Dissertationen Abstracts

  • Jobunsicherheit

    Jobunsicherheit: die Folgen für das Individuum unter Berücksichtigung seiner familiären Situation

    Ausgangslage: Erwerbstätige Menschen, die ihr Risiko eines Arbeitsplatzverlustes als hoch einschätzen, leiden oftmals unter dieser subjektiven Jobunsicherheit. Im Vergleich zu Personen, die ihre Jobunsicherheit als gering wahrnehmen, weisen sie z.B. eine schlechtere physische und psychische Gesundheit sowie eine geringere Lebenszufriedenheit auf. Diese Zusammenhänge sind in der bestehenden Literatur ausführlich beschrieben. Es ist jedoch wenig darüber bekannt, welche Rolle der familiäre Kontext der betroffenen Person spielt und wie sich die Situation über die Zeit verändert.
     
    Fragestellung: Die Dissertation geht der Frage nach, welchen Einfluss die Jobunsicherheit auf das Individuum und seine beruflichen Entscheidungen hat, unter Berücksichtigung seiner familiären Situation. Dabei wird u.a. auf freiwillige Arbeitgeberwechsel als eine Strategie zur Bewältigung der wahrgenommenen Jobunsicherheit fokussiert.
     
    Theoretische Bezüge: Die Dissertation verbindet familien- und arbeitsmarkttheoretische Ansätze.

    Datengrundlage: Als Datengrundlage dienen die Jahre 2002 bis 2013 des Schweizer Haushalt-Panels.
    Methoden: Es werden gängige Methoden der quantitativen Datenanalyse angewendet (fixed effects Regressionen, Logistische Regressionen, First-Difference Regressionen).
    Beginn (Einschreibejahr): 2012

  • Selektive Gleichstellung?

    Selektive Gleichstellung? Studien zur sozialen Differenzierung von Geschlechterungleichheiten im Zeit-, Kantons-, und Ländervergleich

    Die kumulative Dissertation untersucht geschlechtsspezifische Arbeitsteilungen in Paarhaushalten mit Kindern für verschiedene Bildungs- und Einkommensgruppen. Der Fokus liegt auf der Frage, wie bildungs- und einkommensspezifische Unterschiede in den Arbeitsarrangements mit den institutionellen Rahmenbedingungen variieren (im historischen Verlauf in der Schweiz, zwischen den schweizerischen Kantonen sowie im Ländervergleich Schweiz-Deutschland). Die Dissertation trägt damit zur Diskussion über Konflikte zwischen verschiedenen Ungleichheitsdimensionen spezifischer institutioneller Rahmenbedingungen bei. Die empirischen Studien basieren auf  mehreren Datensätzen (Eidgenössische Volkszählung, Strukturerhebung, Schweizerisches Haushaltspanel und Sozio-ökonomisches Panel), verschiedenen quantitativen Analyseverfahren  und können auf unterschiedlichen Ebenen (Mikro- und Makroebene) verortet werden.

  • Disziplinarverstösse im schweizerischen Straf- und Massnahmenvollzug

    Disziplinarverstösse im schweizerischen Straf- und Massnahmenvollzug: Prävalenz, Einflussfaktoren, Folgen und formelle Reaktionen (Arbeitstitel)

     

