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Zugang zu einem Prüfbericht, der Teil der Akte über hängige Verfahren ist

Kanton Neuenburg – 04.06.2020

Aufgrund der schlechten finanziellen Lage zweier von den Kantonen Neuenburg, Waadt und Freiburg subventionierter Gesellschaften verlangte der Neuenburger Staatsrat 2017 eine Prüfung. Parallel dazu sind gegen X., den ehemaligen Direktor dieser Gesellschaften, Verfahren vor Straf- und Zivilgerichten hängig. Diese Verfahren betreffen die Erhöhung seines Gehalts durch einen Gemeinderat, die Abbuchung von 10.000 Franken, die er vom Konto einer der Gesellschaften vorgenommen hatte, sowie seine Entlassung. Eine Tageszeitung, die zu einem Presseunternehmen gehört, beantragt Zugang zum Prüfbericht. Die Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission der Kantone Jura und Neuenburg weist den Staatsrat an, das Audit zu übermitteln. X. legt gegen diese Entscheidung beim Kantonsgericht Beschwerde ein. Gemäss Art. 69 Abs. 1 CPDT-JUNE (RS-NE 150.30) hat jede Person das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten in dem in dieser Vereinbarung (CPDT-JUNE) vorgesehenen Umfang. Der Prüfbericht ist ganz offensichtlich ein amtliches Dokument, da die Durchführung einer externen Analyse im Auftrag des Staates eine öffentliche Aufgabe darstellt. Art. 69 Abs. 2 CPDT-JUNE bestimmt, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten, die sich auf hängige Verfahren und Schiedsverfahren beziehen, durch die Bestimmungen des Prozessrechts geregelt wird. Die Tatsache, dass ein Dokument Teil einer Akte in einem laufenden Verfahren ist (z. B. wenn die Strafbehörde tatsächlich im Besitz des Dokuments ist), ist ausschlaggebend dafür, welche Behörde für die Entscheidung über Zugangsgesuche zuständig ist. In Strafsachen sind die Strafverfolgungsbehörden zuständig, sofern ein Strafverfahren hängig ist, und die Datenschutzbehörden, nachdem das Verfahren abgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall ist der Prüfbericht Teil der Akten der hängigen Straf- und Zivilverfahren. Daher findet die Ausnahme von Art. 69 Abs. 2 CPDT-JUNE Anwendung. Die Kommission hielt sich also zu Unrecht für zuständig und wandte die CPDT-JUNE an. Daher heisst das Kantonsgericht die Beschwerde gut und ändert den Entscheid der Kommission dahingehend ab, dass das Gesuch um Zugang zum Prüfbericht für unzulässig erklärt wird. Das Presseunternehmen legte Beschwerde beim BGer ein (BGE 147 I 47), das die Beschwerde guthiess und den Entscheid der Kommission bestätigte: Der Staatsrat muss den Prüfbericht zugänglich machen. Das BGer stützt sich auf die Botschaft zum BGÖ und unterscheidet zwischen Dokumenten, die ausserhalb eines Gerichtsverfahrens erstellt werden, und Dokumenten, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ausdrücklich angeordnet wurden. Nur für die zweite Kategorie gilt der Grundsatz der Transparenz nicht. Im vorliegenden Fall befindet sich der Prüfbericht nur deshalb in der Prozessakte des laufenden Zivilverfahrens, weil X. ihn dort als wörtlichen Beweis hinterlegt hat. Darüber hinaus befindet er sich in den Akten des laufenden Strafverfahrens, da die Staatsanwaltschaft ihn bei der Staatskanzlei angefordert hat. Da der Prüfbericht nicht von einer Strafverfolgungsbehörde stammt und nicht für diese bestimmt ist, kann er nicht in die zweite Kategorie von Dokumenten eingeordnet werden. Die Ausnahme von Art. 69 Abs. 2 CPDT-JUNE ist daher auf den Prüfbericht nicht anwendbar.

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