13.03.2008

Im memoriam : Lukas Vischer (1926-2008)


Der reformierte Schweizer Theologe und weltweit bekannte Ökumeniker Lukas Vischer ist am 11. März im 82. Lebensjahr gestorben. Er hat während Jahrzehnten die Ökumenische Bewegung mitgeprägt.



Aufgewachsen in Basel, studierte Vischer in Basel, Straßburg und Göttingen evangelische Theologie und begegnete dabei u.a. auch Vertretern der dialektischen Theologie wie Karl Barth und Eduard Thurneysen. 1950 wurde Vischer ordiniert, 1952 promovierte er bei Oscar Cullmann in Basel. Ein Jahr später folgte Vischer einem Ruf als Pfarrer in die Kirchgemeinde Herblingen nahe der Stadt Schaffhausen. Im selben Jahr heiratete er Barbara Schmidt, mit welcher er vier Kinder hatte. Vischer blieb auch im Gemeindepfarramt wissenschaftlich tätig und verfasste seine Habilitationsschrift. 1961 siedelte er mit seiner Familie nach Genf über, wo er zuerst Forschungssekretär in der Abteilung für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und 1966 deren Direktor wurde. Diese Position erlaubte Vischer, auf die theologische Grundlagenarbeit der ökumenischen Bewegung unmittelbar Einfluss zu nehmen. Der ÖRK entsandte ihn zudem als Beobachter an das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965).
1980 übernahm Lukas Vischer die im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund neu geschaffene "Evangelische Arbeitsstelle Ökumene Schweiz" in Bern, welche er bis 1991 leitete. Die theologische Fakultät Bern berief ihn auf eine ausserordentliche Professur für ökumenische und systematische Theologie, welche er bis 1992 versah. Manche ökumenisch bedeutsame Entwicklung wurden von Lukas Vischer mitgeprägt, und etliche Konsensdokumente trugen seine Handschrift, so z.B. die bahnbrechende Konvergenzerklärung über Taufe, Eucharistie und Amt („Lima-Erklärung“, 1982). Vischer organisierte im Rahmen des ÖRKs, oft aber auch privatim zahllose Tagungen, Konsultationen und Konferenzen, deren verbindendes Grundthema die Verständigung unter den Kirchen in schöpfungstheologischer Perspektive wurde. So wurde auch das Europäische Christliche Umweltnetz (ECEN) zur Förderung des Umweltbewusstseins in Kirche und Ökumene 1998 auf Vischers Initiative und durch sein persönliches Engagement gegründet. Bis in die jüngste Zeit hinein diente er zudem dem Reformierten Weltbund mit seinem umfassenden ökumenischen Wissen und Beziehungsnetz als Berater und Vermittler. Nicht nur international, sondern auch im Rahmen schweizerischer Ökumene engagierte sich Vischer, z.B. als Mit-Initiator der „Erklärung von Bern“ (1968), einem entwicklungspolitischen Manifest über die Beziehungen der Schweiz zu Ländern des globalen Südens, bei die Schaffung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Kirche und Umwelt (1968) und in der Schweizerischen Evangelischen Synode (1981 bis 1987), einem Reform-und Einigungsprozess im Schweizerischen Protestantismus.
Die erste umfassende Darstellung der ökumenischen Kirchengeschichte in der Schweiz (1994) verantwortete er als Mitherausgeber. Vischer engagierte sich zudem im schweizerischen ökumenischen Komitee für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Lukas Vischer war ein visionärer und energischer Mann. Zwei Themen spielten in seiner theologischen Existenz eine besonders wichtige Rolle: die Einheit der Kirche und die Bewahrung der Schöpfung. Für beides setzte sich Vischer sowohl akademisch als auch mit persönlicher Hingabe ein. Ökumenische Herausforderungen führten ihn auch dazu, die Notwendigkeit inner-konfessioneller Einheit zu betonen, nicht zuletzt deshalb, weil seine eigene reformierte Tradition eine gewisse Veranlagung zur institutionellen Verästelung in sich trägt. Nicht minder prägend für Vischers Denken waren Fragen der Schöpfungstheologie, welche er besonders in umwelt- und friedensethischen Abhandlungen und Plädoyers konkretisierte. Vischers persönliches Engagement für die Bewahrung der Schöpfung gehörte denn auch untrennbar zu seinem Wirken als international anerkannter Ökumeniker.
Vielfache Ehrungen, darunter auch das Ehrendoktorat (1977) der Universität Freiburg (Schweiz), zeugen von Vischers bedeutendem Schaffen. Der schweizerische Protestantismus, der Reformierte Weltbund und die weltweite ökumenische Bewegung verlieren einen ihrer profiliertesten Theologen.

Gottfried Wilhelm Locher, Bern/Freiburg, Schweiz.
© WCC, Geneva 2008 .