26.03.2010

Freiburger Forschende lüften das Geheimnis der Mikrogel-Elastizität


Mikrogele verhalten sie wie ein Nano-Schwamm, den man anschwellen und schrumpfen lassen kann und der bei Berührung elastisch reagiert. Welcher physikalische Mechanismus dahinter steckt, hat eine Forschungsgruppe um Prof. Frank Scheffold von der Universität Freiburg kürzlich herausgefunden. Das Forschungsresultat wurde in der renommierten Zeitschrift Physical Review Letters publiziert.



Vom Motorenöl über den Rasierschaum und der Lebensmittelindustrie bis hin zu Babywindeln: Das Anwendungsgebiet fadenförmiger Moleküle, genannt Polymere, ist enorm. Diese Polymere verfügen über zwei herausragende Eigenschaften: Ein extrem hohes Schwellvermögen (Babywindeln) und die Fähigkeit, die Fliesseigenschaften zu verändern (Motoröle, Ketchup). Mikrogel-Partikel vereinen viele dieser interessanten Polymer-Eigenschaften mit einer Formstabilität, welche durch die chemische Vernetzung der Polymere erreicht wird. So können diese Mikrogele zwar sehr stark anschwellen und viel Flüssigkeit aufnehmen, bleiben aber dabei kugelförmig. Das Schwellen kann zudem durch äussere Parameter kontrolliert werden und man erhält „intelligente“ Materialeigenschaften die für Sensoren, Beschichtungen, Verdicker oder für die kontrollierte Abgabe von Medikamenten im Körper eingesetzt werden können.

Die Arbeitsgruppe von Professor Scheffold am Physikdepartement der Universität Freiburg hat die Eigenschaften einer bestimmten Klasse von Partikeln, sogenannter PNIPAM Mikrogele, untersucht. Diese Partikel sind nur wenige hundert Nanometer gross und gehören zu den weltweit am meisten untersuchten Systeme. Bereits bei einer Temperaturabsenkung um ein paar wenige Grad steigt das Volumen der Partikel um das Zehnfache an. Bei genügend hoher Anfangskonzentration fangen die Partikel an sich zu berühren und werden zusammengedrückt – es entsteht eine feste Gel-Phase. Im Gegensatz zu anderen thermosensitiven Systemen, wie z.B Kochgelatine (ein Naturprodukt) hängt aber die Festigkeit nicht von der Wartezeit ab (ein Umstand der jedem Hobby-Koch bekannt sein dürfte). Die Verfestigung tritt sofort ein, ist reversibel und damit hervorragend kontrollierbar. Dieses Phänomen an sich ist schon lange bekannt und war bereits Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien. Wie sich die Mikrogel-Partikel beim Zusammendrücken aber genau verhalten und welche Festigkeit das Gel hat, konnte bisher nicht erklärt werden.

Des Rätsels Lösung
Der Gruppe von Professor Scheffold ist es nun gelungen, dieses Rätsel aufzulösen. wie sie in der Zeitschrift Physical Review Letters berichtet. Basierend auf Laser-Streuexperimenten konnten die Freiburger Wissenschaftler zeigen, dass die Polymere in den Mikrogelen nicht gleichmässig verteilt sind, sondern dass die Dichte nach aussen hin abnimmt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass einige dieser Fäden unvernetzt nach aussen ragen und eine sogenannte „Polymer-Bürste“ an der Oberfläche des Nanopartikels bilden (siehe Illustration). Das Zusammendrücken genau dieser „Bürsten“ bestimmt dann die Festigkeit des Materials in der Gel-Phase und nicht etwa die vernetzte Kernstruktur. Durch Präzisionsmessungen der Festigkeit über einen weiten Temperaturbereich konnte diese Hypothese eindrücklich bestätigt werden. Als Folge der neuen Erkenntnisse wird es in Zukunft leichter möglich sein, die Eigenschaften von Mikrogel-Materialien vorherzusagen oder durch die chemische Synthese gezielt zu beeinflussen.



Legende der Illustration: Das Zusammendrücken der „Bürsten“ bestimmt die Festigkeit des Materials in der Gel-Phase (Bild: Dr. Hervé Dietsch, AMI).

Link zum Artikel im Physical Review Letters: http://prl.aps.org/abstract/PRL/v104/i12/e128304
F. Scheffold, P. Diaz-Leyva, M. Reufer, N. Ben Braham, I. Lynch, and J.L. Harden, Phys. Rev. Lett. 104, 128304 (2010)

Link zur kostenfreien Kopie: http://arxiv.org/abs/0911.1553v1

Kontakt: Prof. Frank Scheffold, 026 300 91 17, frank.scheffold@unifr.ch

Quelle: Dienst für Kommunikation und Medien, 026 300 70 34, communication@unifr.ch