31.08.2004

Freiburger Biologen entwickeln Unkraut-Management für Alpweiden


Freiburg, den 31. August 2004. Auf Schweizer Alpwiesen und -weiden verdrängen Unkräuter zusehends Futtergräser und einheimische Raritäten. Wird dieser Prozess nicht bald gestoppt, ist mit einschneidenden ökonomischen und ökologischen Folgen zu rechnen. Auf der Suche nach einer effizienten Unkrautbekämpfung auf dem Alpgrünland sind Freiburger Forscher auf zwei viel versprechende Fährten gestossen.

Bewirtschaftete Alpwiesen und -weiden zählen zu den artenreichsten Ökosystemen ausserhalb der Tropen. Ganz unterschiedliche Klimazonen über kurze Distanzen und eine jahrhundertelange extensive Bewirtschaftung der Alpwiesen haben diese aussergewöhnliche Landschaft entstehen lassen. Wegen steigenden Arbeitskosten verzichten Landwirte heute aber immer häufiger darauf, kleinteilige Parzellen in hohen Lagen zu unterhalten. Mit Folgen: Unkräuter breiten sich ungehindert aus, verdrängen einheimische Arten und reduzieren die Biodiversität empfindlich. Das Unkraut, das derzeit am meisten Anlass zur Sorge gibt, ist der Weisse Germer (Veratrum album). Dieses hochtoxische Liliengewächs hat sich in den letzten Jahren im ganzen Alpenraum von Frankreich bis Slowenien stark verbreitet und macht heute auf unternutzten Weideflächen stellenweise bis zu 50% der Vegetation aus. Biologische Bekämpfung statt Herbizide Ein Biologen-Team unter der Leitung von Heinz Müller-Schärer, Professor für Ökologie und Evolution an der Universität Freiburg, konzentriert sich derzeit auf die Bekämpfung dieses vor allem in den Alpen, aber auch im Ural und Kaukasus wuchernden Unkrauts. Bei Verzehr kann es beim Vieh zu schweren Komplikationen und bei Kälbern zu massiven Missbildungen führen. Klar ist: Lässt man das Unkraut ungehindert wuchern, wird die Bewirtschaftung bald vollständig aufgegeben und Wald wird sich in einigen wenigen Jahren breit machen. Dies wäre sowohl für den Tourismus wie auch für die Landwirtschaft ein schmerzlicher Verlust, zumal die Sommerweiden von der Bildfläche verschwinden würden. Mit einer reduzierten Biodiversität könnte sich auch die Erosionsgefahr erhöhen, lautet die Prognose der Forscher. Mit Mähen oder dem Ausgraben von Wurzeln ist dem Germer nicht beizukommen; die Pflanze wird gar noch buschiger. Herbizide wiederum wirken sehr unspezifisch, schädigen oft auch einen Teil der schützenswerten Vegetation und sind auf Schweizer Alpweiden nur für Einzelstockbehandlungen zugelassen. Die Hoffnung liegt deshalb auf der biologischen Bekämpfung, also natürlichen Gegenspielern wie Pilzen oder Insekten, die die Pflanzen fressen oder ein mehrfaches Blühen verhindern. Zwei Entdeckungen, die Hoffnung machen Mit ähnlichen Problemen wie die Schweiz tut sich derzeit auch Georgien schwer, wo Freiburger zusammen mit georgischen Forschenden das Phänomen in einem vom Nationalfonds unterstützten Projekt untersucht haben. Während fast dreier Jahre suchten sie gemeinsam nach Möglichkeiten, um nachhaltige Bewirtschaftungsstrategien im Alpenraum zu entwickeln und damit auch zu verhindern, dass die lokale Bevölkerung abwandert. Auf der Suche nach biologischen Kontrollmechanismen stiessen sie auf zwei Pathogene, die den Germer eindämmen könnten. Deren Effizienz und Spezifität wird derzeit anhand von Testpflanzen, die in unterschiedlichen Höhenlagen angesiedelt sind, untersucht. „Gelingt es, den Germer auf den Alpwiesen und -weiden zu dezimieren, wäre dies ein grosser Erfolg", ist Heinz Müller-Schärer überzeugt. „Eine effiziente Unkrautbekämpfung auf Alpgrünland würde Landwirte dazu motivieren, auch in Zukunft abgelegene Wiesen und Weiden zu bewirtschaften." Bei Experimenten unter kontrollierten Bedingungen und im Feld hat sich zudem eine zweite viel versprechende Fährte abgezeichnet. Zusammen mit Biologen des CABI Bioscience Instituts in Delémont (JU) fanden die Freiburger Forschenden heraus, dass eine verringerte Stickstoffmenge im Boden das Wachstum des Weissen Germers hemmt und die Artenvielfalt begünstigt. Hierzu reicht es, dem Boden Kohlenstoff, etwa in Form von Sägemehl, zuzufügen. Dies regt das Wachstum der Bodenmikroben an, welche den für Pflanzen verfügbaren Bodenstickstoff abbauen. „Die Konkurrenten des Germers - also die Futtergräser - können nach diesem Eingriff wieder zuschlagen", erklärt Heinz Müller-Schärer und streicht einen weiteren Vorteil heraus: „Die Zuckerzugabe in Form von Sägemehl kostet praktisch nichts." Bilder vom Weissen Germer können unter http://www.unifr.ch/spc/alb/ heruntergeladen werden. Information: Heinz Müller-Schärer, Professor für Ökologie und Evolution der Universität Freiburg Tel. 026 300 88 35; E-Mail: heinz.mueller@unifr.ch Link: http://www.unifr.ch/biol/ecology/Veratrum/Veratrum.html Quelle: Dienst für Presse und Kommunikation, Tel. 026 300 7034