Publikationsdatum 10.05.2023

Wie Pflanzen sich zwischen Wachstum und Verteidigung entscheiden


Als verwurzelte Organismen müssen sich Pflanzen konstant entscheiden, ob sie ihre Ressourcen in Richtung Wachstum oder Verteidigung investieren. Ein Forschungsteam der Universität Freiburg zeigt in einer aktuellen Studie, dass diese Entscheidung auf molekularer Ebene mithilfe eines Transportproteins getroffen wird. Dies könnte Züchtern zur Verbesserung der Pflanzenfitness dienen, aber auch von klinischem Interesse sein.

Pflanzen sind mit ihrer Umgebung fest verwurzelt. Was für die Versorgung mit Nährstoffen wie Wasser und Mineralien höchst effizient ist, kann zum Verhängnis werden, wenn Pflanzen von Fressfeinden oder Krankheitserregern attackiert werden. Aber auch dann sind Pflanzen nicht wehrlos, sondern reagieren gezielt mit einem natürlichen Abwehrmechanismus, zum Beispiel mit der Sekretion toxischer Verbindungen gegen den Eindringling, sogenannter Phytoalexine.

Transportprotein zur Abwehr von Krankheitserregern
In den letzten Jahrzehnten begann eine zähe Suche nach einem Transportprotein, das in der Modellpflanze, der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), für den Export von Camalexin aus der Zelle heraus und damit für die Zerstörung von Krankheitserregern verantwortlich ist. Die Acker-Schmalwand gehört zu den Kreuzblütlern und ist damit eine nahe Verwandte unserer Nutzpflanzen wie Raps oder Kohl. Ein Team um Dr. Markus Geisler vom Departement für Biologie der Universität Freiburg konnte nun zeigen, dass der Transporter ABCG36 tatsächlich Camalexin exportiert.

Die gleiche Arbeitsgruppe hat aber früher bereits belegt, dass ABCG36 ebenfalls Indol-3-Buttersäure (IBA) aus der Zelle transportiert, den Vorläufer eines wichtigen Wachstumshormons in Pflanzen. Damit transportiert ABCG36 zwei Substrate, die entweder für das Wachstum (IBA) oder die Verteidigung (Camalexin) wichtig sind, und steht damit an der Schnittstelle zwischen Wachstum und Verteidigung. Da beide Programme für die Pflanze sehr energieaufwändig sind, muss die Pflanze entscheiden, welche Strategie sie bevorzugt.

Die kürzlich in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlichte Studie zeigt nun, dass der Transporter ABCG36 bei Befall mit Krankheitserregern einseitig den Export von IBA, nicht aber von Camalexin unterdrückt. Dies führt zu einer Priorisierung des Transports in Richtung Verteidigung auf Kosten des Wachstums.

Wichtige Erkenntnisse für Pflanzenzüchter und die Klinik
Dank der in der Studie gewonnenen Erkenntnisse können Züchter_innen neue Strategien zur Verbesserung der Pflanzenfitness entwickeln. Seit Jahrhunderten werden Nutzpflanzen gezüchtet, um wachstumsbezogene Merkmale zu maximieren, was zu einem Verlust an genetischer Vielfalt führt, der häufig die Abwehrkräfte beeinträchtigt.

Und auch für die Humanmedizin ist die Studie von Interesse, da verschiedene Transporter der ABCG-Familie unter anderem dafür verantwortlich sind, dass klassische Chemotherapie bei Brustkrebs oft versagt.

-> Zur Studie in Current Biology