Vorlesung: Eucharistie und Politik - HS 2022

Verantwortlich: Prof. Dr. Barbara Hallensleben

dienstags 10-11h, Raum 3026, (BA und) MA, 1 CP (oder je nach Studienleistung und Studienprogramm)

Beschreibung: Der amerikanische Theologe William T. Cavanaugh hebt die politische Bedeutung der Eucharistie als „counter-politics“ hervor: „Die Kirche ist insofern der wahre Leib Christi, als sie eine Disziplin ist, d.h. eine Art und Weise, die Körper in bestimmte Verhaltensweisen einzuschreiben. [...] Der wahre Leib Christi ist verwundet, gezeichnet durch das Kreuz. Als Leib Christi hat die Kirche Anteil am Opfer Christi, an seiner blutigen Auseinandersetzung mit den Mächten dieser Welt. Die Disziplin der Kirche ist dann nur die Disziplin des Martyriums, denn der Leib Christi ist nur er selbst in seiner Selbstentäußerung. Die Kirche existiert nicht um ihrer selbst willen; sie ist nicht wie der Staat auf ihre eigene Aufrechterhaltung angewiesen. Ihre Disziplin ist ein ständiges Sterben an sich selbst um der anderen willen.“ Die Vorlesung zeigt im Mitdenken mit Cavanaugh die politische Aktualität der Eucharistie auf.
Literatur: William T. Cavanaugh, Torture and Eucharist. Theology, Politics, and the Body of Christ, Oxford 172016; ders., Being Consumed: Economics and Christian Desire, Grand Rapids 2008; Thomas Ruster, Wandlung. Ein Traktat über Eucharistie und Ökonomie, Mainz 2006.

Textgrundlage: Stephan Tautz, Radikale Sakramentalität. William T. Cavanaughs politische Theologie der Eucharistie im Gespräch mit radikaldemokratischer Theorie der Macht, Berlin 2022.

 Download des Textes

 Vorlesungsplan

  • 20. Dezember 2022: Ein Umkehrschluss

    Vgl. Tautz, 435-443.

  • 13. Dezember 2022: 8 Thesen für ein radikal-sakramentales Verständnis der Demokratie
  • 6. Dezember 2022: Die Souveränität Gottes im Zeichen radikaler Sakramentalität

    Vgl. Tautz, S. 365-415.

     Vorlesungsmaterial

  • 29. November 2022: Gastvorlesung von Stephan Tautz
  • 22. November 2022: Politik des Sakramentalen und konkrete Demokratie

    Vgl. Tautz, S. 316-336.

     Vorlesungsmaterial

  • Vorlesungspause mit Aufgaben zur persönlichen Lektüre

    Suchen Sie sich eine Lektüre und Thematik Ihrer Wahl aus (Cavanaugh / Stephan Tautz / eine-r der von beiden herangezogenen Autoren/Autorinnen) und verfassen Sie zu dem von Ihnen erarbeiteten Text bzw. Thema eine 2-3seitige Darstellung:

    • Nennen Sie zu Beginn die gewählte Thematik und Zielsetzung Ihres Textes und die Zuordnung zum Thema "Eucharistie und Politik".
    • Legen Sie den Gedankengang dar, den Sie Ihrer Lektüre entnommen haben.
    • Werten Sie Ihre Lektüre auf die gewählte Frage hin aus.
    • Nennen Sie offene Fragen, die eine vertiefte Behandlung erfordern.

    Zu Ihrer Orientierung: Da es sich um 3 ausgefallene Vorlesungen und 4 Arbeitswochen handelt, sollte Ihre Arbeitszeit (gemäß Bologna-Regel zu dieser Vorlesung, für die Sie bei erfolgreichem Abschluss einen Kreditpunkt erhalten) ungefähr 6-8 Stunden umfassen - vorausgesetzt, dass Sie im bisherigen Vorlesungsverlauf jede Vorlesung im Umfang von ca. einer Stunde vorbereitet und/oder nachgearbeitet haben. Wenn das nicht der Fall ist, können Sie die noch nicht eingesetzten Stunden zur persönlichen Erarbeitung hinzunehmen.

    Da wir am 29. November Stephan Tautz zu Gast haben werden, können Sie auch bereits Fragen an Herrn Tautz notieren, die ich ihm eventuell sogar im voraus zusenden werde.

  • 25. Oktober 2022: „Eucharisize the World“ II

    Vgl. Tautz, 297-316.

     Vorlesungsmaterial

  • 18. Oktober 2022: „Eucharisize the World“ I

    Vgl. Tautz, S. 270-297.

     Vorlesungsmaterial

    Aufgabe:

    Welche Mitverantwortung trägt die Kirche an der Entstehung einer monistischen Staatssouveränität? Wie ist dabei das sakramentale Selbstverständnis der Kirche verlorengegangen?

  • 11. Oktober 2022: Entmythologisierung der säkularen Welt

    Vgl. Tautz, 243-270.

     Vorlesungsmaterial

    Aufgabe (bearbeiten Sie eine von beiden genannten Aufgaben):

    1) Erläutern Sie, warum Cavanaugh die Legitimation des Nationalstaates zur Unterdrückung religiöser Gewalt für einen Mythos hält.

    2) Bestimmen Sie die großen Begriffe der heutigen Welt - Nationalstaat, Zivilgesellschaft, Globalisierung - in ihrem je eigenen Anspruch und benennen Sie die kritischen Anfragen von Cavanaugh.

  • 4. Oktober 2022: Entmythologisierung der säkularen Welt I

    Vgl. Tautz, S. 213-243.

