Was, wenn die Finanzierung der AHV langfristig nur gesichert werden kann, indem die über 60-Jährigen länger arbeiten? Natürlich nur mit klingenden Anreizen. Ein Lösungsansatz von Prof. Reiner Eichenberger, Leiter des Seminars für Finanzwissenschaft.
Die Reform Altersvorsorge 2020 scheint ein Tropfen auf dem heissen Stein zu sein, würde sie die AHV doch höchstens bis Ende des nächsten Jahrzehnts im Gleichgewicht halten. Ist das Rentensystem der Schweiz – ohne radikalere Massnahmen – im Untergang begriffen?
Vernünftige Reformen müssen den Alten stärkere Anreize geben länger zu arbeiten und die Kosten der Pensionskassen eingrenzen. Die „Altersvorsorge 2020“ tut das Gegenteil. Sie senkt die Arbeitsanreize der Alten, indem sie den AHV-Freibetrag ab 65 aufhebt, den Rentenaufschub unattraktiver und den Rentenvorbezug attraktiver macht. Und sie steigert die Kosten, indem sie die monatliche AHV-Rente um 70 Franken erhöht.
Angesichts der demografischen (immer mehr Rentnerinnen und Rentner im Verhältnis zu den berufstätigen Personen) und ökonomischen (Senkung des Zinssatzes für Anlagen) Entwicklung drängt sich die Frage auf, wie überhaupt die langfristige Fortdauer unseres Rentensystems gewährt werden könnte, ohne das Rentenalter zu erhöhen oder die Renten zu kürzen?
Wir können entweder die Renten kürzen, die Beitragssätze erhöhen, oder länger arbeiten. Letzteres ist der Königsweg. Wir sollten ihn statt mit Zwang und Schmerz freiwillig und mit Freude gehen. Dafür empfehle ich – aufgrund gemeinsamer Arbeiten mit Ann Bauer – zweierlei:
Wer heute länger arbeitet, kann die Rente aufschieben, um dafür später eine höhere Rente zu erhalten. Doch das ist völlig unattraktiv. Es lohnt sich nur, wenn man sehr alt wird. Die viel bessere Alternative ist, die Rentenbeitragssätze der Menschen zu senken, die länger arbeiten wollen. Nach unserer Schätzung könnte man denen, die mit 55 entscheiden, bis 67 arbeiten zu wollen, die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur AHV und zweiten Säule halbieren! So wäre Arbeit bis 67 sofort sehr beliebt.
Zweitens sollte den Menschen, die über 67 hinaus arbeiten, die Einkommenssteuern auf Arbeitseinkommen stark gesenkt, z.B. halbiert werden. Heute unterliegt das Arbeitseinkommen von Rentnern einer enormen Steuerbelastung, weil sie voll in die Steuerprogression kommen. Mit unserem Modell der Halbbesteuerung würden viele weiterarbeiten, die ganze Volkswirtschaft würde massiv profitieren
Dieser Königsweg, die Erhöhung des Rentenalters also, könnte an den herrschenden Realitäten auf dem Arbeitsmarkt scheitern: Gerade für über Fünfzigjährige ist es sehr schwierig, eine neue Arbeit zu finden. Gibt es Lösungsansätze, um die über 50- und über 60-jährigen Berufstätigen länger in der Arbeitswelt einsetzen zu können?
Die Arbeitsmarktchancen von Alten hängen weniger vom biologischen Alter ab, als von ihrer Restlaufzeit bis zur Pensionierung. Es macht für Arbeitgeber einfach wenig Sinn, 62-Jährige einzustellen, wenn sie sicher nicht länger als bis 65 arbeiten. Mit unserem Anreizmodell hingegen würde der Zeithorizont der Alten im Arbeitsmarkt wachsen und damit auch die Bereitschaft der Arbeitgeber, sie einzustellen und weiterzubilden.
Zudem sind Alte oft zu teuer. Das liegt an den altersabhängigen Pensionskassenbeiträgen sowie an manchen Gesamtarbeitsverträgen, die oft für ältere Arbeitnehmer abstruse Lohnvorgaben machen. Dank unserem Anreizmodell könnten die Firmen den Alten mehr Freiheiten bei einem tieferen Lohn bieten. So würden die Lohnkosten der Arbeitgeber sinken und die Nettolöhne der alten Arbeitnehmer dank Halbbesteuerung steigen. Zugleich würde auch der Staat profitieren, weil er von arbeitenden Alten trotz Halbbesteuerung immer noch mehr bekommt als von nicht-arbeitenden.
Noch zur Angst, es gäbe nicht genügend Arbeitsplätze: Je mehr Alte arbeiten, desto wettbewerbsfähiger wird die Volkswirtschaft und desto mehr Jobs für Alte und Junge werden geschaffen. Auch deshalb gilt: Alte an die Arbeit!
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