25.06.2015
Physik: Geckokräfte im Dienste der Nanowissenschaft
Geckos und gewisse Spinnenarten sind in der Lage, mit Leichtigkeit steilste Wände zu erklimmen. Diese Fähigkeit inspirierte Forschende des Physikdepartements der Universität Freiburg dazu herauszufinden, wie man mit Hilfe von Laserstrahlen die Wechselwirkungskräfte zwischen kleinsten Teilchen gezielt beeinflussen könnte.
Zwei winzige Plastikkügelchen im Inneren einer extrem hellen Lichtwolke ziehen einander gegenseitig an. (Bild: Frank Scheffold)
Geckos und einige Spinnen nutzen so genannte Van-der-Waals- oder Dispersionskräfte, um mit Leichtigkeit Wände hochzuklettern. In einem Artikel, der im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde, konnte die Gruppe von Professor Scheffold zusammen mit Kollegen der Universidad Autónoma de Madrid zum ersten Mal zeigen, dass solche Dispersionskräfte im Nanobereich mit diffuser Laserstrahlung induziert und kontrolliert werden können.
Dispersionskräfte zwischen kleinen Objekten sind in der Natur allgegenwärtig. Sie spielen eine wesentliche Rolle im beobachteten Verhalten von biologischen Flüssigkeiten, wie beispielsweise in Blut, aber auch in Lebensmitteln, Farben und Tinten. Im Vergleich zu gewöhnlichen chemischen Bindungen sind die Dispersionskräfte relativ schwach und oft nicht von permanenter Dauer. Der Ursprung der Dispersionskräfte liegt in sehr schnell fluktuierenden elektromagnetischen Feldern, die natürlicherweise zustande kommen. Die Fluktuationen führen zu schwachen - meist anziehenden, selten auch abstossenden - Kräften zwischen Molekülen und kleinen Objekten. Der Gecko macht sich die kumulierte Dispersionskraft von Millionen feinster Härchen zu Nutze, um an Oberflächen haften zu können. Da zwischen der Oberfläche und einem einzelnen Haar nur eine geringe Kraft wirkt, kann der Gecko seinen Fuss durch eine geeignete Bewegung wieder von der Oberfläche lösen.
Mit Licht gesteuert
Die Forscher generierten eine diffuse „Laserlicht-Wolke“, die mit dem Sonnenlicht, das man an einem nebligen Tage durch den Dunst schimmern sieht, vergleichbar ist. Die künstlich erzeugte „Laserlicht-Wolke“ weist jedoch eine deutlich höhere Intensität auf. Im Experiment wurden zwei winzige Mikrometer grosse Plastikkügelchen im Inneren dieser Lichtwolke gehalten und von den Forschenden vermessen, indem sie mit einem Mikroskop die relative Position der beiden Partikel präzise beobachtet haben. Je höher die Lichtintensität in der Wolke ist, desto stärker ziehen sich die Partikel an. Wie in der Natur hängen dabei die Kräfte nur vom relativen Abstand zwischen den Partikeln und nicht von ihrer tatsächlichen Position im Inneren der Wolke ab. Zusätzlich können Stärke und Eigenschaften der wirkenden Kräfte mit der geeigneten Wahl der Intensität und Farbe der Lichtwolke kontrolliert werden. Damit sollte es möglich sein, Wechselwirkungen zwischen kleinen Objekten vollständig zu kontrollieren. Dies könnte sowohl das Design nanostrukturierter Materialien mit massgeschneiderten Eigenschaften vereinfachen, wie auch neue Einblicke in deren physikalisches Verhalten erlauben.
Von der Natur inspiriert
Die vorliegende Forschung wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) „Bioinspirierte Materialien“ durchgeführt. Das durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Kompetenzzentrum steht unter der Leitung der Universität Freiburg, umfasst aber auch führende Forschungsgruppen der Universität Genf sowie der ETH Zürich und der ETH Lausanne.
Zusätzliche Informationen: bioinspired-materials.ch
Kontakt: Prof. Frank Scheffold, Departement für Physik, frank.scheffold@unifr.ch, 026 300 9117, http://physics.unifr.ch/en/page/54/
Originalarbeit (auf Englisch): http://www.nature.com/ncomms/2015/150622/ncomms8460/abs/ncomms8460.html