11.06.2015

Wiener Kongress: Zwischen Geopolitik und Geselligkeit


Vor 200 Jahren wurden im Rahmen des Wiener Kongresses Grundsätze verankert, die noch heute die internationale Politik bestimmen. Wesentlich zur Neuordnung Europas beigetragen haben dabei der Walzer und die Diplomatie – ihnen gilt die Neuerscheinung des Bereichs Zeitgeschichte, basierend auf den Aufzeichnungen von Jean de Montenach und Anna Eynard-Lullin. Ein Kolloquium am 18. und 19. Juni wird die Publikation vorstellen und ein besonderes Augenmerk auf die „Kleinstaaten“ werfen.



Was bietet sich mehr an, um die feierlich-diplomatische Atmosphäre des Wiener Kongresses (September 1814 – Juni 1815) wiederaufleben zu lassen, als die noch unveröffentlichten Aufzeichnungen zweier Schweizer Beobachter? Zusammen mit Alexandre Dafflon des Freiburger Staatsarchivs hat Benoît Challand, Professor am französischsprachigen Bereich für Zeitgeschichte der Universität Freiburg, sich mit den täglichen Aufzeichnungen befasst des Freiburgers Jean de Montenach, einem der drei Schweizer Gesandten am Wiener Kongress, und Anna Eynard-Lullin, der Ehefrau von Jean-Gabriel Eynard, dem persönlichen Sekretär des berühmten Genfers Charles Pictet de Rochemont, der die Anerkennung der Schweizer Neutralität erreicht hatte. Entstanden ist daraus die Doppelpublikation Journaux du Congrès, Vienne 1814 -1815. Die beiden Tagebücher zeigen deutlich, welchen Stellenwert das gesellige Rahmenprogramm des Kongresses hatte: Die Musik, die Bälle und die Bankette sorgten für Möglichkeiten des Austausches und der Diskussionen, von welchen gerade die „kleinen Staaten“ wie die Schweiz zu profitieren versuchten, um ihre politischen Positionen voranzubringen. Montenach und Eynard Lullin waren zugegen in den Wiener Palästen, wo die Siegermächte die Karte Europas neu zeichneten. Sie hielten ihre Erinnerungen und Eindrücke für die Nachwelt fest und lieferten uns damit eine stereoskopische Betrachtung der Neuerschaffung Europas durch einen Kongress, der nicht zuletzt im Zeichen des amusements stand.

Zu Ehren der Kleinstaaten

Auf den Tag genau zwei Jahrhunderte nach der Ratifizierung der Schlussakte des Wiener Kongresses (Acte final) wird das Buch im Rahmen eines interdisziplinären Kolloquiums vorgestellt. Der zweitägige Anlass geniesst die Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und wird organisiert in Zusammenarbeit mit der Société d'histoire des Kantons Freiburg und den Professoren Luca Zopelli (Musikwissenschaft) und Thomas Lau (Geschichte der Neuzeit). Im Mittelpunkt der Vorträge und Debatten steht die Auseinandersetzung mit der Geschichtsschreibung der verschiedenen Kleinstaaten. Das Kolloquium wird eine neue Generation an Europäischen und Schweizer Forschenden zusammenführen (Dänemark, Albanien, Polen und Deutschland). Im Gegensatz zu anderen diesem Thema gewidmeten Konferenzen sollen die beiden Tage an der Universität Freiburg sowohl schweizerischen und internationalen Ansichten Gehör schenken – gerade auch, weil die Zweihundertjahrfeier häufig auf die „Kantonsgeschichte“ reduziert wird (der Wiener Kongress als Erfolg für die Kantone Waadt und Genf und als Katastrophe für den Jura, der dem Kanton Bern zufiel).

Das

zweisprachige Kolloquium

findet am 18. und 19. Juni in den Räumlichkeiten der Kantonalen Gebäudeversicherung KGV, Maison de Montenach 1, 1763 Granges-Paccot statt.
Programm: PDF

Anlässlich der Vernissage des Buches vom Freitag, 19. Juni, 16.30 bis 18 Uhr, wird das Freiburger Kammerorchester Ludwig van Beethovens 2. Rasumowsky-Quartett, Opus 59, spielen, das auch anlässlich des Wiener Kongresses im Wiener Palast vorgetragen wurde.

Die Texte der Publikation wurden vom Freiburger Staatsarchivar Alexandre Dafflon, Prof. Benoît Challand und dem Masterstudenten in Zeitgeschichte Jim Walker in Zusammenarbeit mit dem Historiker und Politologen Bernard Lescaze zusammengetragen, kommentiert und ausgewählt. Das Buch kann per E-Mail (commande@shcf.ch) oder über die Website (www.shcf.ch) bestellt werden.