Chantal Hinni
Dr.
chantal.hinni@unifr.ch
+41 26 300 7736
https://orcid.org/0000-0002-7671-3192
-
Direktor_in,
Regionaler Schuldienst des Heilpädagogischen Instituts
SPC 02 bu. 48
Rue St.-P. Canisius 21
1700 Fribourg -
Oberassistent_in,
Departement für Sonderpädagogik
SPC 02 bu. 48
Rue St.-P. Canisius 21
1700 Fribourg
Biografie
Chantal Hinni ist Doktorassistentin am Departement für Sonderpädagogik und Direktorin des Regionalen Schuldiensts des Heilpädagogischen Instituts.
Nach der Ausbildung zur Primarlehrperson und zur schulischen Heilpädagogin absolvierte sie einen mehrjährigen Entwicklungseinsatz in Namibia und gelangte dadurch zu ihrem Forschungsinteresse an der Schnittstelle von Migration und Behinderung. Sie erwarb anschliessend einen Master in Sonderpädagogik und arbeitete am Departement für Sonderpädagogik der Universität Freiburg in der Abteilung Schulische Heilpädagogik. Ihre Dissertation zum Thema "Sozialkapital von Schülerinnen und Schülern in intersektionellen Perspektiven von Migration und Behinderung" wurde im Cotutelle de thèse von Prof. Dr. Winfried Kronig (Universität Freiburg) und Prof. Dr. Carmen Zurbriggen (Universität Bielefeld) begleitet.
Forschung und Publikationen
- Projekte
Dissertationsprojekt (9/2014 bis 6/2021)
Sozialkapital von Schülerinnen und Schülern in intersektionellen Perspektiven von Behinderung und Migration
Leitung: Prof. Dr. Winfried Kronig, Universität Freiburg (Schweiz), und Prof. Dr. Carmen Zurbriggen, Universität Bielefeld (Deutschland)
Hintergrund des Dissertationsprojekts ist die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, ihrem allgemeinen Wohlbefinden, ihrem Schulerfolg und ihrer sozialen Integration in Anhängigkeit zum regelmässigen und ungehinderten Zugang zu instrumentalen Beziehungen zu wesentlichen Akteurinnen und Akteuren in ihren potentiellen Netzwerken. Diese Beziehungen, das Sozialkapital eines Individuums, übernehmen eine instrumentelle Funktion, wenn sie entweder Ressourcen in Form von Zugang zu Bildungsgängen oder Bildungstiteln generieren oder eine Erweiterung des sozialen Netzwerks ermöglichen. Durch die Unterschiede in der gesellschaftlichen Struktur entstehen Subsysteme sozialer Schichtung, welche durch gesellschaftliche Konstruktionen wie Klasse, Ethnizität, Geschlecht und Behinderung hierarchisch geprägt sind. In diesen gesellschaftlichen Kontexten herrschen für Kinder und Jugendliche unterschiedliche Lebensbedingungen, welche die fundamentalen Entwicklungsprozesse beeinflussen (Stanton-Salazar, 1997, 2011).
Verschiedene Studien zeigen, dass Kinder mit Migrationshintergrund als Herausforderung für die schulische Integration angesehen und dadurch in ihrer Teilhabe am normalen Unterricht behindert werden (z.B. Kronig, 2007). Hinweise, dass behinderte Kinder mit Migrationshintergrund aus voneinander unabhängigen Gründen marginalisiert werden zeigt unter anderem Hughes (2015).
Um den Aspekten der Wechselwirkung sozialer Strukturkategorien Genüge zu tun, wird ein intersektioneller Analyserahmen gewählt. Ursprünglich eingeführt zur Untersuchung der Überschneidungen (Intersektionen) von Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit race, class und gender (Crenshaw, 1989), wurde das Analysewerkzeug Intersektionalität stetig weiterentwickelt und Anfang der 2000er Jahre im deutschsprachigen Raum in die Erziehungswissenschaften übernommen (Lutz, 2001).
Intersektionalität wird zum Sozialkapital mittels der Theorien der Kreuzung sozialer Kreise und des sozialen Tausches in Verbindung gebracht. Die Gemeinsamkeiten dieser theoretischen Grundlagen bestehen einerseits bei den Wechselwirkungen, andererseits bei der Analyse sozialer Ungleichheiten bei unterschiedlichen Machtpositionen. Die Strukturkategorien Migration, Behinderung, soziökonomischer Status und Geschlecht dienen als Indikatoren; sie sind nämlich aus der Literatur als klassische Analysekategorien bekannt und kommen sowohl in der Intersektionalität wie auch bei der Erforschung von Bildungsungleichheiten zur Anwendung. Die Berücksichtigung eines vorherrschenden Machtverhältnisses ist insofern nötig, als Jugendliche untersucht werden, die sich sowohl im Elternhaus wie auch in der Schule in ungleichen Machtpositionen befinden.
