Es spukt! In den Läden können bereits seit Wochen wieder Skelette und Vampirzähne aus Plastik, Kürbisse und Kunstblut gekauft werden. Ein neuer Trend in der Schweiz ist zudem der «Día de Muertos». Ganze Themenwochen werden mittlerweile angeboten, in welchen beispielsweise bunte Totenschädel-Masken gebastelt und «Calaveras de Azúcar», also Totenschädel aus Zucker gemacht werden. Wir haben Judith Bodendörfer, Doktorandin am Lehrstuhl für Vergleichende Religionsgeschichte und Interreligiösen Dialog und Okkultismus-Expertin, ein paar Fragen gestellt.
Hängen der «Día de Muertos» und der Okkultismus irgendwie zusammen?Dia de Muertos hat wenig mit dem zu tun, was man im 19. Jahrhundert unter Okkultismus verstanden hat. Der Okkultismus war eher das, was man heute unter Esoterik versteht. Im Spiritismus, quasi einer okkulten Untergruppe, spricht man zwar in Séancen mit den Geistern (von Verstorbenen), aber die sind meistens harmlos und reden nur wirres Zeug. Also ganz anders als beim Día de Muertos. Deswegen kenne ich mich mit dem auch gar nicht aus.
Elementargeister gibt es allerdings im Okkultismus und manchmal auch Dschinns und Succubi etc. – Wesen zwischen Geist und Materie, die durchaus auch Schaden anrichten können. Die haben aber nichts mit den Toten zu tun.
Und was ist mit Halloween?
Insofern passt Halloween eigentlich ein bisschen besser zum Okkultismus, denn da ist ja einfach das Tor zur Anderswelt offen. Das ist zwar nicht die allgemeine katholische Lesart, aber die des Celtic Revival, das Halloween (also den Vorabend vor Allerheiligen) wieder mit dem keltischen Samhain in Verbindung gebracht hat, was sicherlich einflussreich war für die Art, wie Halloween heute in Irland, Grossbritannien und den USA gefeiert wird. Tatsächlich bin ich aber bisher nie auf eine Quelle gestossen, in der Okkultist_innen sich auf Halloween bezogen hätten. Diese Verbindung ist vermutlich eher eine Konstruktion von Filmen und Fernsehserien aus dem 20. Jahrhundert. Warum und wie aber in der Schweiz das eine oder das andere Fest gefeiert und gefeiert werden wird, das kann ich nicht sagen.
Sind wir im Vergleich zu anderen Ländern wie z.B. Mexiko nicht ein bisschen verklemmt im Umgang mit dem Tod? Warum (nicht)?
Ich glaube, dass das Verhältnis zum Tod und den Toten stark davon abhängt, wie wir ihn verstehen. Was passiert, wenn wir sterben? Sind wir dann einfach weg? Werden wir ein Teil der Natur? Gehen wir in ein Totenreich? Zu den Ahnen? Gibt es von dort einen Weg zurück ins Leben? Spuken wir auf der Erde herum und rächen uns an unseren Feinden? Werden wir wiedergeboren? Werden wir nach dem Tod für unser Verhalten als Lebende bestraft bzw. belohnt? Warten wir irgendwo auf unsere Auferstehung? Brauchen wir dafür unsere alten Körper wieder? Sind wir an die gebunden? Es gibt viele, viele Antworten auf diese Frage, aber ich bin mir nicht sicher, ob es da ein verklemmt und nicht-verklemmt gibt.
Offensichtlich endet der Spuk nicht mit Halloween. Am 18. November ist auch noch der «Tag des Okkultismus». Was hat es damit auf sich?
Vom Tag des Okkultismus hatte ich noch nie gehört. Es scheint auch gar nicht so leicht zu sein, herauszufinden, wer den ausgerufen hat. Ich vermute mal, dass es sich um okkulte Gruppen in den USA handelt, die man heute vermutlich einfach als New Age oder Esoterik einstufen würde.
Worüber forschen Sie als Okkultismus-Expertin aktuell?
Ich komme derzeit wenig zur Forschung, bereite aber gerade ein Seminar über die Frage vor, wie in Religionen eigentlich zwischen Realität und Fiktion unterschieden wird. Das kann bei Geistern natürlich auch nützlich werden.
Haben Sie nicht Angst, beim Untersuchen okkulter Bräuche früher oder später ein paar böse Geister zu wecken?
Um böse Geister geht es im Okkultismus, wie gesagt, wenig. Deswegen habe ich da keine Sorgen. Eher geht es um schwarze Magie, die entsteht, wenn man Magie betreibt, obwohl man nicht die moralische Reife dafür hat. Okkultismus ist da mehr «Star Wars» und weniger «Der Exorzist». Ich persönlich habe mich mit dem Zaubern aber bisher zurückgehalten.
Last but not least: Haben Sie den ultimativen Tipp, um die bösen Geister abzuwenden? 😉
Der Okkultist_innen-Tipp gegen böse (Elementar-)Geister wäre wohl: Kein Fleisch essen, keinen Alkohol trinken und immer schön auf’s Karma achten.
«Día de Muertos» – Was ist das genau?
Der Ursprung des «Día de Muertos» liegt in Mexiko. Damit wird der Gedenktag für Vorfahren und verstorbene Familienmitglieder bezeichnet. Einheimische Praktiken werden dabei mit Ritualen und Symbolen aus dem Katholizismus vermischt. Gekommen sind diese zusammen mit den christlichen Missionaren nach der spanischen Eroberung. Heute werden sogar Elemente aus der Popkultur integriert, gut sichtbar in Form ausgefallener Kostüme auf den Strassenparaden mexikanischer Städte.
