12.07.2005

Heterogene Klassen als Chance für soziale Lernprozesse


Schüler und Schülerinnen in multinational zusammengesetzten Klassen profitieren in sozialer Hinsicht von dieser Durchmischung. Der gemeinsame Unterricht wird von den Betroffenen selbst grösstenteils als Bereicherung erlebt. Dies geht aus einer Nationalfondsstudie des Instituts für Heilpädagogik der Universität Freiburg hervor.

In den meisten Schweizer Gemeinden sind multinational zusammengesetzte Schulen eine Realität. Im Durchschnitt liegt laut Bundesamt für Statistik der Anteil ausländischer Kinder in der Primarschule bei fast einem Viertel. Der Freiburger Forscher Michael Eckhart ging in seiner Untersuchung der Frage nach, wie sich im gemeinsamen Unterricht Einstellungen und Beziehungen von einheimischen Kindern und Immigrantenkindern entwickeln. Seine Forschungsarbeit entstand im Rahmen des Nationalfondsprojektes „Kulturelle und leistungsbezogene Heterogenität in Schulklassen - Empirische Studien über günstige und ungünstige Konstellationen". Die Befragung von über 2000 Kindern in 112 Klassen des sechsten Schuljahres konzentrierte sich auf 21 (Halb-)Kantone der Schweiz mit deutschsprachigen Schulgemeinden und auf das Fürstentum Liechtenstein. Einbezogen wurden Schulklassen mit hoher ethnischer Heterogenität wie auch Klassen, in denen fast keine ausländischen Kinder unterrichtet werden. Weniger Vorurteile, mehr Freundschaften Was soziale Distanz und Vorurteile anbelangt, zeigt die Untersuchung, dass Schweizer Kinder in national sehr heterogenen Schulklassen über positivere Einstellungen gegenüber Immigrantenkindern verfügen als in homogeneren Schulklassen. Ein Ergebnis, das sich in den täglichen Interaktionen spiegelt: In sehr heterogenen Klassen sprechen aus- und inländische Kinder mehr zusammen und ärgern sich gegenseitig weniger, was günstig für die soziale Integration von ausländischen Schülerinnen und Schülern ist. So sind in den multinationalen Klassen Freundschaften zwischen ausländischen und Schweizer Kindern relativ häufig; jede dritte Freundschaft eines Schweizer Kindes aus sehr heterogenen Klassen ist eine Beziehung mit einem Immigrantenkind. Leistungsschwache in Aussenseiterposition In der Studie werden die Entwicklungen von sozialen Positionen über mehrere Schuljahre hinweg verfolgt. Dabei wirkt es sich für ausländische Kinder positiv aus, wenn sie über längere Zeit gemeinsam mit Schweizer Kindern aufwachsen; die fremde Nationalität als trennendes Merkmal scheint an Bedeutung zu verlieren. Trennend bleiben hingegen Schulprobleme: Kinder mit Schulschwierigkeiten - ob in- oder ausländisch - haben sowohl in heterogenen als auch in homogeneren Klassen sozial einen schwierigen Stand. Aus den Daten geht zusammenfassend hervor, dass sich die Einstellungen gegenüber ausländischen Kindern und die Interaktionen zwischen in- und ausländischen Kindern in Schulklassen mit prozentual vielen ausländischen Kindern positiver entwickeln als in weniger heterogenen Schulklassen. In Schulklassen mit vielen ausländischen Kindern bahne sich, entgegen weit verbreiteten Befürchtungen, offensichtlich kein 'Kampf der Kulturen' an, stellt Michael Eckhart fest. Positive Faktoren überwiegen Insgesamt nannten die über 1500 Schweizer Kinder mehr Vor- als Nachteile für den Unterricht in einer national gemischten Schulklasse. Positiv eingeschätzt wurde insbesondere der Kontakt mit anderen Kulturen und Fremdsprachen. Als nachteilig taxierten die befragten Schweizer Kinder Auseinandersetzungen mit ausländischen Kindern und sprachbedingte Verständigungsschwierigkeiten. Die nationale Vielfalt in einer Schulklasse sei nicht nur als Problem, sondern auch als Gelegenheit zu werten, folgert der Autor der Studie: „Die betroffenen Kinder empfinden den gemeinsamen Unterricht von in- und ausländischen Schülern vor allem als Bereicherung". In heterogenen Schulklassen seien mannigfaltige soziale Lernprozesse möglich, die im Hinblick auf eine zunehmende Achtung und Anerkennung von Vielfalt in der Schule dringend genutzt werden sollten, empfiehlt Michael Eckhart. Weitere Informationen: Michael Eckhart, Tel: 026 300 77 27, E-Mail: michael.eckhart@unifr.ch Literaturhinweis: „Anerkennung und Ablehnung in Schulklassen - Einstellungen und Beziehungen von Schweizer Kindern und Immigrantenkindern"; Michael Eckhart; Haupt Verlag (2005); ISBN 3-258-06838-0 Quelle: Dienst für Presse und Kommunikation, Tel.: 026 300 70 34, E-Mail: press@unifr.ch