    Die Dissertation beschäftigt sich mit Disziplinarverstössen, die durch Gefangene während ihrer Zeit in Haft verübt werden. Wann ein solcher Verstoss begangen wurde ist in den institutionsinternen Regeln, den so genannten Hausordnungen, festgeschrieben. Häufige und insbesondere schwerwiegende Vorfälle (z.B. Gewalt gegen Mitgefangene oder Angestellte) können negative Konsequenzen für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Anstalten und für die Lebensqualität der Gefangenen und den Arbeitsalltag der Angestellten haben. Zudem können spektakuläre Disziplinarverstösse, insbesondere wenn in den Medien berichtet wird, Unsicherheitsgefühle in der Allgemeinbevölkerung hervorrufen. Dies erhöht wiederum den Druck von aussen auf die Anstalten. Bisher ist nicht umfassend bekannt welche Faktoren dazu beitragen können das ein Verstoss durch Gefangene begangen wird und welche Faktoren eine schützende Wirkung haben könnten. Dadurch wird die Entwicklung einer sinnvollen und effektiven Präventionsstrategie erschwert. Insbesondere die Rolle des Personals ist weitestgehend unerforscht, obwohl deren Wichtigkeit immer wieder betont wird. 
    Ausgehend von den in den Anstalten verwendeten Kategorien, wird zunächst der Frage nachgegangen wie häufig gegen die Regeln verstossen wird und welcher Art diese Verstösse sind. Anschliessend wird betrachtet, welche Faktoren das Auftreten von Disziplinarverstössen beeinflussen. Insbesondere die Bedeutung des Personals, des Arbeitsklimas in den Anstalten und der Qualität der Interaktionen zwischen Angestellten und Gefangenen, wird beleuchtet. Neben den Ursachen werden die Folgen betrachtet. Auch hier liegt der Fokus auf dem Personal und dem Einfluss von Gewalt auf deren Sicherheitsgefühl und Wohlbefinden. Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, werden weiterhin die formellen Reaktionen in den Anstalten untersucht. 
    Um die aufgeworfenen Fragen beantworten zu können, werden unterschiedliche Datenquellen miteinander kombiniert. Kenntnisse über die Situation der Angestellten und die Interaktionen zwischen Angestellten und Gefangenen liefert eine im Jahr 2012 an der Universität Fribourg durchgeführte Befragung von Mitarbeitenden in den Anstalten und Gefängnissen des Schweizer Justizvollzug. Die Befragungsdaten werden mit Daten zu den Disziplinarverstössen durch Gefangene kombiniert, die mangels einer nationalen Datenquelle direkt bei den einzelnen Anstalten erhoben wurden. In diesem Datensatz sind auch umfassende Informationen dazu enthalten welche Sanktionen für die einzelnen Verstösse verhängt wurden. Darüber hinaus werden Daten zum persönlichen Hintergrund der Gefangenen einbezogen. Diese entstammen Statistiken des schweizerischen Bundesamts für Statistik.

     

  • Haushaltsstrategien im Umgang mit prekären Lebenslagen in der Schweiz

    Das Gesundheitsstuhlbein ist bei mir immer ein bisschen wacklig gewesen, aber jetzt sind fast alle vier Stuhlbeine ab“. –  Haushaltsstrategien im Umgang mit prekären Lebenslagen in der Schweiz.   

     

