20.12.2012
Essstörungen frühzeitig erkennen
Es ist bekannt: Die Schönheiten aus den Modezeitschriften haben einen ungünstigen Einfluss auf das Essverhalten vieler Frauen. Doch wie genau entstehen diese Essstörungen und wer ist besonders gefährdet? Eine am Departement für Psychologie der Universität Freiburg durchgeführte Pilotstudie hat die psychischen Faktoren dieses Phänomens untersucht.
(Bild: Thinkstock)
Der Bauch ist nicht flach genug, der Hintern zu wenig straff, die Beine zu kurz... jedenfalls verglichen mit den gängigen, über die Medien verbreiteten Schönheitsidealen. Wer sich Modezeitschriften anschaut, riskiert, bereits innerhalb kürzester Zeit den eigenen Körper in Frage zu stellen und ein Gefühl der Unzufriedenheit zu entwickeln. Auch psychisch gesunde Menschen sind davor nicht gefeit, wie eine kürzlich durchgeführte Pilotstudie zeigt, die am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Freiburg, Schweiz, unter der Leitung von Prof. Dr. Simone Munsch und in Zusammenarbeit mit der LWL-Universitätsklinik Bochum, durchgeführt wurde.
Andrea Wyssen, diplomierte Psychologin und Leiterin der in der Schweiz durchgeführten Untersuchungen, ist ob der Eindeutigkeit der Resultate überrascht: «Die Probandinnen blätterten zehn Minuten in einer VOGUE. Anschliessend mussten sie sich die Bilder vergegenwärtigten. Es zeigte sich, dass die Probandinnen nun mit ihrem Körper weniger zufrieden waren und ihre Stimmung relevant beeinträchtigt war». Sie zeigten sich verunsichert und äusserten die Angst, dick zu werden. Ganz anders die Probanden der Kontrollgruppe, die ein GEO zum Thema Wildnis erhalten hatten: Ihre Stimmung blieb gleich oder verbesserte sich sogar.
Den Mechanismen der Psyche auf der Spur
Die Studie will herauszufinden, welche Faktoren letztlich zu einem gestörten Essverhalten führen. «Uns geht es nicht darum, solche Zeitschriften anzuprangern», betont Andrea Wyssen. «Wir konsumieren alle Massenmedien, sei dies gewollt oder ungewollt. Eine Essstörung entwickeln jedoch 'nur' ein bis drei Prozent aller Frauen.» Die Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass nebst der Körperwahrnehmung auch die Fähigkeit eine Rolle spielt, wie gut eine Person mit ihren Emotionen umgehen kann. «Wenn ein verzerrtes Körperbewusstsein und eine ungünstige Tendenz zur Regulation der Emotionen zusammenkommen, ist das Risiko viel höher, dass sich eine Person überdurchschnittlich häufig mit dem eigenen Körper beschäftigt und sich vornimmt, nichts mehr zu essen.»
Ziel der Studie ist es, neue Ansätze für die Anorexietherapie zu finden, die gemäss Prof. Munsch nach wie vor unbefriedigende Resultate hervorbringt und in den letzten 15 Jahren ins Stocken geraten ist. Simone Munsch und Andrea Wyssen setzen dabei auf die Prävention. «Wenn wir wissen, welche Faktoren eine Essstörung auslösen und aufrechterhalten, können wir frühzeitig herausfinden, wer gefährdet ist. Wir müssen nicht warten, bis die Störung sich zu einer chronischen oder schweren Krankheit entwickelt.»
In den kommenden zwei Jahren werden Simone Munsch und Andrea Wyssen die Resultate an 200 Frauen aus Deutschland und der Schweiz verifizieren. Die Untersuchung soll mit 50 gesunden Personen, 50 Patientinnen mit Anorexie, 50 Patientinnen mit Bulimie und 50 Patientinnen mit einer somatoformen oder depressiven Störung durchgeführt werden. Erkenntnisse daraus sind in zwei bis drei Jahren zu erwarten.
Kontakt: Andrea Wyssen, Departement für Psychologie, Universität Freiburg, 026 300 76 59, andrea.wyssen@unifr.ch