«Gerichtsprozesse sind unheimlich filmogen!» 

«Gerichtsprozesse sind unheimlich filmogen!» 

Juristerei und Filmerei – dass diese Kombination mitunter sehr spannend sein kann, beweisen Prof. Walter A. Stoffel und Medienexpertin Lucie Bader in ihrer Veranstaltungsreihe «Recht im Film». Rolle und Wahrnehmung von Juristen in Filmen stehen dabei im Fokus.

Herr Stoffel, Ihre Veranstaltungsreihe «Recht im Film» scheint ziemlich beliebt zu sein. Worum geht es?
Es geht darum, die beiden Gebiete Recht und Film zu konfrontieren. Wie wird das Recht von einem Nicht-Juristen, in diesem Falle vom Filmemacher, gesehen? Welche Rolle spielen die Rechts-Protagonisten in einem Film? Sind sie eher Verursacher oder Bekämpfer von Unrecht und Leid? Ganz generell: Welches Aussenbild vermitteln Filme von uns Juristen?

Wie läuft so eine Veranstaltung ab?
Unser Format besteht aus einer Einführung zum Film, welche von Medienexpertin Lucie Bader vorgenommen wird. Danach wird der Film gezeigt. In einem zweiten Teil starten wir eine zweisprachige Diskussion am runden Tisch, welcher immer aus einem Mitglied der juristischen Fakultät und einem auswärtigen Experten oder einer Expertin besteht. Natürlich wird auch das Publikum einbezogen. Teilweise sind auch die Filmschaffenden vor Ort.

Wer ist das konkret?
Letzte Woche beim Film «Vierte Gewalt», war Regisseur Dieter Fahrer auf dem Podium. Bei «La belle et la meute», welchen wir am 20. März 2018 zeigen, ist die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania vor Ort. Ein weiteres Beispiel ist der Film «Denial» (Mick Jackson), der von einem Prozess rund um einen Holocaust-Lügner handelt (7. März 2018). Wir werden hier Jacques Picard dabei haben, Kulturanthropologe und ehemaliger Sekretär der Bergier-Kommission (Holocaust-Gelder).

Wie lange gibt es die Veranstaltungsreihe bereits?
Wir sind mittlerweile im 6. Veranstaltungsjahr. Die Veranstaltung hat sich stark entwickelt und wird jetzt auch durch ein Seminar ergänzt.

War es Ihre Idee, diese ins Leben zu rufen?
Ich trage die Idee seit langem mit mir herum. Ich war schon immer sehr interessiert am Kino. Hinzu kommt, dass Recht einen theatralischen Aspekt hat. Das Recht wird in Szene gesetzt, es gibt Richter in Roben, Anwälte, Parteien, dann das formale Ritual, wie alle ihre Anliegen vortragen. Deshalb gibt es auch viele Filme über Gerichtsverfahren – diese sind sehr filmogen. Zusammen mit Lucie Bader konnte ich die Idee dann realisieren.

Wie sind die Rückmeldungen der Studierenden dazu?
Ich habe den Eindruck, dass es ihnen sehr gefällt. Wir erhalten viele positiven Rückmeldungen in unseren Evaluationen. Bilingue+ hat das Programm sogar in seinen cursus eingebaut. Die Studierenden haben keine Verpflichtung, in die Veranstaltung zu kommen und wir sind dennoch meistens gut besucht. In der Regel sind 60 bis 80 Personen anwesend, teilweise bis zu 100.

Ist die Veranstaltung auch für Laien interessant?
Ja, sicher. Natürlich sind das Zielpublikum in erster Linie Angehörige der juristischen Fakultät. Wir haben aber immer wieder auch Soziologen, Historiker oder Literaturwissenschaftler, die teilnehmen. Die Reihe ist für alle offen.

Kann man also sagen, dass Sie beruflich vor allem Filme schauen?
Meine Hauptaktivität ist es nach wie vor, juristischer Professor zu sein. Ich unterrichte und publiziere im Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht sowie im internationalen Recht. Aber natürlich schaue ich mir viele Filme an, auch an Filmfestivals. Wir zeigen keinen Film, den wir nicht gesehen haben und unsere Augen und Ohren sind immer offen für neue Werke. Gemeinsam mit Lucie Bader, welche dies professionell macht, sind wir da auf einem guten Informationsstand.

Ist das Interesse an der Veranstaltungsreihe so gross, weil die Rechtsstudierenden neben «Paragrafen-Reiten» auch etwas Verspieltes, Emotionales zur Abwechslung benötigen?
Ich glaube, für die heutigen Studierenden ist das bewegte Bild Alltag. Das spielerische und das emotionale Element sind sicher wichtig, aber da gibt es noch mehr. Recht ist nie Recht alleine. Recht entsteht immer im Zusammenhang mit einem Lebenssachverhalt. Psychologie, Wirtschaft, Geschichte, die Probleme des Klienten usw. Mit den Filmen haben wir das im Saal.

Gibt es bestimmte Genres, welche Sie besonders gerne behandeln?
Wir haben für jede Veranstaltungsreihe ein bestimmtes Thema, um welche sich die verschiedenen Filme drehen. Dieses Jahr ist es die Wahrheit, z.B. in der Presse (Fake News) oder im Gerichtssaal, wenn der Richter über die historische Wahrheit befinden muss, wie bei «Denial». Oder die Wahrheit über sich selbst in der «Truman Show» (Peter Weir), welche wir letzte Woche gezeigt haben. Wir sind da ziemlich breit aufgestellt.

Gibt es dabei auch sehr heikle Themen?
Wir zeigen natürlich keine Pornografie, auch keine Gewalt- oder Actionfilme, unterziehen uns aber keiner Zensur. Unsere Studierenden sind erwachsene Leute, denen man grundsätzlich alles zumuten kann. Wir möchten einfach gute Filme zeigen, welche zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Darunter gibt es auch heikle und schwere Themen.

Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Ein Film, der mir sehr gut gefällt und den wir hier im ersten Jahr und seither auch an anderen Orten (London) gezeigt haben, ist «El secreto del sus ojos». In dem Thriller geht es gleichzeitig um eine argentinische Liebesgeschichte und um das Verhalten von Juristen in einer Diktatur – ein Meisterwerk von José Campanello. «The death and life of Otto Bloom» von Chris Jones, einen Film, welchen wir am 28. März 2018 zeigen werden, mag ich auch sehr gerne. Er handelt von einem Mann, der die Vergangenheit sofort vergisst, sich aber an die Zukunft «erinnert». Er versucht, trotz dieser Umstände eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen. Oder «Der Staat gegen Fritz Bauer» (Lars Kraume), der am 14. März 2018 bei uns laufen wird, ist auch sehr eindrücklich.

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Author

Lebte sich nach abgeschlossenem Studium (Journalismus & Organisationskommunikation) in der Unternehmenskommunikation, bei Agenturen sowie im Print-Journalismus aus und ist seit einiger Zeit mit GIURI Kommunikation selbständig unterwegs.

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