Psychologie14.02.2023

Über die wundersame und rätselhafte Wirkung von EMDR


Die Behandlung von posttraumatischem Stress mit EMDR hat sich mittlerweile bewährt, doch die Mechanismen, die sich hinter dieser Therapietechnik verbergen, sind noch weitgehend unbekannt. Drei Forscherinnen der Universität Freiburg haben den Verdacht, dass der Arbeitsspeicher hierbei eine zentrale Rolle spielt.

Wer Gewalt erfährt, läuft Gefahr, ein psychisches Trauma zu erleiden. Das kann sich in Angstanfällen, Flashbacks oder anderen körperlichen oder emotionalen Symptomen äussern. Aber es gibt wirksame Therapien! 1987 entwickelte Francine Shapiro die EMDR-Methode (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Die amerikanische Psychologin bemerkte damals quasi zufällig, dass sie den negativen Gedanken, die auf sie einstürmten, mit wiederholten Augenbewegungen die emotionale Last entziehen konnte. Sie war selbst überrascht und testete die Technik zunächst an Freiwilligen und dann an Veteranen des Vietnamkriegs, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litten. Die EMDR-Methode zeigt erstaunliche Erfolge, auch wenn die Wirkmechanismen noch Rätsel aufgeben.

Stösst der Prozessor an seine Grenzen?
Dany Laure Wadji, Chantal Martin Sölch und Valérie Camos vom Departement für Psychologie der Universität Freiburg wollten die sogenannte Arbeitsspeicher-Hypothese überprüfen. Gemäss dieser Hypothese führt die EMDR-Sitzung durch die doppelte Aufgabenstellung, sich an ein traumatisierendes Erlebnis zu erinnern und gleichzeitig Augenbewegungen durchzuführen, zu einer Überlastung des Arbeitsspeichers. Dieser Konkurrenzkampf um begrenzte Speicherkapazitäten soll der Grund dafür sein, dass die traumatisierenden Erinnerungen weniger lebendig sind. «Der Therapeut fordert den Patienten auf, sich auf eine Erinnerung zu fokussieren, und gibt ihm gleichzeitig eine sekundäre Aufgabe», erklärt Chantal Martin-Soelch. «Indem diese sekundäre Aufgabe die Aufmerksamkeit reduziert, soll sie dazu führen, dass die Erinnerung unvollständig aufgerufen und deren emotionale Wirkung entsprechend abgeschwächt wird.»

Arbeitsmethode
Um diese Hypothese zu prüfen, nahmen die Freiburger Forscherinnen Daten aus den aktuell elf veröffentlichten Studien zum Thema zu Hilfe und teilten sie in zwei Kategorien auf: eine für Studienteilnehmende mit posttraumatischer Belastungsstörung und eine für Studienteilnehmende, die keine solche Störung aufwiesen. Es zeigte sich, dass die doppelte Aufgabenstellung zu einer stärkeren Reduktion der emotionalen Intensität einer Erinnerung führte als bei Teilnehmenden, die nur eine Aufgabe zu erledigen hatten (z. B. sich auf eine schmerzliche Erinnerung zu fokussieren, ohne dabei Augenbewegungen durchführen zu müssen). «Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Arbeitsspeicher-Hypothese richtig ist», freut sich Dany Laure Wadji. «Eine traumatische Erinnerung aufzurufen und dabei gleichzeitig eine sekundäre Aufgabe auszuführen, führt zu einer Verschiebung der Aufmerksamkeit und in der Folge zu einer reduzierten Emotivität. Dies hilft letztlich, ein Trauma zu verarbeiten sowie etwaige Symptome zu lindern.»

Klinische Implikationen
Die Freiburger Analyse bestätigt somit, dass Aufgaben, für die zusätzliche visuelle oder auditive Aufmerksamkeitsressourcen benötigt werden, die Desensibilisierung einer traumatischen Erinnerung fördern könnte. «Vorsicht ist jedoch geboten, was den Schwierigkeitsgrad der ablenkenden Aufgabe angeht», so Valérie Camos. «Vor Augen halten sollte man sich auch, dass die durch die EMDR-Methode ausgelösten Veränderungen mit der Zeit wieder verschwinden können, wie zwei Studien gezeigt haben.» Diese Studie bekräftigt die Hypothese bezüglich der Rolle des Arbeitsspeichers und ebnet den Weg für umfassendere klinische Untersuchungen des entsprechenden Wirkmechanismus.

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