Politik und Presse14.10.2024

«Inseratenaffäre»: Auffällige Abweichungen in der Berichterstattung


Ein Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Freiburg untersucht in einer neuen Studie die «Inseratenaffäre» in Österreich und zeigt, dass das Boulevardmedium OE24 den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz nach mutmasslichen Absprachen deutlich häufiger erwähnt hat. Die Studie wurde kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift The International Journal of Press/Politics veröffentlicht.

Forschende der Universitäten Freiburg (Schweiz) und Wien haben in einer breit angelegten Studie untersucht, ob und inwiefern Regierungsinserate die Berichterstattung des Boulevardmediums OE24 beeinflusst haben Im Fokus steht der Vorwurf, dass der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine Vertrauten durch geheime Absprachen positive Berichterstattung erkauft haben.

Häufigere Erwähnungen von Sebastian Kurz
Die Forschenden analysierten 222.000 Nachrichtenartikel aus 18 österreichischen Medien von 2012 bis 2021. Die Ergebnisse zeigen, dass Sebastian Kurz nach 2016 im Onlinemedium OE24 zwischen 50 und 100 % häufiger erwähnt wurde, als dies ohne Absprachen (basierend auf einem Vergleich mit den Trends in anderen Medien) zu erwarten gewesen wäre. Diese Veränderung in der Berichterstattung ist insbesondere nach den angeblichen Absprachen mit der Mediengruppe Österreich auffällig. Die Tonalität gegenüber politischen Konkurrent_innen von Kurz war zudem tendenziell negativer, wenngleich die Effekte weniger stark ausgeprägt sind.

Methodik
Die Studie kombiniert Inhaltsanalyse mit ökonometrischen Methoden. Mithilfe des sogenannten «Difference-in-Differences»-Verfahrens wurden kausale Zusammenhänge zwischen den mutmasslichen Absprachen und der Berichterstattung über Sebastian Kurz in OE24 untersucht. «Das Verfahren vergleicht grob gesagt die Trends in der Berichterstattung in OE24 mit anderen Medien im Zeitverlauf, um den potenziellen Effekt der mutmasslichen Absprachen zu ermitteln», erklärt Professor Martin Huber von der Universität Freiburg. «Unterschiedliche Definitionen der Vergleichsmedien führen dabei stets zum Ergebnis, dass die Berichterstattung über Sebastian Kurz in OE24 im Zeitraum nach den vermeintlichen Absprachen stark anstieg.»

Keine juristischen Schlussfolgerungen
Obwohl die Studie signifikante Unterschiede in der Berichterstattung aufzeigt, betonen die Autor_innen, dass sie keine juristischen Aussagen über die Rechtmässigkeit der mutmasslichen Absprachen treffen. «Wir haben auffällige Muster identifiziert, die mit den Vorwürfen zusammenpassen könnten und Fragen aufwerfen, aber keine Beweise für Korruption geliefert», erklärt Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien.

Relevanz für die Medienfreiheit
Die Ergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit, die Unabhängigkeit der Medien vor politischer Einflussnahme zu schützen. «Dieser spezielle Fall in Österreich unterstreicht einmal mehr, wie fragil die Medienunabhängigkeit in Demokratien sein kann. Es bedarf daher klarer Regelungen und grösserer Transparenz bei staatlichen Werbeausgaben, um Risiken politischer Einflussnahme auf Medien zu minimieren und die journalistische Unabhängigkeit zu wahren», betont Eberl.

Originalpublikation
Balluff, P., Eberl, J.-M., Oberhänsli, S. J., Bernhard, J., Boomgaarden, H. J., Fahr, A., und M. Huber (2024):  The Austrian Political Advertisement Scandal: Patterns of “Journalism for Sale”. The International Journal of Press/Politics. DOI: https://doi.org/10.1177/19401612241285672

Medienmitteilung der Universität Wien