10.01.2005

Innere Uhr beeinflusst Alkoholkonsum


Die innere Uhr eines Menschen gerät bei Schichtarbeit oder einem Jetlag aus dem Takt. Nebst gesundheitlichen Beschwerden ruft dies bei den Betroffenen häufig ein gesteigertes Verlangen nach Alkohol hervor. Freiburger Forschern ist es gelungen, das Gen zu bestimmen, das die innere Uhr steuert und den Alkoholkonsum beeinflusst. Ihre Ergebnisse, die vor wenigen Tagen im renommierten Magazin „Nature Medicine" erschienen sind, dürften bei Therapien von Alkoholsüchtigen von grossem Nutzen sein.

Der Freiburger Biochemiker Urs Albrecht untersucht mit seinem Team seit Jahren die Mechanismen der inneren Uhr und ihre Auswirkung auf das Denken und Verhalten von Menschen und Mäusen. Die innere Uhr ist insbesondere für die Körpertemperatur, den Hormonspiegel und das Schlafverhalten in einem Tagesrhythmus von 24 Stunden verantwortlich und reguliert den Stoffwechsel in einem Organismus. Sie sorgt dafür, dass der Körper zur richtigen Zeit Höchstleistungen erbringt und sich in der Nacht durch Schlaf wieder regeneriert. Gerät dieser Rhythmus aus dem Takt, können gesundheitliche Störungen wie Depressionen, Schlaf- und Herzprobleme auftauchen. „Die innere Uhr bewirkt, dass sich der Körper mit der Umwelt synchronisiert", präzisiert Prof. Urs Albrecht. Probleme mit der Synchronisierung treten etwa bei einem Jetlag hervor: Die innere Uhr tickt trotz veränderter Umwelt immer noch nach der alten Zeit. Magenschmerzen und andere Beschwerden sind die Folgen. Per 2-manipulierte Mäuse: Vorliebe für Hochprozentiges In ihren jüngsten Untersuchungen haben die Biochemiker am Departement für Medizin neue Zusammenhänge zwischen der inneren Uhr und Alkoholkonsum aufgezeigt. Die Forscher mutierten hierzu bei Mäusen das so genannte Per 2-Gen. Bereits in früheren Untersuchungen hatten sie herausgefunden, dass dieses Gen an der Steuerung der inneren Uhr beteiligt ist. Bei den neusten Experimenten zeigte sich Folgendes: Wurde den Per 2-mutierten Mäusen Wasser und Alkohol vorgelegt, bevorzugten sie häufiger Alkohol als ihre nicht mutierten Artgenossen. Die Forscher stellten weiter fest, dass die Mäuse mit dem manipulierten Per 2-Gen einen zu hohen Gehalt des Botenstoffs Glutamat im Hirn aufwiesen. Beim Menschen verändert sich die Per 2-Aktivität, wenn die innere Uhr aus dem Takt gerät; etwa bei Piloten, Stewardessen oder Schichtarbeitern. Die Biochemiker gehen davon aus, dass wie bei den Mäusen beim Menschen ein defektes Per 2-Gen zu erhöhten Glutamatwerten im Gehirn führt und das Verlangen nach Alkohol steigert. Massgeschneiderte Behandlung bei Alkoholsucht Der entdeckte Zusammenhang zwischen dem Per 2-Gen und Alkoholkonsum könnte in Zukunft zentral sein bei der Behandlung von Alkoholsucht. Das Medikament Acamprosat vermag sowohl bei Mäusen wie bei Menschen den Glutamatspiegel im Gehirn wieder zu senken. Das Verlangen nach Alkohol verschwindet in der Folge, ohne dass Entzugserscheinungen auftreten. Bis anhin wurde bei Alkohol-Entzügen vornehmlich die Trial-and-Error-Methode angewandt; unabhängig vom Typus der Alkoholsucht erhielten Patienten Acamprosat. Ein solches Vorgehen macht jedoch wenig Sinn, denn auf Acamprosat sprechen nur Patienten mit erhöhtem Glutamatspiegel an und das sind lediglich zehn Prozent aller Alkoholiker. Das Problem bislang war: Glutamat im Gehirn lässt sich nur schwierig messen. Hingegen ist es relativ einfach einen Defekt im Per 2-Gen zu ermitteln. Dank den neusten Forschungsresultaten aus Freiburg ist der Weg geebnet für eine Individualisierung der medizinischen Behandlung von Alkoholikern. „Das Medikament kann in Zukunft in der Therapie viel gezielter eingesetzt werden, also nur noch bei Personen mit zu hohem Glutamatspiegel, bedingt durch eine Mutation im Per 2-Gen", führt Prof. Urs Albrecht aus. Beim Projekt, das vom Schweizerischen Nationalfonds und der EU finanziert wurde, kooperierten die Freiburger Biochemiker eng mit Forschern in Mannheim (R. Spanagel). In Freiburg ist inzwischen bereits ein neues Projekt angelaufen: Das Team von Prof. Albrecht wird in den nächsten Jahren untersuchen, wie die innere Uhr den Alterungsprozess und den geistigen Zustand des Gehirns beeinflusst. Information Professor Urs Albrecht, Tel. 026 300 86 36, E-mail: urs.albrecht@unifr.ch Bilder können unter http://www.unifr.ch/press heruntergeladen werden. Quelle Dienst für Presse und Kommunikation, Tel. 026 300 70 34, E-mail: press@unifr.ch