Theologie der Ökumene (Westkirchen): Frühjahrssemester 2025
Montag, 13h30-15h00
In Westeuropa bezeichnet das Wort „Ökumene” in erster Linie das Verhältnis zwischen der katholischen und der reformatorischen Ausprägung des Christseins, wie sie aus der Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind. Doch hier handelt es sich eigentlich um eine „Familienstreitigkeit“ innerhalb der westkirchlich-lateinischen Tradition. Die Vorlesung öffnet den Blick dafür, dass die Christenheit vielgestaltiger ist. Der weiter gefasste ökumenische Dialog, der auch die altorientalischen und die orthodoxen Kirchen, die anglikanische Communio und die evangelikale und freikirchliche Welt einbezieht, bringt ungeahnte Aspekte im christlichen Zeugnis ans Licht und kann helfen, festgefahrene Debatten neu lebendig werden zu lassen. Zugleich fragt die Vorlesung nach den Kriterien, wie eine berechtigte und wünschenswerte Vielfalt des kirchlichen Zeugnisses von Spaltungen zu unterscheiden ist, die dem Gemeinschaft stiftenden Geist Jesu Christi widersprechen.
Semesterplan und Literaturhinweise
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7. April 2025: Kleine Geschichte der Ökumenischen Bewegung - mit einem Ausblick auf das Ziel kirchlicher Einheit
Diagramm zur Geschichte der Ökumenischen Bewegung seit etwa 1900 ...
Selbstdarstellung der Geschichte des Weltrates der Kirchen auf dessen Webseite ...
Toronto-Erklärung der Weltrates der Kirchen von 1950
Aktuelle Verfassung und Satzung des Weltrates der Kirchen vom 30. Oktober 2013 (während der 10. Vollversammlung des ÖRK in Busan, Korea, geändert)
Homepage des Weltrates der Kirchen
Fragen zur Bearbeitung:- Welche Gründe haben zur Entstehung des Weltrates der Kirchen geführt?
- Wie stellt der Weltrat der Kirchen seine ekklesiologische Bedeutung dar - angesichts der Tatsache, dass er die Einheit der Kirche(n) fördern will, selbst aber keine Kirche ist und sein will?
- Warum ist die Katholische Kirche nicht Mitglied im Weltrat der Kirchen?
- Wenn Sie die Webseite des Weltrates der Kirchen anschauen: Welche aktuellen Schwerpunkte im Selbstverständnis und bei den Aktivitäten entdecken Sie?
- Schauen Sie die Unterseite mit den "Mitgliedskirchen" an und öffnen Sie die Darstellungen von einigen Kirchen, von denen Sie noch nie gehört haben ...
- 31. März 2024: Welche Einheit erstreben wir? Modelle und Stile angesichts der globalisierten Erde - Gemeinsame Evaluation
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24. März 2025: Jean Calvins Profil als Reformator / Die neue Verfassung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
Calvin - eine Einführung. Vorlesungsmaterial
Evangelisch-Reformierte Kirche Schweiz (EKS). Die neue Verfassung
Aufgaben:
- Welches spezifische Profil als Reformator weist Calvin in den Bereichen Abendmahlslehre, Erwählungslehre und Kirchenverständnis (im Verhältnis zur weltlichen Gewalt) auf?
- Was unterscheidet ihn von Martin Luther?
- Welche ekklesiologische Bedeutung hat die neue Verfassung der EKS im Verhältnis zum früheren SEK (Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund)?
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17. März 2025: Martin Luthers reformatorisches Erlebnis / Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999)
Quellen zur lutherischen "Rechtfertigungslehre"
Frage zur Bearbeitung: Was bedeutet "Rechtfertigung" im Selbstzeugnis Luthers? (die übrigen Texte können Sie aus Interesse ebenfalls lesen)
"Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" (1999)
Frage zur Bearbeitung: Mit welcher Methode wird im Abschnitt 4. nach einem Konsens gesucht (Wir bekennen gemeinsam - Katholiken sagen ... - Lutheraner sagen ...)? Wie beurteilen Sie die Tragfähigkeit dieser Methode?
