Biologie 30.01.2025
Wieso Maden verrottendes Obst lieben
Es ist ein bekanntes Ärgernis: Sobald der Apfel oder die Birne eine leicht verrottende Stelle hat, schwirren kleine Fliegen drumherum. Kein Wunder! Fruchtfliegen und deren Larven mögen am liebsten verrottendes Obst. Forschende der Universität Freiburg haben nun herausgefunden, wie die Tierchen überhaupt schmecken können, wann das Obst am Verrotten ist.
Fliegenlarven können Nahrung nicht nur schmecken, sondern auch deren Konsistenz erfassen – und zwar mit ein und denselben Geschmackszellen, den sogenannten Mechanorezeptoren. Dies ergab eine von Prof. Simon G. Sprecher und Doktorand Nikita Komarov an der Universität Freiburg durchgeführte Studie, die soeben in der Open-Access Zeitschrift PLOS Biology veröffentlichte wurde. Die Forschung belegt, dass die Geschmacksknospen der Fliegenlarven über Neuronen mit Konsistenz erfassenden Mechanorezeptoren verfügen.
Sowohl Geschmack und Textur müssen schmecken
Viele Forschungen zur Wahrnehmung von Nahrung konzentrieren sich auf die Geschmacksrichtungen, auf süss oder salzig etwa. Doch Essensvorlieben hängen oft auch von der Textur der Nahrung ab – manche mögen zwar beispielsweise den Geschmack von Pilzen, aber nicht das gummiartige Gefühl im Mund beim Kauen eines Pilzes. Während der Geschmack von Aromen eine chemische Wahrnehmung erfordert, ist für das Erfassen von Texturen eine mechanische Wahrnehmung notwendig. Es war bisher jedoch unklar, ob Geschmacksorgane wie die Zunge die Fähigkeit besitzen, beides zu erfassen. Die vorliegende Studie hat sich mit genau dieser Frage befasst und dafür Fruchtfliegenlarven – allgemein als Maden bekannt – zu Hilfe genommen, da deren Nervensystem einfach aufgebaut ist und zahlreiche genetische Werkzeuge verfügbar sind.
Am liebsten so richtig verrottet
Die Forschenden stellten fest, dass Maden keine Nahrung fressen, die zu hart oder zu weich ist. Nur wenn die Nahrung genau richtig ist, wird sie von den Fliegenlarven verspiesen; das bedeutet in diesem Fall einige Tage altes, verrottendes Obst. In der Annahme, dass diese Fähigkeit zur Wahrnehmung der Nahrungsstruktur in den peripheren Geschmacksorganen liegt, also den Geschmacksknospen auf der Zunge, schalteten die Wissenschaftler gezielt ebendiese Geschmacksneuronen im Mund der Larven aus. Infolgedessen verloren die Maden ihr Empfinden für die Textur der Nahrung und versuchten, weichere oder härtere Nahrung zu fressen, die sie normalerweise meiden würden.
Weitere Experimente zeigten, dass das sogenannte painless-Mechanorezeptor-Gen für dieses Empfinden notwendig ist. Die Forschenden fanden auch heraus, dass eine spezifische Nervenzelle – die sogenannte C6 – im Geschmacksorgan der Fruchtfliegenlarve sowohl chemische Reize wie zum Beispiel Zucker wie auch mechanische Reize, also etwa die Härte eines Apfels, wahrnimmt. Diese Nervenzelle kann also sowohl chemische als auch mechanische Informationen erkennen.
Ob die Geschmacksknospen beim Menschen über dieselben Fähigkeiten verfügen, sei bisher noch nicht erforscht, so Prof. Simon G. Sprecher. Der Biologe ist überzeugt, dass eine weitere Erforschung nicht zuletzt auch für die Ernährungswissenschaften von Interesse sein wird.
Studie
Nikita Komarov, Cornelia Fritsch, G. Larisa Maier, Johannes Bues, Marjan Biočanin, Clarisse Brunet Avalos, Andrea Dodero, Jae Young Kwon, Bart Deplancke, Simon G. Sprecher (2024). Food hardness preference reveals multisensory contributions of fly larval gustatory organs in behaviour and physiology https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.3002730