So wird die vorliegende Untersuchung von zwei Fragestellungen geleitet:
Die erste Fragestellung untersuchte die Sozialkapitalprofile von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus derselben Stichprobe an zwei verschiedenen Messzeitpunkten. Es wurde der Frage nachgegangen, ob und wie sich das Sozialkapital bei den Probandinnen und Probanden bezüglich der Dimensionen netzwerkbasierte Ressourcen, Vertrauen und Werte unterscheidet.
Die zweite Fragestellung erforschte Effekte der Sozialstrukturkategorien Behinderung, Migration, sozioökonomischer Status und Geschlecht auf die Sozialkapitalprofile der Probandinnen und Probanden beziehungsweise die Wahrscheinlichkeiten auf Grund der Angehörigkeit zu einer oder mehreren dieser Sozialstrukturkategorien einem anderen Sozialkapitalprofil anzugehören.
Neben dem Fokus auf die theoretischen Grundlagen und ihrer Verbindung ist ein gewichtiger Teil der Methode und damit der statistischen Vorgehensweise gewidmet. Da sich die Fragestellung an Gruppen von Personen ausrichtet, ist ein personenbasierter Ansatz, jener der Analyse latenter Klassen, gewählt worden. Die zugrundeliegenden Dimensionen der Indikatorvariablen für Sozialkapital sind jeweils explorativ faktoranalytisch ermittelt worden. Das Gesamtkonstrukt beinhaltet die Analyse latenter Klassen bezogen auf das Sozialkapital der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit den Strukturkategorien Migration, Behinderung, sozioökonomischer Status und Geschlecht als Kovariaten, welche die jeweilige Zusammensetzung der Personengruppen wechselseitig beeinflussen.
Der Vergleich der exemplarischen Anwendung an einer Stichprobe von 1258 Jugendlichen am ersten Messzeitpunkt und 816 jungen Erwachsenen, aus der derselben Stichprobe, am zweiten Messzeitpunkt, zeigt interessante Ergebnisse. So verringert sich, deskriptiv betrachtet, das allgemeine Sozialkapital bei einem Grossteil der Probandinnen und Probanden über die sechs Jahre des Untersuchungszeitraums. Bezüglich der einzelnen Dimensionen sind nur Empathie und allgemeine Werte direkt vergleichbar, da die Indikatoren an beiden Messzeitpunkten vorhanden waren. Die Dimension Empathie ist ähnlich divergierend und die Dimension allgemeine Werte zeigt sowohl beim ersten wie auch zweiten Messzeitpunkt auffallend hohe Werte. Beim freundschaftsbezogenen Sozialkapital kann gesagt werden, dass drei Viertel der Probandinnen und Probanden als Jugendliche über hohes bis sehr hohes Sozialkapital im Bereich des unterstützenden Austausches mit Freunden und Freundinnen sowie Kollegen und Kolleginnen verfügen. Das peerbezogene Sozialkapital beim zweiten Messzeitpunkt bezieht sich auf bewältigungsstrategische Interaktionen mit Kolleginnen und Kollegen, wovon nur ein Viertel der jungen Erwachsenen berichten.
An den einzelnen Messzeitpunkten können nur wenige Effekte der Sozialstrukturkategorien auf die Klassenzugehörigkeitswahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Es zeigt sich, dass die vorhandenen Effekte sowohl erwartet wie auch unerwartet sind. Damit eröffnen sich verschiedene Diskussionsmöglichkeiten.
Beim ersten Messzeitpunkt berichtet ein Drittel der Jugendlichen über allgemein hohes bis sehr hohes Sozialkapital. Weiter lassen sich drei Gruppen bezüglich schulbezogenem Sozialkapital unterscheiden. Diese zeigen in den anderen Dimensionen einerseits einheitliche (Kontrolle der Eltern, allgemeine Werte) und andererseits unterschiedliche Werte (Empathie, emotionale Nähe und Peers). Auf der Indikatorebene fällt auf, dass in allen vier Klassen wenig bis mittlere strenge Kontrolle der Eltern und sehr hohe allgemeine Werte vorkommen. Das erstgenannte Phänomen ist insofern interessant, als es sich dabei um das bonding social capital mit seinen kontrovers diskutierten Funktionen und Auswirkungen handelt. Auffällig ist auch, dass das schulbezogene Sozialkapital breiter streut als das elternhausbezogene. Bezüglich der Kovariaten beim ersten Messzeitpunkt ist das Ergebnis erwähnenswert, das Jugendlichen mit Migrationshintergrund und tiefem sozioökonomischem Status attestiert ein geringeres Risiko allgemein tieferes Sozialkapitals zu haben. Auch verringert sich für Mädchen die Wahrscheinlichkeit über weniger Empathie, weniger schulbezogenes und weniger elternhausbezogenes Sozialkapital zu verfügen. Die beiden letzteren gelten auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Beim zweiten Messzeitpunkt berichtet fast die Hälfte der jungen Erwachsenen über allgemein tiefes Sozialkapital. Die drei anderen Gruppen zeigen Unterschiede bei der Empathie, welche von sehr tief bis sehr hoch rangieren, sowie Ähnlichkeiten bei der sozialen Verantwortung, welche im mittleren Bereich liegen. Wiederum fällt auf, dass in allen vier Klassen die Ausprägungen im Bereich allgemeine Werte sehr hoch sind. In Bezug auf die Kovariaten sind Effekte der zentralen Kategorien Behinderung und Migration gänzlich abwesend. Hingegen können zwei Geschlechtereffekte nachgewiesen werden. So haben junge Frauen eine sehr viel grössere Wahrscheinlichkeit als junge Männer, einer der Klassen mit höheren Empathiewerten anzugehören. Ein niedriger sozioökonomischer Status verringert hingegen das Risiko, allgemein tiefes Sozialkapital zu haben.
