26.02.2007
Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns besser verstehen
Freiburg, den 26. Februar 2007. Forscher des Departements für Medizin der Universität Freiburg sind einen Schritt weitergekommen, was die Analyse der Anpassungsfähigkeit des Gehirns anbelangt. Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich bei jungen Affen das Gehirn nach einer Verletzung des Hippocampus wieder neu organisieren kann. Diese in der Februarnummer des Wissenschaftsmagazins «Nature Neuroscience» publizierten Ergebnisse könnten dereinst helfen, neue Behandlungen für hirnverletzte Personen oder Epileptiker zu entwickeln.
Eine Forschergruppe des Departements für Medizin der Universität Freiburg hat unter der Leitung von Prof. Pierre Lavenex und in Zusammenarbeit mit der Universität Californien (UC Davis) festgestellt, dass bei neugeborenen Affen sich das Gehirn nach einer Verletzung des Hippocampus wieder neu organisieren kann. Dem Hippocampus kommt eine wichtige Funktion beim Erinnerungsprozess im Gehirn zu. „Diese Entdeckung ist ein wichtiger Schritt um Phänomene wie den Gedächtnisverlust oder die Hypoxie zu begreifen", sagt Prof. Lavenex. Die Hypoxie ist ein Sauerstoffmangel, der zum Beispiel bei einer schwierigen Geburt auftreten und zu Hirnverletzungen beim Neugeborenen führen kann.
Sich an ein Versteck erinnern
Um die Folgen einer Verletzung des Hippocampus verstehen zu können, haben die Forscher Affen beobachtet, die auf einer grossen Fläche nach in Bechern versteckten Trauben suchten. Bei dieser Übung ist das im Hippocampus angesiedelte Erinnerungsvermögen gefordert, was die Stellung der Becher und jene von andern Objekten in der Umgebung anbelangt. Erwachsene Tiere mit einem verletzten Hippocampus scheitern bei dieser Übung, zumal sie sich nicht von einem Tag auf den andern zu erinnern vermögen, wo die Trauben versteckt sind und deshalb alle Becher umdrehen, bis sie auf Nahrung stossen. Affen mit einer Verletzung kurz nach der Geburt erinnern sich ohne Probleme an das Versteck der Trauben und greifen nach den „richtigen“ Bechern. „Diese funktionelle Wiederherstellung des Gehirns lässt darauf schliessen, dass sich Hirnregionen rund um den Hippocampus reorganisieren, um verletzungsbedingte Defizite zu kompensieren“, kommentiert Prof. Lavenex dieses Phänomen.
Die Hypoxie besser verstehen
Dank diesen Resultaten können die Freiburger Forscher fortan die Anpassungsfähigkeit des Gehirns und die funktionelle Wiedererlangung bei Hirnverletzungen in verschiedenen Phasen der Entwicklung unter neuen Gesichtspunkten analysieren. Auch könnten sich dereinst neue Fährten für das Verständnis von neuroentwicklungsbedingten Problemen erschliessen. Laut Prof. Lavenex können nur mittels Grundlagenforschung die Mechanismen begriffen werden, die zu einer funktionellen Reorganisation des Gehirns nach einer Verletzung beim Neugeborenen führen. In diesem Zusammenhang interessieren sich die Forscher auch für die Auswirkungen der Hypoxie. Diese kann zu Verletzungen des Hippocampus führen und bei Kindern lange unbemerkt bleiben, weil sie offensichtlich kompensatorische Lernstrategien benutzen und damit Erinnerungsdefizite teilweise ausgleichen können. Um solchen Phänomenen auf die Schliche zu kommen, studiert die Freiburger Equipe derzeit molekulare Mechanismen, die die strukturelle Entwicklung des Hippocampus beim Affen bestimmen. Laut Prof. Lavenex ist es absolut zentral zu verstehen, wie das Gehirn sich normal entwickelt, um eines Tages Methoden für neuropsychiatrische Probleme wie Autismus, Depressionen oder Schizophrenie beim Menschen zu entwickeln.
Kontakt: Prof. Pierre Lavenex, Departement für Medizin, Tel. +41 26 300 87 24, E-Mail: pierre.lavenex@unifr.ch
Quelle: Dienst für Kommunikation und Marketing, Tel. +41 26 300 70 34, E-Mail: marcom@unifr.ch