    Die Dissertation will einen empirischen und theoretischen Beitrag zur aktuellen (europäischen) Debatte um neue soziale Ungleichheiten leisten. Dabei wird der Blick auf die Gefährdung der sozialen Positionen in der Nähe der Armutslinie gelenkt: konkret auf Haushalte in der (urbanen) Schweiz, die sich in einer ‚transitorischen Zwischenlage’ oder auch prekären Lebenslage befinden (Kraemer 2008:147). Dabei soll allerdings nicht wie in herkömmlichen Prekaritätsdebatten einseitig die prekäre Erwerbsarbeitssituation angeschaut werden (das heisst einzig etwa Fragen der ungenügenden Arbeitsplatzsicherheit diskutiert werden), sondern darüber hinaus auch die bislang in diesem Zusammenhang oft vernachlässigte Bedeutung der unbezahlten (Fürsorge- oder Care-)Arbeit (etwa haushaltsinterne Arbeitsteilung, aber auch Machtverhältnisse und gesellschaftliche Nicht-Anerkennung von Fürsorgearbeit) und damit der gesamte Haushalts- bzw. Lebenszusammenhang mituntersucht werden. Prekarität wird also kontextualisiert und so von ihrer Erwerbsarbeitszentrierung weggeführt. Damit wird es möglich, auch familien- oder geschlechterpolitische Folgen von Erwerbsarbeits-Prekarisierung zu erörtern und gegenwärtige Umbruchprozesse nicht nur in dieser Sphäre, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen in ihrer Wechselseitigkeit zu erkennen. Im Vordergrund der empirischen Untersuchung stehen dabei subjektive Faktoren von Prekarität. Denn ausgehend von der Einschätzung der eigenen Lebenssituation kann die Handlungsfähigkeit einzelner Haushalte betrachtet werden: Wie wird mit den Bedingungen und Möglichkeiten dieser unsicheren Lebenssituation umgegangen? Wie reagieren Haushalte, wenn sich aufgrund ihrer unsicheren Lebenslage längerfristig Handlungsoptionen und Verwirklichungsmöglichkeiten einschränken? In der theoretischen Auseinandersetzung wird deutlich, wie wichtig der zeitliche Aspekt bei der Betrachtung von prekären Lebenssituationen ist (was im Begriff von Prekarität bereits anklingt durch den Aspekt der Unsicherheit sowie die permanent-latente Gefahr der Abwärtsmobilität). Und mehr noch: zur Kontextualisierung gehört auch die institutionelle Einbettung (Wohlfahrtsregime, Arbeitsmarkt etc.) der Haushalte bzw. der Haushaltsstrategien, die die Handlungsmöglichkeiten wesentlich prägt, indem sie Optionen und Restriktionen schafft. Dabei soll auch die These der Institutionalisierung des Lebenslaufs berücksichtigt werden. Die Dissertation geht folgenden Fragen nach: Wie gestalten sich prekäre Lebenslagen? Wie können prekäre Lebenslagen charakterisiert werden? Wie wird die prekäre Lebenssituation erfahren? Wie wird mit ihr umgegangen? Welche Rolle spielen Genderaspekte dabei? Das heisst: Wie verändern sich Geschlechterarrangements unter unsicheren Lebensbedingungen? Werden sie tendenziell re-traditionalisiert oder ist es vielmehr eher so, dass das traditionell-männliche Familienernährermodell aufgekündigt wird, weil Frauen zunehmend Familienernäherinnen werden? Was passiert mit Care-Arbeiten, die im Haushalt geleistet werden müssen? Wie also wird das Gesamt an Arbeit in einem Haushalt unter den Mitgliedern verteilt und organisiert? Was verändert sich beim Blick auf prekäre Arbeitsverhältnisse, wenn sie im gesamten Lebenszusammenhang der jeweiligen Angestellten angeschaut wird? Inwiefern verändert sich schliessllich die Prekaritätsdebatte, wenn ‚Arbeit’ in ihrer Ganzheit/Gesamtheit angeschaut wird? Diese Fragen werden in der Schweiz anhand von zweimal 75 biografischen Leitfadeninterviews (alle Haushalte wurden im Abstand von einem Jahr zweimal befragt) mit Haushalten in Zürich, Bern und Lausanne im Rahmen des institutionellen Gefüges der Schweiz untersucht.

     

    Key words: precariousness, household strategies, agency, paid and unpaid work, social inequalities, gender regimes, qualitative methods

  • Weeding out problematic cannabis use.

    Weeding out problematic cannabis use. An analysis of instruments to identify “problematic” patterns of use at the population level, in particular the Cannabis Use Disorders Identification Test (CUDIT) and its implementation.

