Optogenetik12.10.2023

Erfolgreicher Schritt in Richtung Sehprothese


Eine Forschungsgruppe der Universität Freiburg in der Schweiz, aus China und den USA hat eine Entdeckung gemacht, die als Grundlage für eine neue Generation von Sehprothesen dienen könnte. Bei Spitzhörnchen wies sie nach, dass diese auch ohne Stimulation der Netzhaut «sehen» können. Die Nervenzellen dieser Säugetiere wurden dabei durch Beleuchtung aktiviert und damit im Gehirn visuelle Wahrnehmungen erzeugt.

Erregungen im Sehsystem entstehen normalerweise durch Aktivierung der Netzhaut des Auges. Der interdisziplinären Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Gregor Rainer der Universität Freiburg gelang es jetzt, durch Aktivierung geeigneter Nervenzellen solche Erregungen auch technisch zu erzeugen, ohne dass visuelle Informationen überhaupt das Auge erreichen. Dank der Methode der Optogenetik, bei der sogenannte Kanalproteine in Nervenzellen des Gehirns eingebaut werden, konnten diese Nervenzellen durch Beleuchtung erregt werden.

Wenn das Gehirn auch ohne Augen sehen kann
Prinzipiell erlaubt diese Methode, auch bei Verlust der Augen Informationen in das Sehsystem einzuspeisen, welche vom Gehirn dann als Sehen interpretiert werden. Die vorliegenden Ergebnisse könnten also die Grundlage für eine nächste Generation von Sehprothesen darstellen.  Bevor dies Realität wird, ist weitere gezielte Forschungsarbeit notwendig. Momentan erhältliche Sehprothesen intervenieren im Auge. Sie können zwar bei bestimmten Augenerkrankungen etwas Abhilfe schaffen, haben aber bisher keinen Durchbruch erreichen können.

Die vorliegenden Arbeiten beziehen sich nicht auf das Auge, sondern auf den visuellen Thalamus, einer Schaltstelle im Gehirn, wo Informationen von den Augen gesammelt und weitergeleitet werden. Weitere Grundlagenforschung ist nun notwendig, um mit technisch hervorgerufenen Wahrnehmungen im Sehsystem möglichst nahe an das natürliche Sehen heranzukommen.

Tiermodell als Basis für neue Erkenntnisse eines weltweiten Problems
Spitzhörnchen sind aufgrund ihres ausgeprägten Sehsystems und dessen Ähnlichkeit zum Menschen für diese Studien sehr gut geeignet. Die hohen Standards für Tierversuche in der Schweiz stellen sicher, dass diese Studien unter bestmöglichen Bedingungen für die Versuchstiere durchgeführt werden.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit mindestens 2,2 Milliarden Menschen eine Sehschwäche im Nah- oder Fernbereich haben. Die meisten Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit sind über 50 Jahre alt. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Forschung auf diesem Gebiet mittelfristig zur Entwicklung und Erprobung von neuartigen Sehprothesen führen wird. Das würde die Lebensqualität vieler Menschen verbessern gerade auch für Gesellschaften mit demografischer Alterung.