13.01.2009
Geld in der Partnerschaft: Die Frau geht meist leer aus
Die finanziellen Ressourcen in einer Partnerschaft dienen häufig dazu, die romantisch-zeitgemässen Vorstellungen von Selbstlosigkeit, Gleichberechtigung und Unabhängigkeit mit traditionelleren Erwartungen zu verbinden. Die Rechnung dafür bezahlen, gemäss einer Studie der Soziologin Caroline Henchoz, die Frauen der jüngsten Generation: Gefangen zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und der Forderung nach Gleichberechtigung leben sie in steter Ambivalenz.
In ihrer Analyse zum Umgang und zur Bedeutung des Geldes in einer Partnerschaft zeigt die Soziologin Caroline Henchoz, dass der Unterschied zwischen Mann und Frau in Bezug auf den materiellen Wohlstand nicht einzig im ungleichen Zugang zu finanziellen Ressourcen und zum Konsum gründet. Die beiden Partner differenzieren sich auch in ihrem Gefühl des Wohlbefindes bezüglich der finanziellen Aspekte in der Beziehung. Aufgrund der ungleichen Verteilung der Rechte, Privilegien und Pflichten von Mann und Frau haben die Beziehungspartner aber nicht dieselben Möglichkeiten, zu materiellem Wohlbefinden zu gelangen. Ein Umstand, der von früheren Generationen akzeptiert schien, von der jüngsten, der gleichberechtigen Partnerschaft verschriebenen Generation aber je länger je weniger toleriert wird.
Wer sich liebt, der rechnet nicht... oder fast nicht
Für ihre Forschung verfolgte die Soziologin die Geschichte von rund zwanzig Partnerschaften aus der Westschweiz, ausgehend vom ersten Stelldichein bis hin zur Pubertät der Kinder. Das Durchschnittsalter dieser Beziehungen beträgt 37 Jahre, die Männer arbeiten Vollzeit, der Hauptanteil der Frauen ist teilzeitbeschäftigt. Aus den Gesprächen ging hervor, dass die Männer dreimal mehr verdienen als ihre Partnerinnen, was in etwa dem Schweizer Durchschnitt entspricht. Gemäss einer Studie des Bundesamts für Statistik des Jahres 2003 pflichteten die Frauen im 2000 einen Drittel zum gemeinsamen Zweier-Haushalt bei und zwischen 12 und 19 Prozent in Partnerschaften mit Kindern. In gewissen Partnerschaften, vor allem wenn ein gemeinsamer Haushalt besteht, bedeuten Solidarität und Gleichberechtigung, dass die Partner entweder paritätisch (halbe-halbe) oder verhältnissmässig (am Einkommen angepasst) zu den Haushaltsausgaben beitragen. „Auch in grosszügigen Beziehungen kann es zu materiellen Ungleichheiten kommen“, stellt Caroline Henchoz fest. Einerseits ist die Abhängigkeit der Frau von ihrem Partner grösser, da die Person mit den geringeren persönlichen Mitteln auch weniger frei ist, ohne das Einverständnis des Partners über gewisse Ausgaben zu entscheiden. Andererseits sind die für den laufenden Konsum gebrauchten Mittel häufig die einzigen gemeinsam getragenen Ausgaben; alles andere wird von den Beziehungspartnern aus den ihnen zur Verfügung stehenden persönlichen Mitteln bezahlt.
Geben ist seeliger als nehmen
Häufig ist es so, dass die Person mit dem grösseren persönlichen Budget – meistens der Mann – eine gewisse Anzahl gemeinsamer Aktivitäten für den Partner mitfinanziert. Ein Umstand, der den Partner mit den geringeren Mitteln zwangsläufig in seiner freien Wahl einschränkt, auch wenn die Finanzierung als Geschenk angesehen wird. Durch die Geste des Schenkens, die vom anderern honoriert wird, steht es dem Schenkenden zu, in aller Legitimität häufiger Entscheidungen für die Partnerschaft zu treffen und damit seine Wahl durchzusetzen, ohne dass der andere sich dagegen behaupten könnte. „Ob sie ihr Geld für sich persönlich ausgibt oder es in die gemeinsamen Aktivitäten investiert, um bei der Auswahl mitreden zu können: Die Frau verliert zwangsläufig ein Stück Unabhängigkeit. Sie kann einzig bestimmen, ob dies auf individueller oder partnerschaftlicher Ebene sein soll“, erklärt die Soziologin. Trotzdem werden diese Ungleichheiten selten vorgebracht, da sie aus der Anwendung einer zum legitimen Gerechtigkeitsgrundsatz gewordenen Norm in Schweizer Partnerschaften entstehen: Dem Grundsatz der Gleichheit, angewendet im von der Gesellschaft honorierten Rahmen der verklärten Ideologie der Selbstlosigkeit und des Schenkens.
Weder Fisch, noch Vogel
Im Umfeld der Familie hat eine Gabe der Frau nicht dasselbe Achtungspotential wie ein Geschenk des Mannes, da die Grosszügikeit eine gesellschaftliche und partnerschaftliche Konstruktion ist. Mit einem geringeren Einkommen als der Partner und der Verantwortung für eine Mehrheit der haushaltlichen und familiären Pflichten entsprechen die Frauen den kulturellen Erwartungen der „Care-Takerin“ (Pflege der Familie) und stehen ausserdem mitten im Spannungsfeld der Probleme in Bezug auf Gleichberechtigung und Beruf. Trotzdem fällt es den Frauen dieser neuen Generation schwer, das Unbehagen in Worte zu fassen und ihre Situation bleibt unverändert ambivalent. Einerseits schätzen sie den höheren Lebensstandard und auch die Grosszügigkeit ihrer Partner, die einen Teil des Einkommens teilen. Andererseits ist ihnen sehr wohl bewusst, dass sie auch trotz dieser finanziellen Grosszügigkeit nicht denselben wirtschaftlichen Status und auch nicht dieselbe Freiheit haben. Gegen diese wirtschaftlichen Ungleichheiten kann aber schlecht auf individueller Ebene angegangen werden, da die Ursache nicht bei einer Einzelperson liegt (z.Bsp. beim Partner) und auch nicht klar definierbar ist (z.Bsp. ein Gesetz). Der schwer zu greifende Charakter dieses Dilemmas führt dazu, dass die Frauen darin keinen legitimen Anspruch zur Klage sehen und damit auch keine Forderungen stellen, sondern individuell damit umgehen, was auch den direkten Einfluss auf ihr persönliches Wohlbefinden erklärt.
Mehr dazu: Henchoz, Caroline: Le couple, l’amour et l’argent. La construction conjugale des dimensions économiques de la relation amoureuse. L’Harmattan, 2008. Rezensionsexemplare erhältlich unter marie-anne.hellian@harmattan.fr
Kontakt: Dr. Caroline Henchoz, Lehr- und Forschungsbeauftragte, Departement für Gesellschaftswissenschaften, 026 300 83 91 oder 079 430 90 86, caroline.henchoz2@unifr.ch
Quelle: Dienst für Kommunkation & Marketing, 026 300 70 34, marcom@unifr.ch