    Background: Cannabis use is widespread in most developed societies despite the illicit status of the substance. While most users remain socially integrated, for a minority their cannabis use is associated with a multitude of health and social problems. The high prevalence rates of cannabis use, coupled with evidence of a correlation with different problems and rising treatment demand, make cannabis use a public health-relevant issue. Different actors have stressed the need for adequate screening instruments (i.e. short questionnaires) to estimate the extent of "problematic" cannabis use at the population level.
    Objectives: The aims of the present thesis are to provide an overview of the instruments available to screen for cannabis-related problems, and to validate and further improve one of the instruments (the Cannabis Use Disorders Identification Test, CUDIT) that is best suited to surveys at the population level. In addition, the present thesis seeks to implement this instrument for research on correlates of "problematic" cannabis use (readiness for reducing or quitting cannabis use and sources of cannabis supply) in general population samples.
    Material and methods: The thesis comprises six papers, all of which have been published in scientific and professional journals. Five papers are based on data from a comprehensive general population survey conducted in 2004 and 2007 as part of the Swiss Cannabis Monitoring Study. One paper - the overview of available screening instruments - is based on a literature and database research. A first validation study of the CUDIT applies classical test theory (importance of the single items, internal consistency by Cronbach's alpha, Receiver Operating Characteristics (ROC) analyses), while a second validation is based on a probabilistic statistical approach, Item Response Theory (Samejima’s graded response model is estimated to plot Category Response, Item Information, and Test Information Curves). New items (i.e. questions) to supplement the CUDIT are constructed on the basis of ten qualitative interviews with cannabis users and experts. 
    Results: The systematic review of available screening instruments showed that the CUDIT as well as two other instruments (CAST and CUPIT) seem best suited to screen for cannabis-related problems in general population surveys. The first validation of the CUDIT, by means of classical test theory, indicated the poor performance of two items. The second validation, by means of Item Response Theory, showed an improvement in psychometric performance when three original items were replaced. When the CUDIT was implemented for research among cannabis users in the general population, it was shown that experiencing problems, as measured by the CUDIT, motivates users to start thinking about changing their behaviour (i.e. quitting or reducing cannabis use). It was also shown that cannabis users who buy cannabis either from friends or dealers have an increased risk of experiencing cannabis-related problems, while users who procure cannabis from friends are at lower risk of experiencing problems, according to the CUDIT. 
    Discussion: To date, a number of instruments which screen for cannabis-related problems are on their way to becoming standard use. The CUDIT is one of those. In parallel to the present thesis, and on an international level, a few other validation studies have been realised regarding the CUDIT, mainly in a clinical setting. Although the CUDIT has been proven as a viable screening instrument, there is still room for improvement. Concretely, as shown in the present thesis and as regards general population research, the CUDIT needs to be supplemented with additional "easy" items. The endeavour of the present thesis to weed out "problematic" (or "more problematic") from "non-problematic" (or "less problematic") patterns of cannabis use implies as a logical consequence that cannabis users are a heterogeneous group. This means that public health measures must be tailored according to the cannabis users' individual level of risk. The present thesis, therefore, supports a Harm Reduction approach towards cannabis.

    List of publications

    • Annaheim, B. (2013). Who is smoking pot for fun and who is not? An overview of screening instruments for cannabis-related problems in general population surveys. Addiction Research and Theory. Early Online, doi:10.3109/16066359.2012.735295.
    • Annaheim, B., Scotto, T., & Gmel, G. (2010). Revising the Cannabis Use Disorders Identification Test (CUDIT) by means of Item Response Theory. International Journal of Methods in Psychiatric Research 19(3), 142-155.
    • Annaheim, B., & Gmel, G. (2009). Vom Hanfladen auf die Gasse? Ein Vergleich der Bezugsquellen von Cannabis bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen den Jahren 2004 und 2007. Abhängigkeiten, 1/09, 38-55.
    • Annaheim, B., & Fahrenkrug, H. (2008). Cannabiskonsum in der Schweiz: leicht rückläufige Tendenzen. Ergebnisse zu Verbreitung, Konsummustern und Problemkonsum von Drogenhanf aus dem Schweizerischen Cannabismonitoring, 2004-2007. Suchtmagazin, 5/08, 21-23.
    • Annaheim, B., Rehm, J., & Gmel, G. (2008). How to screen for problematic cannabis use in population surveys? An evaluation of the Cannabis Use Disorders Identification Test (CUDIT) in a Swiss sample of adolescents and young adults. European Addiction Research,14(4), 190-197.
    • Annaheim, B., Rehm, J., Neuenschwander , M., & Gmel, G. (2007). Mit Kiffen aufhören. Die Bereitschaft zur Verhaltensänderung bei Cannabisgebrauchenden in der Schweiz. International Journal of Public Health, 52(4), 233-241.
  • Wer ist wirklich Opfer?

    Wer ist wirklich Opfer? Entwicklung und Umsetzung der Opferhilfe in der Schweiz aus einer konstruktivistischen und geschlechtersensiblen Perspektive

     

