25.02.2013

Essanfälle - häufig unerkannt, aber gut behandelbar


BES, die sogenannte Binge Eating Störung, betrifft bis zu fünf Prozent der normalgewichtigen Bevölkerung und gar bis zu 40 Prozent der übergewichtigen und adipösen Population und besetzt damit den ersten Rang unter den Essstörungen. Der Mangel an Information zur BES steht dabei im Gegensatz zur psychologischen Behandlungsforschung, die bereits weit fortgeschritten ist und auch langfristig gute Resultate zeigt, wie die letzte Studie von Prof. Simone Munsch der Universität Freiburg belegt.




(Bild: Thinkstock)

Regelmässige und insbesondere unkontrollierbare Essanfälle gepaart mit dauerndem Sich-Auseinandersetzen mit dem Essen, der Figur und dem Gewicht können ein Anzeichen für das Vorliegen einer so genannten Binge Eating Störung (BES) sein. Die Folgen einer solchen Essstörung sind nicht nur ein markanter Gewichtsanstieg, sondern auch intensive Scham- und Schuldgefühle sowie das vermehrte Auftreten klinisch relevanter Angstzustände und depressiver Stimmung, Rückzug und zunehmende Isolation. BES wird zwar von internationalen Expertengremien seit längerer Zeit beforscht und ist nun auch in die neue Version des Klassifikationssystems für psychische Störungen (Diagnostical and statistical manual for mental disorders der American Psychiatry Association, APA) als unabhängige dritte Essstörung aufgenommen worden. Trotzdem ist die Störung in der Schweiz nur unzureichend bekannt; vielfach werden eigentliche BES-Patientinnen und Patienten in Übergewichtsprogrammen behandelt. Eine Arbeitsgruppe des Departements für klinische Psychologie der Universität Freiburg unter der Leitung von Prof. Simone Munsch hat zur Therapie von BES ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungskonzept für Gruppen und Einzelpersonen entwickelt und mehrfach wissenschaftlich evaluiert. Eine aktuelle Studie belegt nun auch erstmals die langfristige Wirksamkeit der BES-Behandlung über einen Zeitraum von sechs Jahren.

Gute Aussichten auf langfristige Heilung

Die kürzlich publizierte Studie weist der kognitiven Verhaltenstherapie eine hohe Wirksamkeit nach: Auch sechs Jahre nach Abschluss der Behandlung weisen nur 4 Prozent der Betroffenen weiterhin deutliche Anzeichen einer BES auf. Zudem konnte gezeigt werden, dass auch die Häufigkeit der mit der Krankheit einhergehenden psychischen Störungen wie Depressivität oder Ängstlichkeit deutlich zurückging, was als ein weiterer Hinweis auf die Stabilisierung der psychischen Gesundheit der Betroffenen gewertet werden kann. Ein wichtiges, positives Resultat stellt auch die erreichte Reduktion des Körperfettanteils um ca. 2 Body-Mass-Index-Punkte dar, da diese auch die mit Adipositas assoziierten Gesundheitsrisiken senkt. Dies ist insbesondere von Interesse, als vergleichbare internationale psychologisch-psychotherapeutische Behandlungsstudien bisher noch nie eine Gewichtsreduktion im klinisch relevanten Bereich belegen konnten und damit die Hoffnung besteht, im Anschluss an die Behandlung der psychischen Störung BES auch die somatische Problematik, d.h. das Übergewicht bzw. die Adipositas, der Betroffenen langfristig wirksam anzugehen.

Am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie des Departements für Psychologie der Universität Freiburg wird weiterführende Forschung durchgeführt zu den Fragen, welche Patientenmerkmale eine rasche Behandelbarkeit voraussagen bzw. welche zusätzlichen Module die Wirksamkeit einer Behandlung steigern können. Ausserdem besteht am Zentrum für Psychotherapie, welches demselben Lehrstuhl und dem Institut für Familienforschung und –beratung angegliedert ist, ein regelmässiges Behandlungsangebot für BES und andere psychische Störungen.

Link zur Publikation
Munsch, S., Biedert, E. & Meyer, A.H. (2012). Predictors and moderators of treatment outcome in cognitive-behavioral treatment and behavioral weight loss treatment for BED: results of a six-year follow-up. Behavior Research and Therapy, 50, 775-785. (doi: 10.1016/j.brat.2012.08.009)

Weitere Infos
http://www.unifr.ch/psychotherapie/de/home/aktuelles/essanfaelle-bewaeltigen

Kontakt

Prof. Dr. Simone Munsch, Department für Psychologie, Universität Freiburg, 026 300 76 55, simone.munsch@unifr.ch

Andrea Wyssen, Department für Psycholgie, Universität Freiburg, 026 300 76 59, andrea.wyssen@unifr.ch