Die Ergebnisse werden in Hinblick auf die Zielsetzung, die Fragestellungen, den Forschungstand und auf die zugrunde liegenden Theorien eingeordnet und diskutiert. Weiter wird die methodische Vorgehensweise einer kritischen Betrachtung unterzogen. Den Abschluss bilden die Schlussfolgerungen mit Fazit und Ausblick bezüglich weiterer Forschungsdesiderata und möglicher praktischer Implikationen.
Das Dissertationsprojekt wurde von von swissuniversities mit einem Förderbeitrag Cotutelle de thèse von Fr.10'000.- unterstützt.
- Publikationen
Dissertation
Hinni, C. (2022). Sozialkapital intersektional. Eine empirische Untersuchung an der Schnittstelle Behinderung und Migration. transcript. https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6058-6/sozialkapital-intersektional/
Publikationen (peer-reviewed)
Zurbriggen, C., Venetz, M. & Hinni, C. (2018). The quality of experience of students with and without special educational needs in everyday life and when relating to peers. European Journal of Special Needs Education. 1-16. https://doi.org/10.1080/08856257.2018.1424777
Orthmann Bless, D., Hinni, C. & Hellfritz, K.-L. (2018). Zwei Mütter – zwei Kinder. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 87(1), 27-41. http://dx.doi.org/10.2378/vhn2018.art03d
Müller, C. M., Hofmann, V., Hinni, C., Müller, X., Begert, T. & Zurbriggen, C. (2016). Häufigkeitsunterschiede von Cyberviktimisierung zwischen verschiedenen Bildungsgängen – Das Ergebnis unterschiedlicher Mediennutzung? Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 38(2), 199-200. https://doi.org/10.24452/sjer.38.2.4977
Publikationen (editor-reviewed)
Orthmann Bless, D. & Hinni, C. (2021). Von der Geburt bis zum 2. Lebensjahr. Ergebnisse einer Längsschnittstudie zur Entwicklung von Kindern intellektuell beeinträchtigter Mütter in der Schweiz. In D. Orthmann (Hrsg.), Elternschaft bei intellektueller Beeinträchtigung (S. 107-127). Beltz. https://www.beltz.de/produkt_produktdetails/45448-elternschaft_bei_intellektueller_beeintraechtigung.html
Hinni, C. (2018). Der Mehrwert intersektioneller Perspektiven für die sonderpädagogische Forschung. In Denknetz (Hrsg.), Jahrbuch Denknetz 2018 (S. 110-115). edition 8. https://www.denknetz.ch/jahrbuch-2018/
Hinni, C. & Zurbriggen, C. (2018). Intersektionalität in der Sonderpädagogik. Perspektiven für die Analyse der Wechselbeziehungen von Behinderung und anderen Ungleichheitsdimensionen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbarsgebiete, 87(2), 167-172. http://dx.doi.org/10.2378/vhn2018.art17d
Weitere Publikationen
Hinni, C. (2019). Rezension: Schildmann, Ulrike; Schramme, Sabrina; Libuda-Köster, Astrid (2018): Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 88(3), 253. http://dx.doi.org/10.2378/vhn2019.art34d
Hinni, C. (2017). Rezension: Amirpur, Donja: Migrationsbedingt behindert? Familien im Hilfesystem. Eine intersektionale Perspektive. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 86(2), 175-176. http://dx.doi.org/10.2378/vhn2017.art18d
Zurbriggen, C., Orthmann Bless, D., Estermann, V., Duss, I., Hess, R. C., Hinni, C., ... Wüthrich, L. (2014). Adaptive Kompetenzen von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung (Forschungsbericht). Heilpädagogisches Institut der Universität Freiburg.
Öffentliche Mandate
- Mandate und Mitgliedschaften
Mitglied des Forschungskommitees Bildungssoziologie der Schweizerischen Soziologischen Gesellschaft (SGS)
Mitglied der Arbeitsgruppe Empirische Sonderpädagogische Forschung (AESF)
Mitglied der Schweizerische Gesellschaft für Bildungsforschung (SGBF)
Prüfungsexpertin an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH)
Vorstand Zentrum für Migration und Behinderung (zemib)