    Seit 1993 ist in der Schweiz das Opferhilfegesetz (OHG, SR 312.5) in Kraft. Dadurch erhalten Personen, die durch eine Straftat in ihrer Integrität beeinträchtigt werden, bei der Überwindung der Folgen der Straftat staatlich finanzierte Beratung und Unterstützung. Das OHG richtet sich an Opfer beider Geschlechter, in der Praxis werden jedoch zu rund 75 Prozent weibliche Opfer beraten. Anne Kersten untersucht in ihrer Dissertation diese Ausrichtung der schweizerischen Opferhilfe auf weibliche Opfer vor dem Hintergrund einer ebenfalls hohen männlichen Gewaltbetroffenheit. Sie geht davon aus, dass der Opferstatus in einem komplexen sozialen Konstruktionsprozess erst gebildet wird, wobei sowohl formale Regelungen als auch informelle kulturelle Praktiken wesentlich sind. Theoretisch stützt sich die Arbeit auf das Konzept hegemonialer Männlichkeit(en) in Verbindung mit dem Genderregime-Konzept als analytischen Rahmen einer geschlechtersensiblen Wohlfahrtsstaatsforschung. Die Analyse fokussiert den Entstehungs- und Ausgestaltungszusammenhang des eidgenössischen OHG sowie die kantonale Umsetzungspraxis. Zur Anwendung kommt eine statistische Analyse bestehender Opferhilfefalldaten, eine Diskursanalyse des politischen und medialen Opferhilfediskurses und vergleichende, qualitative Fallanalysen der Umsetzung der Opferhilfe in den Kantonen Basel-Stadt/Basel-Landschaft und Bern. Die Studie zeigt, dass im gesamtgesellschaftlichen politischen und medialen Diskurs zur Opferhilfe die Opfer als weiblich hergestellt werden und Männlichkeit sich als unvereinbar mit dem Opferstatus konstituiert. Dieser wirkungsmächtige Diskurs kann auf der Ebene der konkreten Umsetzung der Opferhilfe in den Kantonen zumindest teilweise durchbrochen werden. Durch ein ausbalancierendes und zielvorgebendes Handeln der kantonal Verantwortlichen in Richtung der gleichwertigen Berücksichtigung häuslicher und ausserhäuslicher Gewalt eröffnen sich Chancen für den grösseren Einbezug männlicher Gewaltbetroffener in die Opferhilfe.

     

    Keywords: Genderregime, Geschlecht, hegemoniale Männlichkeit, Opferhilfe, Schweiz, Viktimologie

  • Geschlechtergleichstellung durch Wirtschaftsnutzendiskurs

    Geschlechtergleichstellung durch Wirtschaftsnutzendiskurs?

     

    Eine qualitative Untersuchung (un-)gleichheitsgenerierender Mechanismen in der Umsetzung des Schweizerischen Gleichstellungsgesetzes aus diskursiver und geschlechtersensibler Perspektive

    Zusammenfassung: 

