 91 71, marc.pauchard@unifr.ch

Christoph Weder, Professor für Polymerchemie und Materialien und Direktor des Adolphe Merkle Institut, Universität Freiburg, 026 300 94 65, christoph.weder@unifr.ch