Übrigens: Das Lied Spirit Rappings von 1853 zeigt ganz gut, dass auch Séancen im 19. Jahrhundert nicht unbedingt eine bierernste Sache waren, sondern auch als ein Grund zur Freude mit Jahrmarktstimmung wahrgenommen wurden. Die auf viktorianische Lieder spezialisierte Band Parlormuse hat das Lied, das die Library of Congress archiviert hat, 2020 neu aufgenommen:
Noten und Text finden Sie hier.
- Science Slam 2016 mit Judith Bodendörfer
- universitas-Artikel Gelebte Science-Fiction von Judith Bodendörfer (ab S. 23)
- universitas-Ausgabe zum Thema «Tod»
- Irene Gassmann: Tradition und Moderne im Einklang - 19.11.2024
- Brettspiele im Mittelalter und heute – Gastbeitrag - 14.11.2024
- Geisteswissenschaften in der Krise? - 21.10.2024
Was hat denn der Verzehr von Fleisch und Alkohol mit bösen Geistern zu tun? Danke 🙂
Leser*innenfragen sind die schönsten Fragen, weil sie oft gleichzeitig ganz einfach und dann doch überraschen schwer zu beantworten sind. Ich musste lange darüber nachdenken, warum eigentlich Alkohol und Vegetarismus bei den Okkultisten vor bösen Geistern schützt.
Dazu muss man nämlich zwei ganz grosse Themen der theosophischen Lehre (einer, wenn nicht der bedeutendsten okkulten Strömung des späten 19. Jahrhunderts) verstehen: zum einen was sind Geister und zum anderen was ist das Ziel der Menschheit.
Erstmal zum Ziel der Menschheit:
In der theosophischen Lehre geht man davon aus, dass es verschiedene Ebenen der Existenz gibt, die zwischen der Materie und dem rein Geistigen gestaffelt sind. Wir haben also einen Körper und einen Geist und noch einige Ebenen dazwischen, zum Beispiel den so genannten Astralkörper, der auf der Astralebene existiert. Das Ziel der Menschheit ist es, durch Zyklen der Wiedergeburt immer weiter zum Geistigen aufzusteigen, bis wir irgendwann rein geistige Wesen sind. Diese Vorstellung vermischte sich im 19. Jahrhundert mit der Evolutionstheorie, die so gedeutet wurde, dass ältere bzw. „niedere“ Evolutionsstufen als materialistischer galten als höhere, also z.B. Tiere als materialistischer als Menschen. Zu einer höheren geistigen Evolutionsstufe gehörte es, frei von Affekten und Instinkten zu sein und ein friedliches, intellektuelles Leben, ohne Aggression, in Einklang mit der Natur zu führen und niemandem zu schaden. (Dass das häufig reine Theorie war, sei hier mal ausgeklammert.) Alkohol und Fleischkonsum allerdings galten als Antriebsfedern der niederen Instinkte und deshalb als schädlich für die Menschheitsentwicklung, weswegen die ersten modernen, vegetarischen Gaststätten in Europa häufig von okkulten bzw. theosophischen Vereinen betrieben wurden.
Nun kommt natürlich die grosse Frage: was hat das mit Geistern zu tun?
Die Theosoph*innen gingen davon aus, dass es sich bei den Geistersichtungen, von denen im 19. Jahrhundert sehr zahlreich berichtet wurde, nicht um die Geister der Verstorbenen handelte, wie im Spiritismus meist angenommen, sondern um Wesen, die das menschliche „Fehlverhalten“ hervorbrachte.
Da das Geistige über das Materielle gestellt wurde, galten Gedanken und Gefühle etc. als realer als die sichtbare, materielle Welt. Die geistigen Dinge, die wir durch unsere Emotionen und Gedanken erzeugen, so glaubten Theosoph*innen, waren damit in der höheren Astralebene sichtbar und wurden dort zu Elementarwesen, bzw. Elementargeistern. Der Alkoholismus oder der Wunsch ein Tier zu jagen und zu verspeisen erzeugte also niedere Wesen auf der Astraleben, die sich dann an unsere „Seelen“ haften und uns auch in der materiellen Welt Schaden zufügen können. Menschen mit der besonderen Gabe, auf der Astralebene sehen zu können, seien in der Lage, diese Wesen wahrzunehmen, zum Beispiel als Alpe, die Albträume auslösen. Theosoph*innen deuteten so zum Beispiel das berühmte Gemälde „Der Nachtmar“ von Johann Heinrich Füssli und die Theosophin Annie Besant schrieb, sie könne diese Wesen vor den Fleischerläden im Blut der geschlachteten Tiere hocken sehen. Das lässt sich z.B. nachlesen in Vegetarianism in the Light of Theosophy, Adyar 1913 (dt.: Der Vegetarismus im Lichte der Theosophie, Leipzig 1909).
Ich hoffe, ich habe die Frage damit wenigstens so ein bisschen beantworten können. Weltbilder, auch die von Geistern, sind eine überraschend komplexe Angelegenheit, aber genau das macht die Religions- und Ideengeschichte auch so spannend.
Judith Bodendörfer
Ich sehe seit mienem 14 alters Jahr, ohne dass ich es gewünscht habe. Tode Menschen in der einschlafsfase und kann auch mit ihnen sprechen.
EIn Shaman in Belgien konnt mir weiterhelfen. Weil es anfangs Horror war. Jetztz kann ich damit umgehen.
Guten Tag, können sie vielleicht den Namen des belgischen Schamanen nennen?
Guten Tag und herzlichen Dank für Ihre Frage. Unsere Expertin Judith Bodendörfer ist mittlerweile nicht mehr an der Unifr. Wir hoffen, Sie finden einen Weg, sie zu kontaktieren!