Biomimetik 04.06.2024

Durchbruch in der biomimetischen Membrantechnologie


Forschende des Adolphe Merkle Instituts (AMI) haben in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsgruppen eine neue Methode zur Herstellung dünner, energieumwandelnder Membranen entwickelt, die die Struktur und Funktion biologischer Zellmembranen nachahmen. Diese Entdeckung könnte bedeutende Anwendungen in Bereichen ermöglichen, die von implantierbaren künstlichen elektrischen Organen bis hin zur Wasserentsalzung reichen.

Die neue Technik nutzt die Grenzfläche eines wässrigen Zweiphasensystems, um diese Membranen zu bilden und zu stabilisieren. Durch Kontrolle der Bedingungen, unter denen zwei nicht mischbare wässrige Lösungen mit den gegenüberliegenden Seiten dieser Membranen wechselwirken, haben die Forschenden Membranen geschaffen, die nur 35 Nanometer dick sind, aber Flächen von mehr als 10 Quadratzentimetern ohne Defekte abdecken können. «Dieser Ansatz macht sich günstige Wechselwirkungen zunutze, um ultradünne selbstorganisierte Strukturen zu stabilisieren, die mindestens tausendmal grösser sind als bisher möglich», sagt Assistenzprofessor Alessandro Ianiro, ehemaliger Gruppenleiter im Biophysik-Labor des AMI.

Von Zitterrochen inspirierte Membranen
Die Methode verwendet Blockcopolymere (BCP), also hochgradig optimierbare Polymere, die aus zwei oder mehr verschiedenen Polymersegmenten bestehen, um eine Doppelschicht an der Schnittstelle der beiden Phasen zu bilden. Die daraus resultierenden Membranen weisen bemerkenswerte mechanische Eigenschaften und Selbstheilungsfähigkeiten auf, die sie für den praktischen Einsatz robust und haltbar machen.

Diese künstlichen Membranen ahmen die selektiven Ionentransportfunktionen natürlicher Zellmembranen nach. Durch den Einbau eines natürlichen Transportpeptids erreichen die Membranen eine hohe Ionenselektivität, die es ihnen ermöglicht, aus Lösungen verschiedener Salze elektrischen Strom zu erzeugen. Diese Funktionalität ist von den elektrischen Organen von Zitterrochen und anderen elektrischen Fischen inspiriert, die ähnliche Prinzipien zur Stromerzeugung nutzen.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie
Diese Entwicklung, über die in der führenden Fachzeitschrift Nature berichtet wird, könnte bedeutende Anwendungen in verschiedenen Bereichen haben:

  • Energiespeicherung:  Diese Membranen könnten die Entwicklung von Salzlösungen zur Speicherung elektrischer Energie ermöglichen.
  • Wasserentsalzung: Die Membranen könnten hochselektive Barrieren bilden, die Ionen effizient vom Salzwasser trennen und so zur Gewinnung von Trinkwasser beitragen.
  • Medizinische Behandlungen wie die Dialyse: Die Fähigkeit der Membranen, Ionen selektiv zu filtern, könnte zu effizienteren und weniger invasiven Verfahren führen.
  • Implantierbare elektrische Energiequellen:  Die Membranen könnten die Schaffung von Energiequellen ermöglichen, die kontinuierlich durch die Stoffwechselenergie des Körpers aufgeladen werden.

Hoffnung für die Zukunft
«Dieser Fortschritt bringt unsere früheren Bemühungen, von Fischen inspirierte künstliche elektrische Organe zu entwickeln einen bedeutenden Schritt näher in Richtung biokompatibler Stromquellen.  Letztendlich ist es unser Ziel, dass diese vom Menschen geschaffenen Systeme die komplexen Funktionen biologischer Organismen genau nachahmen und mit ihnen interagieren», sagt der AMI-Lehrstuhlinhaber für Biophysik, Prof. Michael Mayer.

Zukünftige Iterationen dieser Membranen, die möglicherweise effizientere Ionenkanäle enthalten, könnten Leistungsniveaus erreichen, die mit dem elektrischen Organ biologischer Systeme wie dem Zitterrochen vergleichbar sind. Die Skalierbarkeit dieser Membranen deutet auch darauf hin, dass sie mit grossen Flächen präpariert werden könnten, um ihre Transportrate zu erhöhen, und dass sie in Schichten organisiert werden könnten, um grössere Systeme für hochwertige Trennungen oder Energieerzeugung und -speicherung zu schaffen.

Diese Forschungsarbeit wurde durchgeführt von der Biophysikgruppe des Adolphe Merkle Instituts in Zusammenarbeit mit der Gruppe für Nachhaltige Funktionale Polymere von Nico Bruns an der Technischen Universität Darmstadt, einer Gruppe für Theorie und Computersimulation an der Universität Paris-Saclay, dem Labor für Bio- und Nano-Instrumente an der EPFL sowie den Gruppen für Polymerchemie und Physik der weichen Materie des Adolphe Merkle Instituts.

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Adolphe Merkle Institut
Das Adolphe Merkle Institut (AMI) an der Universität Freiburg ist ein unabhängiges Zentrum, das sich auf die Forschung und Ausbildung im Bereich der Nanowissenschaften konzentriert, insbesondere auf weiche Nanomaterialien. Das 2008 gegründete AMI ist in der schweizerischen Forschungslandschaft einzigartig, da es Grundlagen- und angewandte Forschung in einem multidisziplinären Umfeld verbindet. Durch die Zusammenarbeit mit Industriepartnern will das AMI Innovationen vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie verbessern. Die 100 Forscherinnen und Forscher des Instituts sind in vier Haupt- und zwei Nachwuchsgruppen organisiert, die sich auf Bereiche wie Bionanomaterialien, Polymerchemie, Physik der weichen Materie, Biophysik, intelligente Energiematerialien und mechanisch reagierende  Materialien spezialisiert haben.