Suchen Sie sich eine Fragestellung (aus 4.1 bis 4.7) aus und überlegen Sie, ob Sie diesen Abschnitt unterschrieben hätten, wenn Sie Mitglied der Dialogkommission gewesen wären? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
Wenn Sie mehr über Luther wissen wollen, suchen Sie sich einen der Aufsätze des katholischen Lutherexperten Erwin Iserloh aus:
Link zu den Aufsätzen von Erwin Iserloh zur Reformationsgeschichte
... und noch ein Preisrätsel (mit Auflösungen): Katholisch oder lutherisch? (von Prof. Vinzenz Pfnür zusammengestellt)
Ergänzender Kommentar:
1) Wenn Sie Luthers Text nochmals lesen, dann fällt dort eine Sprache auf, die über die biblische Terminologie des Paulus hinausgeht: Luther "hasst" Gott, "zürnt" ihm etc. Hier geht es um mehr als um die Entdeckung des gnädigen, den Menschen beschenkenden Gott: Luther ist einer der ersten "modernen" Menschen, die sich als "starkes Subjekt" mit "freiem Willen" empfinden und ebenso von Gott zu denken beginnen. Dadurch entsteht das Gefühl einer Konkurrenz und einer Bedrohung: Wenn Gott so frei und willkürlich entscheidet wie ich potenziell es könnte, dann bin ich nicht sicher, ob er nicht auch mit mir/mit uns willkürlich umgeht.
Die spätmittelalterliche Theologie, die sehr stark Gottes freien Willen betonte, bestärkte Luther in dieser Sicht. Dort unterschied man zwischen der "potentia absoluta" Gottes, der souveränen, "absoluten" Vollmacht, in der Gott alles zu tun vermag, und der "potentia ordinata", in der Gott sich auf eine bestimmte Heilsordnung festlegt. Natürlich bleibt immer die Angst, Gott könne auf seine "absolut Vollmacht" zurückgreifen.
Im Hintergrund der Debatte um die Rechtfertigung steht also nicht nur eine "schlechte Religionspädagogik", die den strafenden Gott hervorhebt, sondern ein neues Lebensgefühl, das erst noch theologisch verarbeitet werden muss:
- einerseits der als Konkurrenz verstandene Gott
- andererseits der Mensch, der seine Existenz als freien, selbstbezogenes, "ich" sagendes Subjekt selbst als "Sünde", als "gottwidrig" erfährt und nicht recht weiß, wie er diesem Lebensgefühl entkommen kann.
2) Die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" ist ein großer Schritt im katholisch-lutherischen Dialog. Schon formal bestand allerdings die Schwierigkeit zu klären, wer eigentlich die Partner des Dialogs sind: Die "Katholische Kirche" kann das Dokument für die gesamte Kirche als verbindlich annehmen. Auf lutherischer Seite war der Partner der "Lutherische Weltbund", der kein Weisungsrecht für seine Mitgliedskirchen hat. So haben einzelne Mitgliedskirchen die GE nicht unterschrieben ... Andererseits hat ganz offenbar die neue Rolle des "Lutherischen Weltbundes" zu einer Art "Verkirchlichung" dieses Zusammenschlusses gefunden.
Interessant ist auch, dass eine große Zahl von protestantischen Theologen gegen die GE "protestiert" haben. Sie hatten wohl die Furcht: Wenn die Rechtfertigungslehre der Kernbestand der Reformation ist und darin Einigkeit besteht, dann gibt es keinen Grund mehr für die Trennung ...
Dass dann doch eine Unterschrift erfolgte, zeigt einen Vorrang der "kirchlichen" vor der "theologischen" Perspektive.
3) Die Methode des differenzierten Konsenses ist in der Tat ein sehr fruchtbarer Weg des Dialogs. Doch es gibt auch Grenzen: Wenn neben der Gemeinsamkeit die verschiedenen Aussagen auf "katholische" und "protestantische" Weise formuliert werden, dann muss überprüft werden:
- Ist die jeweilige konfessionelle Formulierung wirklich mit der gemeinsamen Formulierung kompatibel?
- Werden die Partner nicht beruhigt weiterhin zu ihrer eigenen Formulierung zurückkehren und im Grunde keinen Wandeln auf Versöhnung hin vollziehen?
Oft wurde bemängelt, dass die GE nicht zu einem wirklichen Schritt gemeinsamen Kirche-Seins geführt hat, sondern eher historische Debatten theologisch aufgearbeitet hat.
Die neue, künftige Aufgabe für den ökumenischen Dialog wird wohl darin liegen, die theologische Einigung umzumünzen in Schritte zum gemeinsamen kirchlichen Leben ...
