Wochenprogramm

Thema 6 – Gebet und Kunst

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Thema 7   

Gott, 

ich bitte dich, gib mir ein Auge, das 

fähig ist, Jesus Christus zu sehen;

ein Ohr, das sein Wort versteht; 

ein Herz, das von seinem

Herzen berührt ist,

und lehre meine Hand, sich

vertrauend in die seine zu legen. 

 

Romano Guardini

Blog-Artikel

Die Welt schweigt. Wir erleben einen Ausnahmezustand. Einen weltweiten lock-down; eine Art Zwangs-Entschleunigung. Wir sprechen nicht nur von einem Liturgie-Fasten sondern auch von einem Kunst-Fasten. Der Kunsthistoriker Sgarbi prangerte im Parlament den Verlust von Kultur öffentlich an und machte auf die Gefahren einer solchen Lebensweise aufmerksam. Giorgio Agamben sprach in seinen Artikeln davon, wir würden nur das nackte biologische Leben schützen wollen und die menschliche Würde und Werte damit aufgeben.

Die Sehnsucht nach wahrer Begegnung wurde zum existenziellen Thema. Kunst und Liturgie, das gemeinsame Gebet und der Kontakt mit Menschen wurde in unserer virtuellen Welt plötzlich als Kostbarkeit erkannt. Dieses Austrocknen, so sagte mir ein Priester, sei gut. Denn es schaffe neue Räume in uns, die wir vielleicht schon lange nicht mehr betreten hatten. Es ist eine sinnliche Begegnung mit uns selbst im Kontakt mit der Realität. In dieser Entsagung werden wir auf uns selbst zurückgeworfen, ohne dabei die Verbindung zu dem zu verlieren, das über mich hinausgeht.

Die Welt heute führt uns in eine neue Anschauung hinein, gezwungenermaßen, die durch das Zuhören und durch Zugehörigkeit zu uns selbst gekennzeichnet ist, ein Prozess des Selbstvergessens. Eine solche Zugkraft zur Transzendenz kann durch Hoffnung, Liebe, Sinnhaftigkeit, Schönheit, durch das Heilige, Musik, Kunst, aber auch durch die schmerzliche Begegnung mit der Realität der Welt selbst ausgeübt werden. Es lebt eine Wahrnehmung auf, die wir in der ästhetischen Reflexion bei Nikolaus von Kues wiederfinden. Es ist die „docta ignorantia“ die auch im Brief Augustinus' an Proba erwähnt wird. Dort heißt es, wir schauen nicht auf das Bild, wir schauen nicht einmal uns selbst im Bild an, aber unser Blick wird vom Bild eingenommen. Wir werden von einer Instanz außerhalb von uns betrachtet. Das bedeutet, in dem, was das Bild sichtbar macht, ist das Schauen zu betrachten. Das Bild schaut uns an.

Die Leere, die uns und der Welt heute entgegentritt, sei es der Himmel, der mit Flugzeugen bevölkert war und nun leer ist, die überfüllten Straßen, die, wie in einem Bild von De Chirico, zu einsamen, zu stummen und leeren Plätzen verwaist sind, diese Leere zieht mich aus mir selbst heraus. Wenn ich dieser Spannung folge, verliere ich mich und kehre zu mir selbst zurück: Es ist eine Dialektik von Selbstverlust und Selbstfindung. Die Begegnung mit der Welt, wie sie sich uns heute darstellt, kann sich, wie in einem Kunstwerk, als eine Art ästhetische Epiphanie ereignen. Im Moment dieser Erfahrung werden wir vom Aussehen des Bildes, von dem, was sichtbar wird, berührt. Das Schweigen des Bildes und der Welt und das Schweigen der Kirche muss gehört werden, denn man weiß nicht, wo die Dinge offenbart werden. Es handelt sich beim Kunstwerk, der Welt und der Kirche nicht um die Nacht der Finsternis, sondern um die Offenbarung im Unsichtbaren. Es bedarf der Anstrengung der Kontemplation.

Man muss die Geduld haben, dem Diskurs der Farben und Formen zuzuhören. Die Bibel selbst sagt es uns, man darf sich nicht sofort „ein Bild“ machen, auch nicht von dieser Welt, die in Schweigen gehüllt ist. Wir müssen sensibel für die Deklinationen und Konjugationen des Bildes und der Welt und der neuen Kirche sein. Die Bilder der Welt heute lehren uns das Sehen. Man sollte sie meditieren. Denn somit werden sie zu unserer Bilderwelt, die im Schweigen, uns zu dem werden lassen, was wir schon sind.

Dr. Yvonne Dohna Schlobitten

Dozentin an der Päpstlichen Universität Gregoriana für Ästhetik, Philosophie und Geschichte der christlichen Kunst

  • “Romano Guardini und die Didaktik des Blicks auf die Wirklichkeit im Gebet” mit Yvonne Dohna Schlobitten

    Yvonne Dohna Schlobitten ist seit 2004 Dozentin für Theorie und Methode des Heiligen und seiner Wahrnehmung in der Kunst an der Fakultät der Kirchengeschichte und ihrer Kulturgüter sowie am Institut für Spiritualität an der Päpstlichen Universität der Gregoriana in Rom. Ausgehend von einer multidisziplinären Ausbildung (Rechtswissenschaften, Medienphilosophie, Kunstgeschichte sowie Ästhetik und Counceling spirituale) geht ihr Forschungsrahmen von einem transdisziplinären Ansatz der künstlerischen Schöpfung aus. Im Mittelpunkt ihrer aktuellen Forschung steht Romano Guardini und die Frage nach der Beziehung zwischen ästhetischer und spiritueller Erfahrung zur Bildung religiöser Identität.