    Das Schweizerische Gleichstellungsgesetz (GlG) ist seit 1996 in Kraft und zielt darauf ab, Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern im Erwerbsleben zu reduzieren. Dennoch bleiben geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Erwerbsleben in der Schweiz bestehen. Die vorliegende Studie umfasst fünf wissenschaftliche Beiträge, die zum Verständnis dieser Diskrepanz beitragen. Die Studie wird auf der Grundlage der Genderregime-Perspektive sowie der Perspektive der wissenssoziologischen Diskursanalyse erarbeitet. Diese beiden Perspektiven erlauben es, die in Gesetzen oder Reglementen sowie routinierten Handlungen von Institutionen eingelagerten Deutungen (sogenannte Diskurse) zu untersuchen. Ebenfalls ermöglichen diese Perspektiven einen Fokus auf die AkteurInnen, die diese Diskurse hervorbringen oder umdeuten, sowie die damit verbundenen Folgen, insbesondere in Bezug auf soziale Ungleichheiten. In der Studie werden einerseits (sich wandelnde) Diskurse auf den unterschiedlichen involvierten Ebenen (Gleichstellungspolitik, -programm, Unternehmen) nachgezeichnet und andererseits deren Chancen und Risiken für die betriebliche Gleichstellung aufgezeigt. Die Befunde basieren auf einer qualitativen Studie auf drei Ebenen: erstens der Umsetzung des GlG auf der schweizerischen Bundesebene (1996 bis 2011), zweitens der Umsetzung in einem kantonalen Gleichstellungsprogramm für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie drittens der Umsetzung in einem an diesem Programm teilnehmenden Unternehmen.
    Die Studie zeigt, dass bei der Umsetzung des GlG in Projekte etwa seit der Jahrtausendwende verstärkt mit dem wirtschaftlichen Nutzen betrieblicher Gleichstellungsmassnahmen argumentiert wird. Gleichstellungspolitische AkteurInnen gehen dabei diskursive Allianzen mit wirtschaftspolitischen AkteurInnen und VertreterInnen der Arbeitgebenden ein und passen Gleichstellungsprojekte den Interessen der Arbeitgebenden an. In aktuellen Gleichstellungsprogrammen werden KMU oft nicht adressiert. Wenn sich Programme an KMU richten, wird dieser Wirtschaftsnutzendiskurs jedoch verstärkt hervorgebracht. Mögliche Folge dieses Diskurses ist, dass Unternehmen erreicht werden, die dank dem Diskurs betriebliche Gleichstellungsmassnahmen einführen. Gleichzeitig bestehen aber verschiedene Risiken: Der Diskurs kann Unternehmen legitimieren, nicht an Projekten teilzunehmen oder aber bei einer Projektteilnahme Massnahmen zu implementieren, die nicht auf eine Veränderung von Geschlechterungleichheiten abzielen. Darüber hinaus birgt der Wirtschaftsnutzendiskurs das Risiko, dass er in Interaktion mit in Betrieben vorherrschenden Vorstellungen zu einer Verfestigung bestehender Ungleichheiten führt – etwa zwischen besser und niedriger Qualifizierten, aber insbesondere auch zwischen Frauen und Männern. 
    Diese Befunde sind relevant, weil der Grossteil der Erwerbspersonen in der Schweiz in KMU arbeitet und daher nicht von Gleichstellungsprojekten adressiert wird oder den skizzierten Risiken des Wirtschaftsnutzendiskurses verstärkt ausgesetzt ist. Die Befunde verweisen insgesamt auf eine beschränkte Reichweite und Wirksamkeit der aktuellen schweizerischen Gleichstellungspolitik. Sie tragen zum Verständnis bei, warum in der Schweiz – trotz den bestehenden Gleichstellungsnormen und -projekten – geschlechtsspezifische Ungleichheiten fortbestehen. Die Studie leistet einen Beitrag zur Verbindung der Analyse der makrosozialen Ebene der Gleichstellungspolitik und der Umsetzungsebene in Programmen und Unternehmen. Sie trägt damit sowohl zur geschlechtersensiblen Wohlfahrtsregimeforschung über das Politikfeld der Gleichstellungspolitik als auch zur Organisationsforschung aus einer geschlechtersensiblen Perspektive bei und bietet eine empirisch fundierte Grundlage für die (Weiter-)Entwicklung von Gleichstellungspolitiken.

     

    Link: http://ethesis.unifr.ch 

     

    Förderung: ProDoc des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) der Universitäten Bern/Fribourg: „Gender: Prescripts and Transcripts“ (PDAMP1_127019); Forschungsmodul: „Genderregimes: institutionalisierte Ungleichheiten?“ (PDFMP1_127306)
    Kooperation: Interdiziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) Bern, Institut für Soziologie, Fernuniversität Hagen
    Laufzeit:  11.2009 bis 05.2014

    Gutachterin:  Prof. Dr. Monica Budowski   und Prof. Dr. Sylvia Marlene Wilz

    Kontakt: Dr. Lucia M. Lanfranconi

    Links zu weiteren Webseiten:  http://www.linkedin.com/pub/lucia-m-lanfranconi/83/459/9a3

     

    Publikationen:                     

