29.08.2011
Invasive Pflanzen: mit Insekten die Ambrosia
im Zaum halten
Ein Professor der Universität Freiburg und Wissenschaftler des CABI, einer internationalen Organisation für Forschung und Entwicklung in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt, sind besorgt über die Verbreitung der Ambrosia in Europa. Im Anschluss an eine vom nationalen Forschungsschwerpunkt Plant Survival unterstützte Studie schlagen sie Massnahmen mit natürlichen Mitteln zur Bekämpfung dieser invasiven Pflanze vor, die beim Menschen heftige Allergien auslösen kann. Zu den vielversprechendsten Massnahmen, die heute in der spezialisierten Zeitschrift Weed Research erschienen sind, gehören sechs Insektenarten, die sich hauptsächlich von Pollen und Samen der Ambrosia ernähren.
Mit Ambrosia befallenes Sonnenblumenfeld.
Das ursprünglich aus Nordamerika stammende Aufrechte Traubenkraut, auch Ambrosia genannt (Ambrosia artemisiifolia), hat Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem europäischen Festland Fuss gefasst, nachdem es sich zuvor in Australien und Asien verbreitet hatte. Die heute am stärksten betroffenen Regionen auf dem alten Kontinent sind Zentral-Europa (Ungarn, Österreich, Slowakei), Länder im Osten (Ukraine, Russland), der süd-östliche Raum (Rumänien, Kroatien, Serbien) sowie südliche Länder (Frankreich, Italien). Im Norden ist die Ambrosia bis jetzt eher selten anzutreffen (Irland, Schottland, Skandinavien), aber der Klimawandel wird ihre Ansiedelung in naher Zukunft wahrscheinlich begünstigen, warnen Urs Schaffner, Forscher am CABI Delémont, und seine Kollegen.
Die Ambrosia gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie gilt als «besonders gefährliches Unkraut» und blüht von Ende August bis Anfang September. Während der Blütezeit produziert diese Pflanze hoch-allergene Pollen, welche in Ländern, wo sie verbreitet ist, als Hauptauslöser für allergisches Asthma und Heuschnupfen gelten. In der Schweiz, in Deutschland, Dänemark und in den Niederlanden sind etwa 15% der Bevölkerung von dieser Allergie betroffen – ein Ausmass, das in Ungarn sogar 60% erreicht, und dies obwohl dieses Land wie die Schweiz eine obligatorische Überwachung dieser unerwünschten Pflanze erlassen hat sowie ihre systematische Ausrottung verordnet hat. Die Ambrosia stellt ebenfalls ein Hauptproblem für die Umwelt und die Landwirtschaft dar. Günstig für ihre Verbreitung sind besonders brachliegende Flächen und Landstreifen entlang von Verkehrswegen (Autobahnen, Eisenbahnlinien und Flüssen).
Das Übel an der Wurzel packen
Das wirksamste Mittel, um die Ausbreitung der Ambrosia einzudämmen, besteht darin, ihre Fortpflanzung zu unterbinden. «Aus diesem Grund haben wir zur Bekämpfung dieser einjährigen Pflanze sechs Insekten ausgewählt, welche sich entweder hauptsächlich von Pollen, Samen oder Gewebe der Ambrosia ernähren, oder welche die Blütenbildung verhindern », erläutert Heinz Müller-Schärer, Professor für Ökologie und Evolution an der Universität Freiburg und Koautor dieser Publikation. Aber diese Strategie hat einen Schwachpunkt: die nahe Verwandtschaft der Ambrosia mit der Sonnenblume. Deshalb muss zunächst abgesichert werden, dass die Insekten als natürliche Feinde dieses invasiven Unkrauts keine Sonnenblumenpflanzungen angreifen.
In Australien war es möglich, auf diese Insekten zurückzugreifen, da in unmittelbarer Nähe der Ambrosiabekämpfung keine Sonnenblumenplantagen vorkamen. China praktiziert dieselbe Vorgehensweise und betreibt sogar unter Treibhausbedingungen eine regelrechte Massenzucht des Falters Epiblema strenuana, eines der Feinde der Ambrosia. Die chinesischen Agronomen haben sich jedoch ebenfalls dafür entschieden, diese Insekten in einer Region in die freie Natur zu entlassen, in der keine Sonnenblumen vorkommen. In Europa ist der Einsatz solcher Insekten allerdings ausgeschlossen, denn nur so lässt sich vermeiden, dass Sonnenblumenpflanzungen zur Ölgewinnung in Mitleidenschaft gezogen werden, die hier nämlich zahlreich angebaut werden. Daher wurden sieben andere «Kandidaten» zur Bekämpfung der Ambrosia vorgeschlagen (sechs Insekten und ein Schadpilz), die kein Gefahrenpotential für Sonnenblumen darstellen. Die «Kandidaten» müssen jedoch zuerst noch strenge Sicherheitskontrollen durchlaufen, wo geprüft wird, dass andere verwandte Pflanzenarten mit dieser Bekämpfungsmassnahme nicht etwa ebenfalls Schaden nehmen könnten.
Dieses Ziel ist Gegenstand eines Vorschlags der Action COST, die von Forschenden des NCCR Plant Survival unter der Leitung von Heinz Müller-Schärer ausgearbeitet wird. Er trägt die Bezeichnung «Nachhaltiger Umgang mit der Ambrosia in Europa» (bzw. SMARTER als Akronym für «Sustainable management of Ambrosia artemisiifolia in Europe»). Dieses koordinierte Programm, das in erster Linie auf diese eine invasive Pflanze ausgerichtet ist, hat bereits das Interesse von rund einhundert Forschenden in fünfundzwanzig Ländern geweckt.
Kontakte:
Prof. Heinz Müller-Schärer, Departement für Biologie/Ecologie & Evolution, Universität Freiburg, 026 300 88 35/ 50 oder 079/787 35 71, heinz.mueller@unifr.chDr. Urs Schaffner, CABI Bioscience Switzerland Centre, Delémont (JU), 032 421 48 77, u.schaffner@cabi.org
Referenz: Gerber, E., Schaffner, U., Gassmann, A., Hinz, H.L., Seier, M., Müller-Schärer, H. (2011). Prospects for biological control of Ambrosia artemisiifolia in Europe: learning from the past. Weed Research.
Liste der Erfolg versprechenden Insekten und des Pilzes:
Coleoptera: Ophraella slobodkini, Smicronyx perpusillus, Trigonorhinus tomentosus, Zygogramma disrupta
Diptera: Euaresta bella
Lepidoptera: Tarachidia candefacta
Fungi: Puccinia xanthii (fungus)