23.11.2008

Forscher beobachten was im «Kopf» von Computern vorgeht


Freiburg, den 23. November 2008. Die Gruppe von Prof. Christian Bernhard für Festkörperphysik im Department für Physik und im Fribourg Center for Nanomaterials (Frimat) hat in Zusammenarbeit mit Forschern am Paul Scherrer Institut (PSI) und am Queen Mary College in London ein neues Messverfahren entwickelt, mit dem sich die magnetischen Vorgänge in elektronischen Bauelementen erstmals direkt beobachten lassen. In einer kürzlich in «Nature Materials» veröffentlichen Arbeit wurden so genannte Spin-Ventile untersucht, welche auch in Leseköpfen in den magnetischen Speicher von Computern verwendet werden. Auf lange Sicht können solche Experimente helfen um beispielsweise die Speicherdichte und die Geschwindigkeit von magnetischen Festplattenspeichern zu verbessern. Damit können möglicherweise die physikalischen Grenzen der Miniaturisierung weiter verschoben werden.



Dass Computer und MP3-Player in den letzten zehn Jahren so klein werden konnten, liegt zu einem grossen Teil an einem Effekt, den Physiker Riesenmagnetowiderstand nennen. Dank dieses Effekts, für dessen Entdeckung der Nobelpreis 2007 für Physik verliehen wurde, kann man elektronische Bauteile herstellen, deren elektrischer Widerstand sehr empfindlich auf äussere Magnetfelder reagiert. Nutzt man diesen Effekt in magnetischen Leseköpfen, kann man die magnetisch kodierten Daten sehr dicht packen und so die Festplatten sehr klein machen. Die Daten von über 100 CDs lassen sich so in einem Gerät von der Grösse einer halben Zigarettenschachtel speichern und sehr schnell wieder auslesen.

Die wesentlichen Bauelemente solcher Leseköpfe sind die so genannte «Spinventile». Diese sind Teil des rasch anwachsenden Gebiets der Elektronik mit Spin oder «Spintronik», welche neben der elektrischen Ladung auch das magnetische Moment der Elektronen - den so genannten «Spin» - verwendet. Ein Spinventil besteht üblicherweise aus drei Schichten: zwei magnetisierbaren äusseren Schichten und einer unmagnetischen inneren Schicht. Der elektrische Widerstand eines solchen Spinventils hängt sehr stark von der Ausrichtung der Magnetisierung der äusseren Schichten ab, bei paralleler Ausrichtung ist er sehr klein und bei antiparalleler sehr gross. Üblicherweise fixiert man die Magnetisierung einer der magnetischen Schichten, während die der anderen Schicht sich frei drehen und ähnlich einer Kompassnadel in einem äusseren Magnetfeld ausrichten kann. Bewegt man ein solches Spinventil über einen magnetischen Datenspeicher, so lässt sich die Information über die Ausrichtung der magnetischen Domänen (genauer gesagt der magnetischen Streufelder dieser Domänen) direkt in ein elektrisches Signal umwandeln.



Unter anderem hängt die Effizienz eines solchen Spin-Ventils entscheidend vom Transport der Spin-polarisierten Elektronen in der unmagnetischen Zwischenschicht ab. An den Grenzflächen zwischen den unterschiedlichen Materialien wie auch im Inneren der unmagnetischen Schicht treten spinabhängige Streuprozesse auf, welche zu einer Reduktion der Spin-Polarisation der Leitungselektronen und des Magnetowiderstands führen können. Ein wesentliches Problem in der Herstellung verbesserter Spin-Ventile besteht darin, dass diese Prozesse bislang nur unzureichend untersucht werden konnten. Dies begründet sich insbesondere in einem eklatanten Mangel an experimentellen Methoden mit denen sich der Verlauf der Spin-Polarisation der Leitungselektronen im Inneren von Spin-Ventilen direkt beobachten lässt.

Der Freiburger Forscher Dr. Alan Drew hat in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen nun erstmals ein solches Messverfahren entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Hierfür verwendeten Sie eine weltweit einzigartige Apparatur zur Spektroskopie mit so genannten «niederenergetischen Myonen» welche am PSI von Dr. Elvezio Morenzoni entwickelt wurde und mit Hilfe des dortigen Protonenbeschleunigers betrieben wird. Es handelt sich hierbei um ein sehr aufwändiges und kostspieliges Verfahren welches sicherlich nicht als Standardmethode für die Untersuchung industrieller Bauelemente geeignet ist. Dieses neue Messverfahren wird aber sicher helfen, grundsätzliche Fragen zum Spintransport in Spintronik Bauelementen zu verstehen und so der Industrie wichtige Hinweise zu geben, wie sie diese Bauteile weiterentwickeln kann.

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Rund 10’000 Studierende und über 200 Professorinnen und Professoren aus 100 Ländern lernen, lehren und forschen an den fünf Fakultäten der Universität Freiburg. Nebst der Zweisprachigkeit gehören die Begegnung zwischen Kulturen und eine familiäre Ambiance zu den Wesenszügen dieser Institution. An der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät besteht eine lange Tradition in der Nanomaterial-Forschung, die in die Gründung der Frimat und Adolphe Merkle Instituten gemündet hat.

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Kontakt : Prof. Christian Bernhard, Tel. 026 300 90 70, christian.bernhard@unifr.ch

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