    • Lanfranconi, Lucia M. und Isabel Valarino (2014). Gender Equality and Parental Leave Policies in Switzerland. A Feminist and Discursive Perspective. Critical Social Policy, 34 (4). Link...
    • Lanfranconi, Lucia M. (2014a). Wirtschaftsnutzen statt Gleichstellungsnormen. Chancen und Risiken des dominierenden Diskurses in der schweizerischen Geschlechtergleichstellungspolitik im Erwerbsleben. Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 40(2), 325-348. Link...
    • Lanfranconi, Lucia M. (2014b). Gleichheit durch individuelle Lösungen? Betriebliche Folgen des Wirtschaftsnutzendiskurses in der aktuellen schweizerischen Gleichstellungspolitik. GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 6(1), 93-110. Link...
    • Budowski, Monica, Susanne Bachmann, Lucia M. Lanfranconi und Anne Kersten (2012). Panel: Kampf um Geschlechtergerechtigkeit bei der Entstehung und Umsetzung von Recht in der Schweiz. In: Estermann, Josef (Hg.). Der Kampf ums Recht. Akteure und Interessen im Blick der interdisziplinären Rechtsforschung (168-172). Beckenried: Orlux.
    • Lanfranconi, Lucia M. (2012a). Kampf um Gleichstellung? Umsetzung des Schweizerischen Gleichstellungsgesetzes (GlG) von 1996 bis 2011. In: Estermann, Josef (Hg.). Der Kampf ums Recht. Akteure und Interessen im Blick der interdisziplinären Rechtsforschung (190-208). Beckenried: Orlux.
    • Lanfranconi, Lucia M. (2012b). "Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können und müssen kaum Gleichstellungsmaßnahmen durchführen“ – Aussagen und Projekte im Umsetzungsprozess des Schweizer Gleichstellungsgesetzes (GlG) und deren Folgen. FEMINA POLITICA. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 21(2). Link...
    • Kersten, Anne und Lanfranconi, Lucia M. (2011) Rückblick zur Tagung: "Genderregimes: von makrosozialen regulativen Strukturen zur meso- und mikrosozialen (Umsetzungs-) Praxis". Newsletter Lehrstuhl Soziologie, Sozialpolitik und Sozialarbeit (09/2011).
  • Bildung und Auflösung von Paargemeinschaften

    Bildung und Auflösung von Paargemeinschaften: Konsequenzen auf die subjektiven und objektiven Lebenslagen von Frauen und Männern.

     

    In diesem Dissertationsprojekt wird der Frage nachgegangen, inwiefern Bildung und Auflösung von Partnerschaftsgemeinschaften die materiellen und sozialen Lebenslagen von Frauen und Männern bestimmen. Neben dem Einfluss haushaltsbezogener Veränderungen wie die Heirat oder die Bildung von Konsensualpartnerschaften, die Auflösung einer ehelichen Gemeinschaft und die nachfolgende Gründung einer neuen Partnerschaftsgemeinschaft auf die finanziellen Bedingungen, die Zufriedenheit und das psychische Wohlbefinden wird untersucht, inwiefern der soziale Kontext die Einkommenssituation von Frauen und Männern infolge von Partnerschaftsereignissen moderiert. Hierfür werden die unterschiedlichen Einflüsse in Abhängigkeit des gesellschaftlichen Kontextes – mit den zugrunde liegenden kulturellen, ökonomischen und familienpolitischen Rahmenbedingungen – betrachtet. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, wird die Analyse anhand der Längsschnitt-Datenbasis des Deutschen Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und des Schweizer Haushalt-Panels (SHP) durchgeführt. 

     

    Gutachterin: Prof. Dr. Monica Budowski

    Kontakt: maurizia.masia(at)unifr.ch  

    Laufzeit:  2006 - 2013 

     

    Publikationen:

    • Budowski, Monica; Maurizia Masia; Christian Suter (2011). Evénements du couple et bien-être: effets de genre dans le parcours de vie. In: Joy, Dominique; Christine Pirinoli; Dario Spini; Eric Widmer (Hg.), Parcours de vie et insertions sociales. Zürich: Seismo, S. 126-149.
    • Budowski, Monica; Maurizia Masia; Robin Tillmann (2009). Psychological Health: An Analysis of the Intersection of Cumulative Disadvantage and Partnership Events. Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 35(2), 357-376.
    • Masia, Maurizia; Monica Budowski (2009). Trennung, Scheidung oder Gründung einer neuen Lebensgemeinschaft: Auswirkungen von Erwerbstätigkeit, Bildung und Familien­verlauf auf die materielle Lebenssituation. In: Kutzner, Stefan; Michael Nollert; Jean-Michel Bonvin (Hrsg.). Armut trotz Arbeit. Die neue Arbeitswelt als Herausforderung für die Sozialpolitik. Zürich: Seismo, 93-112.
  • Trust in the Police: The Role of Encounters

    Trust in the Police: The Role of Encounters.
    Empirical Analyses for Europe with a special focus on Switzerland (Working Title)

