Forschende des Schweizer Permafrostmessnetzes (PERMOS) beobachten markante Veränderungen im Gebirgspermafrost. Die Warmphase seit 2009 hinterliess deutliche Spuren in den Alpen und führte zu Rekordtemperaturen in der Tiefe, sagt Benno Staub, Mitarbeiter des Departements für Geowissenschaften.
Benno Staub, wer ist von einem Auftauen des Permafrosts betroffen?
Diese Frage dürfte in verschiedenen Teilen der Welt ganz unterschiedlich beantwortet werden. Bei uns im Alpenraum tritt Permafrost, dauerhaft gefrorener Untergrund, ab ca. 2500m verbreitet auf. Erwärmt sich der Permafrost gegen 0°C, so kann die Stabilität dieses Bodenmaterials abnehmen und die darunter liegenden Gebiete eventuell gefährden, zumindest vorübergehend und lokal. Wo, wie und wann genau es zu erhöhter Steinschlagaktivität oder zu Murgängen kommen kann, ist jedoch kaum vorhersehbar – eine Herausforderung für Alpenländer wie die Schweiz. Die Erwärmung des Untergrunds stellt aber auch Gebiete im hohen Norden vor Probleme: Dort kommt Permafrost oft grossflächig vor und dessen Auftauen gefährdet Infrastruktur, kann die Erosion an Küsten beschleunigen und möglicherweise sehr viel zusätzliches Treibhausgas in die Atmosphäre freisetzen, z.B. wenn Sümpfe in Sibirien bis in grössere Tiefe auftauen. Letzteres würde die Klimaerwärmung zusätzlich beschleunigen, eine sogenannt „positive Rückkoppelung“ mit äusserst negativen Folgen. Einem intakten Permafrost kommt daher, auch aus der Perspektive des Menschen und diverser Ökosysteme, eine grosse Bedeutung zu.
Stehen diese Entwicklungen in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel?
Ja, zumindest auf Zeitskalen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten. Die Temperatur im Untergrund wird sich mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung den wärmeren Lufttemperaturen anpassen. Allerdings reagiert der Permafrost träge auf Temperaturschwankungen der Luft, v.a. wenn der Boden viel Feuchtigkeit oder Eis enthält. Die Erwärmung von -3 auf -1°C kann relativ schnell erfolgen, aber das Abschmelzen von Eis benötigt dann sehr viel Energie und Zeit. Dies zeigt sich auch bei den Messungen, welche im Rahmen des Schweizer Permafrostmessnetzes (PERMOS) gemacht werden: Temperaturmessungen in 10-20m Tiefe, zeigen generell eine Erwärmung seit Beginn des Monitorings vor ca. 15-25 Jahren. An kühlen Standorten ist diese Erwärmung deutlicher als im Bereich relativ warmer Bodentemperaturen nahe an 0°C. Die Erwärmung im Untergrund bewirkt auch eine Beschleunigung der Bewegungsaktivität von Blockgletschern (siehe Animation) und zwar überraschend synchron im gesamten Alpenraum. Auch diese Beobachtung zeigt den grossen Einfluss des Klimas auf den Permafrost.
Was sind die direkten Langzeitauswirkungen für uns in der Schweiz?
Wir erleben derzeit die rasanteste Erwärmung der Atmosphäre seit Menschengedenken, eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Aufgrund der Trägheit des Klimasystems und des Energieaustauschs zwischen Atmosphäre und Untergrund ist die Erwärmungstendenz des alpinen Permafrosts kaum mehr zu bremsen. Im Zeitraum der nächsten Dekaden bedeutet dies eine schrittweise Erwärmung des Permafrosts und eine Verschiebung der Permafrostuntergrenze in höhere Lagen. Vor allem in der Übergangszeit von kalt und gefroren zu warm und ungefroren ist eine erhöhte Hanginstabilität und eine Häufung von Steinschlagereignissen möglich, die konkreten Folgen sind aber schwer prognostizierbar. Langfristig, im gänzlich aufgetauten Zustand, könnte sich die Situation dann wiederum beruhigen. Doch im Vergleich zu vielen Gletschern wird der Permafrost dem warmen Klima länger die Stirn bieten, insbesondere wenn er viel Eis enthält.
Die Bewegungen des Gemmi-Blockgletschers im Zeitraffer.
Ist der aufgetaute Permafrost für immer verloren oder kann er auch wieder gefrieren?
In entsprechend kühlen Bedingungen (deutlich unter 0°C) kann sich Permafrost neu bilden oder ausdehnen. Ist zugleich Feuchtigkeit vorhanden, so kann sogar neues Untergrundeis entstehen. In der aktuellen Klimasituation ist dieses Szenario aber unrealistisch, Orte an denen derzeit neuer Permafrost entsteht sind die Ausnahme. Bei uns in den Alpen hat das Gelände einen grossen Einfluss auf das Mikroklima an der Bodenoberfläche. Insbesondere der Zeitpunkt des Einschneiens und des Ausaperns steuert die Temperaturschwankungen im Untergrund in der Zeitskala von Jahren bis Jahrzehnten, denn auf 2500m ü.M. bleibt der Boden im Extremfall nur zwei bis drei Monate schneefrei. Je später der Schneefall im Winter und je später das Ausapern im Sommer, desto intensiver kann der Boden im Vergleich zur Lufttemperatur gekühlt werden. In diesem Sinne war die Schneesituation im Winter 2015/16 bisher „permafrostgünstig“ und kann den Erwärmungseffekt der Hitzeperiode im Sommer 2015 auf den Permafrost teilweise kompensieren. Da aber auch die letzten Jahre sehr warm waren, ändert dies an den derzeit äusserst warmen Bedingungen im Permafrost wenig (Link Medienmitteilung: http://www.unifr.ch/news/de/15486/).
Kontakt: PERMOS Office, Departement für Geowissenschaften, Universität Freiburg, Jeannette Nötzli, +41 81 417 03 75, jeannette.noetzli@slf.ch, Benno Staub, +41 26 300 90 20, benno.staub@unifr.ch
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