Martina King
Ordentliche_r Professor_in
Ordentliche Professorin, Lehrstuhl Medical Humanit...
PER 17 - 115
+41 26 300 8672
Wir sind ein Team aus LiteraturwissenschaftlerInnen, Medizin- und WissenschaftshistorikerInnen und verstehen die Medical Humanities als einen transdisziplinären Ansatz, der zu einem besseren Verständnis der Medizin beitragen soll. Aus der Perspektive der Geistes- und Sozialwissenschaften erscheint ‘Medizin’ als komplexes Zeichensystem einerseits, als wissenschaftliche, soziale und kommunikative Praxis andererseits, die in multiple Kontexte eingebettet ist und nur aus diesen heraus verständlich wird. Auf der Basis dieser Grundsatzüberzeugungen gibt es allerdings Unterschiede zwischen Lehre und Forschung.
Unser Unterrichtsprogramm, das Fribourger Modell, ist in Europa singulär: Exklusiv für Medizinstudierende konzipiert, zieht sich mit verpflichtenden Lehrveranstaltungen aus Medizingeschichte, Literaturwissenschaft, Medizinethik, Anthropologie etc. durch das gesamte BA- und MA-Curriculum und zielt auf die Medizin der Gegenwart. Sie soll unter der Optik ihrer eigenen Kultur- und Mediengeschichte, ihrer Akteure, Rollen, diskursiven Spielregeln und Handlungsräume von den Studierenden besser verstanden werden. Das Programm orientiert sich damit am Prinzip der angewandten Geistes- und Sozialwissenschaften, die einem ihnen selbst äusserlichen Ziel dienen.
Unsere Forschung hingegen ist historisch und texttheoretisch ausgerichtet und an der Schnittstelle der beiden, am Lehrstuhl vertretenen Disziplinen angesiedelt: Literaturwissenschaft und Medizingeschichte. Sie akzentuiert weniger die normative und aktivistische Seite der Medical Humanities als deren reflexive und hermeneutische Dimension – und zielt auf das historische Gewordensein der Medizin und ihrer Praktiken, Räume, Wissens- und Symbolsysteme seit der zunehmenden Medikalisierung im 19. Jahrhundert. Das Spektrum reicht von der Erfindung des kranken Kindes in der illustrierten Familienpresse und der Kinder-Pockenimpfung über die Kulturgeschichte und -Poetik der Fettleibigkeit bis zur Literatur der Weimarer Republik aus den Perspektiven der Disability Studies und Spatial Studies. Es reicht ferner von der Geschichte und Praxeologie der Medikamentierung bis zur Autopathobiografik in der Gegenwartsliteratur; und schliesslich zum Genre 'Klinischer Arztbrief', einer unerforschten Gattung medizinischer Fachkommunikation, in der sich historische und epistemologische Fragestellungen überkreuzen.
Zwischen Forschung und Lehre angesiedelt ist unser akademisches und öffentliches Engagement für das Thema Long Covid – einer allgemeinen Gesundheitskatastrophe, nach WHO-Schätzung sind 3-5% aller Menschen weltweit betroffen. Gleichwohl ist das Thema v.a. in den Ländern des globalen Nordens verdrängt, unterschätzt, politisch oder medial instrumentalisiert – was wiederum zu vielfältigen Polarisierungen führt: zwischen Betroffenen und MedizinerInnen, Gesundheitsakteuren und Versorgungsinstitutionen, zwischen verschiedenen soziopolitischen Gruppierungen. Diesen Polarsierungen versuchen wir entgegenzuwirken und der medial aufgeheizten Subjektivität einen sachlichen, multiperspektivischen Diskurs entgegenzusetzen.
Images downloaded from wellcomecollection.org, the free museum and library for the incurably curious
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