    PhD project, supervised by Prof. Dr. Hans Geser and Prof. Dr. Martin Killias

    Institutional theories argue that trust in institutions is endogenous and influenced by institutional performance. Giddens (1990), for example, shows that positive experiences with representatives of an institution contribute to its trustworthiness. Research has shown that police contacts do indeed play an important role. Based on the theory of procedural justice (Lind and Tyler 1988) it is argued, that the experience of a fair treatment by the police is contributing to the positive picture of them and hence to its trustworthiness, while a negative experience may lead to dissatisfaction and a lower level of trust. 
    Based on this theoretical background, empirical analyses will be done. While part one focuses on police-initiated contacts in Europe, in part two in-depth analyses for Switzerland will be computed. Both parts are based on data of the fifth wave of the European Social Survey (ESS5). Additionally, data of the Swiss Crime Survey 2011 allow elaborating victim-initiated police contacts in Switzerland as well.
    Before doing analyses on the individual level, potential correlations on the national level are elaborated, according to a new data base created out of the ESS5 data.
    Several models are developed, taking socio-demographics (age, gender, and belonging to an ethnic minority, amongst others) and well-being (criminal victimization, life satisfaction, unemployment) into account. A possible cultural effect – measured by social trust – is being used in order to explain country differences in the impact of satisfaction with the police on trust in them. 

    Literature:

    • Giddens, Anthony (1990): The consequences of modernity. Stanford, Calif.: Stanford Univ. Press.
    • Lind, E. Allan, Tyler, Tom R. (1988): The social psychology of procedural justice. New York: Plenum Press.
  • Vers une société sans classes ?

    Vers une société sans classes ? Une évaluation des thèses du déclin des classes sociales : le cas de la société suisse contemporaine

     

    Cette thèse est une contribution empirique au débat au sujet de la fin des classes sociales et porte en particulier sur la société suisse contemporaine. Une série d'hypothèses, formées afin de permettre une évaluation des thèses du déclin des classes sociales, sont formulées dans les domaines de l'évolution de la structure de classe, du travail rémunéré, des ressources économiques et sociales, enfin de la "conscience de classe" (abordée par le biais des intérêts de classe dans la sphère politique). Les analyses se basent, essentiellement, sur les données du Recensement federal de la population et du Panel suisse de ménages. Somme toute, les thèses en question peuvent être réfutées.

     

    The dissertation contributes empirically to the debate on the subject of the end of social classes with reference to contemporary Swiss Society. A series of hypothesis developed to test the assumption of the decline of classes are tested. They refer to different areas: the development of the social structure, paid employment, economic and social resources and “class consciousness” (addressed by class interests in the political sphere). The analyses are based primarily on the Swiss Federal Population Census (1970 to 2000) and the Swiss Household Panel Survey (1999 to 2009). The empirical results suggest that the hypotheses of a decline of classes in Switzerland must be rejected.

  • Wechselwirkungen zwischen migrationspolitischen Regulierungen und Arbeitsverhältnissen von Personen aus dem Asylbereich

    Wechselwirkungen zwischen migrationspolitischen Regulierungen und Arbeitsverhältnissen von Personen aus dem Asylbereich: Aushandlungsprozesse von Arbeiter_innen und Unternehmer_innen in gastronomischen Betrieben

     

    Diese Dissertation untersucht die Wechselwirkungen zwischen migrationspolitischen Regulierungen und Arbeitsverhältnissen von Arbeiter_innen aus dem Asylbereich in gastronomischen Betrieben im Spiegel sozialer Verhältnisse. Im Fokus steht die Frage, wie soziale Differenzierungen hinsichtlich des Aufenthaltsstatus und der geografischen Herkunft der Arbeiter_innen in Betrieben ausgehandelt werden. Auf der Basis problemzentrierter Interviews mit Arbeiter_innen aus dem Asylbereich und Unternehmer_innen sowie einer ethnografischen Forschung in einem Betrieb werden Perspektiven und Handlungen der Akteur_innen unter Berücksichtigung ihrer sozialen Position zueinander in Beziehung gesetzt. Die Resultate zeigen, dass sich die besondere Qualität der Arbeitskraft aus dem Asylbereich durch ihre Fügsamkeit und raumzeitliche Flexibilität auszeichnet, die im Wesentlichen in der Teilauslagerung der Disziplinierung auf der Basis ihres Aufenthaltsstatus begründet liegt.