Vaud
Bereits öffentlich-rechtlich anerkannt sind im Kanton Waadt die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Kirche (siehe die Art. 170 ff. KV VD). Die israelitische Gemeinde ist als sog. Institution von öffentlichem Interesse anerkannt. Diesen Status können auch andere Religionsgemeinschaften erlangen. Die öffentlich-rechtliche Anerkennung für weitere Religionsgemeinschaften ist hingegen nicht vorgesehen, dafür bräuchte es also eine Verfassungsänderung.
Bedingungen der Anerkennung
Die Einzelheiten der Anerkennung als Institution öffentlichen Interessens regelt das waadtländische Anerkennungsgesetz, das Loi sur la reconnaissance des communautés religieuses et sur les relations entre l’Etat et les communautés religieuses reconnues d’intérêt public (LRCR VD).
Die Bedingungen für die Anerkennung sind nach diesem Gesetz die folgenden:
- Die Religionsgemeinschaft muss die schweizerische Rechtsordnung, den Religionsfrieden, die demokratischen Prinzipien und den Grundsatz der finanziellen Transparenz (gemäss Schweizerischem Obligationenrecht) respektieren.
- Die Grundrechte, insbesondere die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Mitglieder müssen gewährleistet sein.
- Die Religionsgemeinschaft muss auch für Nichtmitglieder eine soziale und kulturelle Rolle spielen. Insbesondere muss sie sich für den sozialen und religiösen Frieden einsetzen und sich am ökumenischen und interreligiösen Dialog beteiligen. Weiter muss die Religionsgemeinschaft mindestens einen Kultusort im Kantonsgebiet haben, der für die im Kanton wohnhaften Mitglieder offen ist.
- Die Religionsgemeinschaft muss schon seit mindestens 30 Jahren im Kanton bestehen.
- Bei der Anerkennung wird die Mitgliederzahl der Religionsgemeinschaft, die Französischkenntnisse und die Kenntnisse des schweizerischen Rechts der Personen, die die Religionsgemeinschaft vertreten, berücksichtigt. Sie müssen insbesondere Kenntnisse der schweizerischen Grundrechte, der waadtländischen Verfassung und internationaler Menschenrechtstexte vorweisen.
- Die Vertreter:innen müssen die interreligiösen Organisationen und Veranstaltungen im Kanton sowie die Landeskirchen und die im Kanton aktiven Religionsgemeinschaften sowie deren Hauprepräsentant:innen kennen.
Wirkungen der Anerkennung
Mit der öffentlichen Anerkennung erhalten die Religionsgemeinschaften Zugang zur Seelsorge in Spitälern und Strafvollzugsanstalten. Ausserdem können sie finanzielle Unterstützungen für gesamtgesellschaftliche Leistungen erhalten und von den Steuern befreit werden. Weiter meldet die Einwohnergemeinde der Religionsgemeinschaft den Zuzug von ihrer Religion zugehörigen Personen. Die Religionsgemeinschaft hat auch ein Recht, vom Staat und den Gemeinden in Sachen, welche die Religionsgemeinschaft betreffen, angehört zu werden.
Verfahren
Die Religionsgemeinschaft muss zur ein Anerkennungsgesuch beim Conseil d’Etat (also der Regierung des Kantons Waadt) einreichen. Dieses Gesuch muss enthalten:
- Die Statuten der Religionsgemeinschaft
- Weitere Dokumente, die das département des institutions et de la sécurité (also das Sicherheitsdepartement) des Kantons Waadt anfordert.
Das zuständige Departement prüft, ob die Bedingungen für die Anerkennung der Religionsgemeinschaft gegeben sind. Anschliessend unterbreitet es die Ergebnisse dem Conseil d’Etat und schlägt einen Entwurf eines Gesetzes vor, das die konkreten Beziehungen zwischen dem Kanton und der betreffenden Religionsgemeinschaft regeln soll. Der Conseil d’Etat und das Parlament verabschieden dann den endgültigen Erlass. Dieser ist vor dem Cour constitutionnelle des Kanton Waadt anfechtbar (siehe Art. 21 LRCR VD). Die Religionsgemeinschaft wird vor jeder öffentlichen Mitteilung über den Stand des Verfahrens informiert.