  • "Reflexions on the Role of the Arts in the Spiritual Life" / "Reflexionen über die Rolle der Kunst im geistlichen Leben" mit Peter Bouteneff (e/d)

    This keynote will address the ways in which the arts and beauty have brought Christ into the people’s hearts. Dostoevsky’s famous dictum, “Beauty will save the world” has many implications for society; we will reflect here on the role of the arts in softening our hearts and inspiring our minds and bodies.

    Dieser Vortrag wird thematisieren, wie Christus durch die Künste und durch Schönheit in die Herzen der Menschen kam. Dostojewskis berühmter Ausspruch "Schönheit wird die Welt retten" hat viele Implikationen für eine Gesellschaft; wir werden hier über die Rolle der Kunst nachdenken, menschliche Herzen zu öffnen und Geist und Körper zu inspirieren.

    Peter Bouteneff is Professor of Systematic Theology at St. Vladimir's Orthodox Seminary. He originally received his doctorate from the University of Oxford and is now the director of the SVS Sacred Arts Initiative at St. Vladimir's Seminary, where he is deeply involved with the music of Arvo Pärt. For several years, Bouteneff was Executive Secretary for Faith and Order of the World Council of Churches and was strongly committed to theological dialogue.

    Peter Bouteneff ist Professor für Systematische Theologie am St Vladimir’s Orthodox Seminary. Er hat ursprünglich an der University of Oxford promoviert und ist heute Direktor des SVS Sacred Arts Initiative am St Vladimir’s Seminary und setzt sich intensiv mit der Musik von Arvo Pärt auseinander. Während mehreren Jahren war Bouteneff Executive Secretary for Faith and Order des Ökumenischen Rats der Kirchen und sich in dieser Funktion stark für den theologischen Dialog eingesetzt.

  • "Zwischen NGL und Worship – die Bandbreite des popularmusikalischen Gemeindegesangs" mit Andreas Hausammann

    Wie kann zeitgenössischer Gemeindegesang im Gottesdienst gelingen? Was gibt es an Literatur und Kultur im Spannungsfeld zwischen Neuem Geistlichen Lied und Worship? Welche Kriterien gelten für moderne Gemeindelieder, und was gilt es in ihrer Umsetzung zu beachten?

    Andreas Hausammann ist Beauftragter für populäre Musik der Evang.-ref. Kirche des Kantons St.Gallen und Präsident der Fachkommission Popularmusik der Deutschschweizer Liturgie- und Gesangbuchkonferenz. Den gestellten Fragen geht er in diesem Beitrag nach.

    Zu diesem Vortrag steht ein Liedblatt zur Verfügung:

    Andreas Hausammann, geboren 1970, aufgewachsen als 3. von 5 Geschwistern in Weinfelden TG, Primar- und Sekundarschule, Kantonsschule Kreuzlingen, Studium Anglistik mit Lizentiat an der Universität Zürich, Auslandaufenthalt in Cardiff, Wales, semi-professionelle Tätigkeit als Pianist mit verschiedenen Gruppen, Tätigkeit als Englisch-Lehrer und als Musik-Lehrer auf Sekundar-Stufe, Jazz-Studium Klavier mit Performance-Abschluss an der Musikhochschule Luzern bei Christoph Baumann/Hans Feigenwinter/Elena Szirmai/Chris Wiesendanger, seit Herbst 2003 Beauftragter für populäre Musik der Evang.-ref. Kirche des Kantons St.Gallen zu 50%, dazu freischaffend tätig. Seit 2000 glücklich verheiratet mit Natasha, seit 2007 stolzer Vater von Linus. Bekennender und praktizierender Christ - soli deo gloria.

  • «(Selbst-)Befragung eines mürrischen alten Mannes zum Thema Spiritualität» mit Fulbert Steffensky

    Fulbert Steffensky hat katholische und evangelische Theologie studiert und war für 13 Jahre Benediktinermönch in der Abtei Maria Laach. Er hat seine Promotion an der Ruhr-Universität Bochum erlangt und war als Professor an der FH Köln und der Universität Hamburg sowie als Gastprofessor am Union Theological Seminary tätig. Fulbert Steffensky war verheiratet mit Dorothee Sölle (gestorben 2003) und gemeinsam waren sie Mitbegründer des Politischen Nachtgebets, einer Liturgie, welche von 1968 bis 1972 regelmässig in der Antoniterkirche in Köln gefeiert wurde. Mittlerweile ist er emeritiert und lebt im schweizerischen Luzern. Zu seinen neusten Veröffentlichungen gehören: Heimathöhle Religion (2015), Orte des Glaubens (2017) und Fragmente der Hoffnung (2019).

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