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3. März 2025: Communicatio in sacris? Auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft
Textgrundlage: Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, 1993.
Vollständige elektronische Fassung in der Ausgabe der Deutschen Bischofskonferenz (gedruckt nicht mehr lieferbar).
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24. Februar 2025: Grundlegung des katholischen Verständnisses der Ökumene
Dokumente für das katholische Verständnis des ökumenischen Engagements :
Enzyklika "Mortalium animos" von Papst Pius XI. (6. Januar 1928)
Der Papst betont in dieser Enzyklika die Wahrheitsfrage: Sie umschließt die Treue zur (Selbst)Offenbarung Gottes und - damit verbunden - die Treue zu den heilsrelevanten Gegebenheiten, die daraus in der Geschichte hervorgehen. Der Tonfall der Enzyklika ist ermahnend und verbieten. Weil es um die einzigartige Weise geht, wie Gott das Heil in der Geschichte gewirkt hat, können nicht alle "Religionen" und "Konfessionen" gleichrangig sein.
II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus (Unitatis Redintegratio) (21. November 1964)
Das II. Vatikanische Konzil will auf das Wirken des Geistes Gottes antworten, das die Sehnsucht nach Einheit in der Christenheit neu geweckt hat. Es erkannt heilsrelevante "Elemente" außerhalb der sichtbaren Grenzen der Katholischen Kirche an.
II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium) (21. November 1964) (Auszug)
Die Dogmatische Konstitution über die Kirche sieht in der Kirche ein Abbild des Dreieinen Gottes, gewirkt durch die Heilsgeschichte. LG 8 betont: Die Kirche ist (subsistit), d.h. das von Gott gewirkte Heil ist wahrhaft in der Geschichte zugänglich. Sie ist dem Mysterium der Inkarnation im Zusammenwirken von göttlicher und menschlicher Natur in Jesus Christus ähnlich/analog. Gerade angesichts dieses Bekenntnisses muss die irdische Kirche ihre Grenzen und Mängel anerkennen. LG 23 entdeckt den inneren Plural der Katholischen Kirche wieder: Sie ist eine Communio von Teilkirchen (ecclesiae particulares), die ganz Kirche sind, aber nicht die ganze Kirche. Der Plural "Kirchen" muss also nicht zwangsläufig Ausdruck einer Spaltung sein.
Das "Direktorium" will auf der Grundlage der Impulse des Konzils Orientierungen und Kriterien für die "communicatio in sacris", d.h. für die Sakramentengemeinschaft, angeben. Die Grundlage wird in der Taufe gesehen. Die Hauptkriterien lauten: Alles, worin wir Gemeinschaft haben, kann und soll gemeinsam getan/gefeiert werden; wo die Gemeinschaft unvollkommen ist, müssen Differenzen ausgehalten und versöhnt werden.
In narrativer Form erzählt der Papst über die Früchte des ökumenischen Dialogs in der Form des "Austauschs der Gaben" (zwischen den verschiedenen christlichen Traditionen). Er ruft auch die Katholiken zu Gewissenserforschung und Umkehr auf und stellt die Frage, wie er seinen Petrusdienst so ausüben kann, dass er der Einheit dient und nicht zum Stein des Anstoßes wird. Im "gemeinsamen Martyrologium" derer, die ihr Leben für Christus geben, ist die Kirche inmitten ihrer irdischen Differenzen bereits geeint.
Die Kongregation für die Glaubenslehre (damals unter Leitung von Kardinal Joseph Ratzinger) erinnert, dass zur Einheit der Kirche auch ihre "Einzigkeit" gehört. Gerade in ihrer geschichtlichen Partikularität bezeugt die (katholische) Kirche das universale Heil. "Glaube" ist die Verwurzelung in der Selbstoffenbarung Gottes und daher strikt zu unterscheiden von religiösen Ansichten und Meinungen.
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17. Februar 2025: Ökumene – biblische Hinführung
Das Wort "oikoumene" im Neuen Testament
- Lesen Sie die angeführten Stellen aus dem Neuen Testament sehr aufmerksam.
- Achten Sie darauf, wie in jedem Falle das griechische Wort "oikoumene" auf Deutsch übersetzt ist.
- Beantworten Sie die Fragen am Ende des Textes (als Lernergebnis für Sie selbst, nicht zum Einreichen an mich).