BA-Seminar: Animal Studies. Tiere in den Texten des Mittelalters (GM)
UE-L03.00555

Dozenten-innen: Bozkaya Inci Pia
Kursus: Bachelor
Art der Unterrichtseinheit: Seminar
ECTS: 3
Sprache-n: Deutsch
Semester: HS-2024

Tiere sind in literarischen Texten des Mittelalters in vielfältiger Gestaltung anzutreffen. Gawein besteht seine Aventiuren auf seinem Reitpferd Gringuljete, Iwein kämpft mit einem Löwen an seiner Seite, Tristan erschlägt den Drachen, Siegfried jagt Bären, Minnedamen erziehen Falken und streicheln Schoßhunde, Nachtigallen wissen um das Stelldichein von Liebenden, der schlaue Fuchs lässt den gierigen Wolf in den Brunnen springen und am Hofe der Tiere herrscht der Löwe.

Das Seminar will anhand ausgewählter Texte einen Überblick über Formen der literarischen Auseinandersetzung mit Tieren in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters geben. Hierzu werden sowohl diskursive wie narrative Texte untersucht. So werden wir uns am Beginn damit vertraut machen, wie Wissen über Tiere in Bestiarien wie etwa dem ‚Physiologus‘ präsentiert und gedeutet wird. Darauf aufbauend werden wir uns damit auseinandersetzen, welches Bedeutungspotential bestimmten Tierarten zugeschrieben wird und wie dies in literarischen Texten genutzt wird. Mit welcher Wirkung etwa werden Tiervergleiche oder tierische Attribute zur Darstellung menschlicher Figuren eingesetzt? Die darauffolgenden Untersuchungen von Tieren in Erzähltexten wird danach fragen, wie Tiere – sei es etwa als Begleiter oder als Bedrohung, als wildes oder gezähmtes Tier – in Relation zu menschlichen Figuren dargestellt werden. Den Abschluss des Seminars bildet die gemeinsame Diskussion von tierepischen Texten. Sowohl in kleinepischen Texten, wie der äsopischen Fabel, als auch in der umfangreicheren Tierepik erscheinen Tiere als Akteure in einer Erzählwelt, die zumeist ohne den Menschen auskommt bzw. in welcher Tiere als Hauptfiguren auf den Menschen als das Andere blicken und diesen zu deuten versuchen.

Aufgrund derartiger Fragestellungen ist das Seminar anschlussfähig an das sich erst in den letzten zwei Jahrzehnten herausgebildete Forschungsgebiet der ‚Cultural Animal Studies‘. In diesem wird zunehmend die ‚anthropologische Differenz‘, „d.h. die Annahme, dass zwischen dem Menschen auf der einen Seite und den Tieren auf der anderen Seite ein kategorialer und zudem mit Wertungen versehener Unterschied besteht“, hinterfragt.[1] Basierend auf der Lektüre historischer Texte soll kritisch danach gefragt werden, wie sich die ‚anthropologische Differenz‘ in historischen Texten formiert. Welches historische Verständnis von Tieren lässt sich den mittelalterlichen Texten entnehmen? Wie werden Tiere im Mittelalter gelesen?

Zur Vorbereitung

Reflektieren Sie moderne Darstellungen von Tieren. Überlegen Sie weiters, in welchen mittelalterlichen Texten Ihnen bereits Tiere begegnet sind. Wie wurden diese dargestellt und warum wurde von ihnen erzählt?

 

[1] Roland Borgards: Einleitung: Cultural Animal Studies von Roland Borgards in: Tiere. Kulturwissenschaftliches Handbuch, hg. v. dems. Stuttgart 2016, S. 1–5.