03.05.2006

Das Leben ist (k)ein Glückspiel


Freiburg, den 3. Mai 2006. Der Mensch reagiert in riskanten Alltagssituationen anders als bei Glücksspielen. Darum muss die experimentelle Forschung der Risikoentscheidungen künftig alltagsnahe Szenarien mit einbeziehen und die seit 50 Jahren angewandte klassische Entscheidungstheorie revidiert werden. Zu diesem Schluss kommt die Forschergruppe um Prof. Oswald Huber am Departement für Psychologie der Universität Freiburg.

Die Forschungsresultate zeigen, dass es irreführend ist, wenn sich die experimentelle Forschung nur auf Glückspiele oder ähnliches fixiert. Erst wenn man auch alltagsnähere Szenarios einbezieht, kann in Erfahrung gebracht werden, was wir Menschen in Risikoentscheidungssituationen tatsächlich tun. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die durch zwei Aspekte charakterisiert sind: mindestens eine der Handlungsalternativen hat negative (unerwünschte) Konsequenzen, und es ist unsicher, ob diese unerwünschten Konsequenzen eintreten oder nicht. Ein typisches Beispiel ist die Entscheidung, seinen sicheren Arbeitsplatz aufzugeben und auf einen besser bezahlten, aber unsicheren Posten zu wechseln.

Die klassische Entscheidungstheorie…

Prof. Oswald Huber und sein Team untersuchen seit einigen Jahren - unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds  - , ob es tatsächlich so ist, dass Glückspiele das Wesentliche von Alltagssituationen erfassen. Mithilfe von neu entwickelten Entscheidungsszenarien und einer neuen experimentellen Methodik konnte ein eindeutiges Resultat erzielt werden: Wie sich Menschen bei Entscheidungen zwischen Glückspielen verhalten, sagt wenig darüber aus, wie sie in alltagsnäheren Entscheidungssituation vorgehen.

In der Entscheidungspsychologie werden Risikoentscheidungen seit gut 50 Jahren experimentell erforscht, und zwar in der Regel mit Glückspielen, z.B. vereinfachten Roulettespielen oder Lotterien. In solchen Experimenten erweist sich - neben der Höhe der möglichen Gewinne und Verluste -  die Wahrscheinlichkeit als zentral, mit der ein Entscheider glaubt, dass der Gewinn oder der Verlust eintritt. Glückspiele werden dabei als abstrakte, von störendem und unnötigem Beiwerk befreite Modelle von Risikosituationen im Alltag angesehen.

Stellen Sie sich vor, Sie sollten zu wichtigen Gesprächen in ein Land reisen, in dem eine gefährliche ansteckende Krankheit grassiert, und überlegen, ob Sie reisen wollen oder nicht. Natürlich werden in Ihre Entscheidung die Überlegungen eingehen, wie unangenehm oder gefährlich die Krankheit und ihre Folgen sind oder wie nachteilig es wäre, wenn Sie an den Gesprächen nicht teilnehmen. Die klassische Entscheidungstheorie sagt vorher, dass Sie in dieser Situation die Wahrscheinlichkeiten (z.B. für eine Erkrankung) abschätzen, und diese Wahrscheinlichkeiten mit den Überlegungen kombinieren, um einen Entscheid treffend zu können.

…und die Realität

Die Freiburger Forschungsergebnisse allerdings zeigen ein ganz anderes Bild: Die Entscheider sind an den Wahrscheinlichkeiten nicht sehr interessiert und suchen stattdessen sehr häufig aktiv nach Möglichkeiten, das Risiko zu eliminieren oder zu vermindern. Im konkreten Beispiel fragen die Menschen z.B., ob es eine Impfung gegen diese Krankheit gibt oder eine medizinische Behandlung oder eine Möglichkeit, die Ansteckung zu verhindern. Die Entscheider wägen also nicht nur passiv die Werte und die Wahrscheinlichkeiten ab, sondern versuchen aktiv, das Risiko zu entschärfen. Dieses zentrale Ergebnis wurde inzwischen auch von anderen Forschern bestätigt und auch in Echtentscheidungen beobachtet (z.B. Management oder genetische Beratung). In einer Reihe von weiteren Experimenten hat die Forschergruppe um Prof. Huber untersucht, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, ob jemand in einer bestimmten Situation versucht das Risiko zu entschärfen. Hier spielen z.B. Eigenschaften der konkreten Situation eine Rolle (z.B. die verfügbare Information), aber auch Persönlichkeitsvariablen oder Kosten-Nutzen-Überlegungen.

 

Kontakt: Prof. Oswald Huber, Departement für Psychologie der Universität Freiburg, Tel. +41 26 300 76 37, E-Mail: oswald.huber@unifr.ch.

Quelle: Dienst für Kommunikation & Marketing, Tel. +41 26 300 70 34, E-Mail : marcom@unifr.ch