     Unterlagen zur Vorlesung

    Aufgabe: Kaum etwas scheint so restlos "entmythologisiert" zu sein wie der säkulare Staat. Wie begründet Cavanaugh die von ihm konstatierte Anfälligkeit des säkularen Staates für mythologische Überhöhungen?  Welche Argumente können Sie nachvollziehen? Welche Aspekte müsste man vertiefend erforschend - und auf welche Weise? Welche eigenen Fragen weckt die Lektüre in Ihnen?

  • 27. September 2022: Neun Thesen für eine theologische politische Theologie

    Vgl. Tautz, S. 193-200

     Résumé als Vorlesungsgrundlage

    Aufgabe: Die Vorlesung musste notgedrungen eine sehr umfangreiche und vielfältige Geschichte der "politischen Theologie" knapp resümieren und ist dabei weitgehend dem gute recherchierten und kommentierten Résumé von Stephan Tautz gefolgt. Welche theologischen Herausforderungen und offenen theologischen Fragen nehmen Sie aus der Präsentation mit? Eventuell können Sie bei Stephan Tautz einen Teil des Textes, der Sie besonders interessiert, vertieft nacharbeiten und schriftlich zusammenfassen.

  • 20. September 2022: Einführung - William T. Cavanaugh und sein eucharistietheologischer Ansatz
    • Diese Vorlesung beruht auf der Wahrnehmung von drei Defiziten:
      Es gibt wenig theologische Literatur zur Eucharistie, geradezu umgekehrt proportional zur Bedeutung, die man ihr für das Leben der Kirche zumisst und die sie für Jesus selbst hat: desiderio desideravi (Lk 22,15) ...
      Vgl. Lothar Lies, Eucharistie in ökumenischer Verantwortung (1996); ders., Mysterium fidei (2011; Sammlung von Beiträgen), posthum herausgegeben;
      Max Thurian, Eucharistie. Einheit am Tisch des Herrn?, Mainz 1963.
    • In der deutschsprachigen Theologie werden theologische Akzente außerhalb des deutschen Sprachraums wenig wahrgenommen. Stephan Tautz, der über Cavanaugh promoviert hat, hat diesen Autor in einem Freisemester in Leuven kennengelernt.
    • Die politische (nicht politisierte!) Theologie hat an Dynamik verloren. Dabei ist heute eine Theologie, die sich nicht unhinterfragt innerhalb eines vorgegebenen politischen Rahmens (selbst westlicher Demokratie) situiert, heute außerordentlich wichtig. Es gilt nach den theologischen Quellen der Konstitution der „polis“ als gemeinschaftlichem Grundvollzug des Menschen/der Menschheit zu fragen. Dazu hat die Theologie als Theologie etwas zu sagen.

    Demgegenüber stehen drei Anliegen der Vorlesung, die sich durchaus in die gegenwärtigen Forschungsperspektiven einschreiben:

    • Die Eucharistie wird nicht losgelöst von ihrem praktischen Vollzug gesehen. Sie gehört in die Feier der Liturgie als dem öffentlichen Grundvollzug des Volkes Gottes, das sich durch die Akklamation des Pantokrator Jesus Christus, des Gekreuzigten und Auferstandenen, konstituiert.
    • Die Eucharistie in ihrem liturgischen Vollzug relativiert grundlegend die Rede von der säkularen Welt: Unsere Welt trägt als ganze die Konnotation der Geschöpflichkeit (Rowan Williams: createdness), Kontingenz, des Sich-Empfangen-habens. Unsere Welt trägt seit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus als ganze die Konnotation, Leib Christi zu sein. „Säkular“ ist sie nicht, weil sie zunächst einmal „gott-los“ wäre und dann überlegt, ob und wie und zu welchem Gott sie sich in Beziehung setzt, sondern weil sie von Gott selbst in die Freiheit des Anderen Gottes entlassen wurde. Wenn Gottes Selbstvollzug eucharistisch ist: Hingabe in Liebe – dann ist der vollkommene selbstvollzug der Welt als Schöpfung und als Leib Christi eucharistisch. Cavanaugh will die Welt „eucharistisieren“, und dies durchaus in einem weltlichen Vollzug und mit weltlichen Partnern.
    • Weltliches Handeln ist in ethischen Kategorien nicht hinreichend beschrieben. Das Mehr der Annahme von Leid und Tod, die in dieser Welt immer überwiegen, „Option für die Armen“, kann aus keiner „Goldenen Regel“ verpflichtend hergeleitet werden. Diese Grundhaltungen ergeben sich aus einem Überschuss der Liebe, die in Jesu eucharistischem Leben und seinem eucharistischen Mahl der Vorwegnahme von Tod und Auferstehung eine Vorzeichnung hat. Ivan Illich geht so weit zu sagen: Jedes Mahl ist eine Henkersmahlzeit.

    Lektüreschwerpunkt für die erste Vorlesung: 

    • S. 4-5: Inhaltsverzeichnis
    • S. 44-51: Person und Werk
    • S. 201-213: Cavanaughs sakramentaler Ansatz im Kontext der politischen Theologie(n)

    Ein Interview mit William T. Cavanaugh

    Aufgabe: Informieren Sie sich eigenständig über das Profil des Theologen William T. Cavanaugh durch Lektüre der Angaben von Stephan Tautz oder andere/weitere Materialien und beschreiben Sie kurz, was Cavanaugh charakterisiert. Mit welcher Erwartung und welchen eigenen Fragen lesen Sie auf dieser Grundlage Cavanaugh und Tautz?