Stephan Bernath 

45 Jahre, Institutionsleiter des Aeschbacherhuus


Wie bist du zu diesem Studium gekommen und weshalb hast du dich dafür entschieden?

Während der Kantonsschulzeit in Schaffhausen entschied ich mich, zuerst das Primarlehrerstudium zu absolvieren und anschliessend einen universitären Abschluss einer sozialen Richtung anzustreben. Dabei war es mir wichtig, einen Abschluss zu machen, der mich auf die konkrete, praktische Arbeit vorbereitete. Die vielfältigen Möglichkeiten im Wissenserwerb aber auch das universitäre Leben zogen mich nach Fribourg. Ich erinnere mich noch, dass der Infotag spannend war, der ganze Anmeldungsprozess sehr gut funktionierte und ich meine notwendigen Vorpraktika flexibel gestalten konnte. Weshalb ich nicht die Ausbildung zum schulischen Heilpädagogen startete, kann ich nicht genau wiedergeben. Das Unterrichten und Bewerten von Kindern im Schulsetting reizte mich zu wenig, was sich in späteren Stellvertretungsfunktionen bestätigte. Ich entschied mich also klinische Heilpädagogik und Sonderpädagogik zu studieren.

 

Welchen Herausforderungen bist du im Studium begegnet? Welche Kompetenzen braucht man deiner Meinung nach für dieses Studium?

Mich an Herausforderungen nach beinahe 20 Jahren zu erinnern, ist schwierig. Mir ist die universitäre Ausbildung in guter Erinnerung. All die Seminare, Kolloquien, Vorlesungen aber auch all die zusätzlichen Möglichkeiten, welche die Universität damals geboten hat, waren für mich spannend. Als wenig erfolgreich erinnere ich mich an den Versuch das Studium zweisprachig zu machen. Glücklicherweise konnte ich das Projekt dann auch wieder beenden. Als wichtige Kompetenzen erachte ich die selbständige, termingerechte Arbeitsorganisation. Zudem muss man sich voll und ganz auf die Themen einlassen können und sich damit auseinandersetzen. Es lag in der eigenen Verantwortung das Studium dadurch spannend zu gestalten. Die wichtigste Kompetenz für diese Fachrichtung liegt aber wohl darin, dass man ein grosses Interesse und eine hohe Empathiefähigkeit für Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit unterschiedlichsten Herausforderungen aufrichtig und authentisch zeigen kann.

 

Was hast du in diesem Studium gelernt? Was hilft dir nun besonders in der Praxis?

Ich lernte die Vielseitigkeit der Arbeitsbereiche im heilpädagogischen wie auch sozialpädagogischen Bereich kennen. Vorlesungen zur Psychopathologie oder allgemeiner Pädagogik sind mir heute noch in Erinnerung und ich profitierte davon. Ein wichtiges Learning war jedoch nicht nur der Wissenserwerb, sondern meine eigene Arbeits- und Lernorganisation, sowie das Erstellen von größeren, schriftlichen Arbeiten. Das Verfassen von Berichten, Protokollen oder sonstigen schriftlichen Unterlagen fällt mir dadurch relativ einfach.

 

Was hast du nach dem Bachelor gemacht?

Nach dem Bachelor trat ich meine erste Anstellung im Massnahmenvollzug auf einer geschlossenen Knaben-Gruppe an. Diese erste Arbeitserfahrung war zwar intensiv und herausfordernd, aber sie bleibt mir in guter Erinnerung. Nach vier Arbeitsjahren entschied ich mich wieder ans HPI zu gehen und den Master in Sonderpädagogik zu absolvieren. Da in dieser Zeit unsere beiden Kinder zur Welt kamen, war diese Zeit sehr anspruchsvoll. Nach dem Master konnte ich ein erstes Mal eine Teamführungsaufgabe übernehmen und leitete dann während mehreren Jahren zwei Jugendwohngruppen.

Weitere Arbeitsstellen im Jugendbereich mit Führungsverantwortung und fachlichen Weiterbildungen im Rahmen von CAS-Kursen sowie Führungsausbildungen, bzw. einer Managementausbildung haben dann dazu geführt, dass ich nun als Institutionsleiter des Aeschbacherhuus arbeiten kann. Im Aeschbacherhuus werden auf vier Wohngruppen 28 Vorschulkinder betreut. Weiter führen wir ein Eltern-Kind Angebot, in welchem wir vier Familiensysteme ebenfalls intern betreuen.

Eigentlich war ich stets davon überzeugt, nie eine gesamte Institution führen zu wollen. Ich hätte mir vorstellen können eine pädagogische Leitung zu übernehmen. Nun führe ich dennoch die gesamte Institution und ich bin sehr glücklich darüber. Ich bin froh, konnte ich nach den universitären Ausbildungen auch im Rahmen einzelner Weiterbildungen vielseitige Ausbildungs- und Arbeitserfahrungen sammeln. Dass ich mit der Primarlehrerausbildung und einigen Stellvertretungen an Schulen zum einen, sowie meinen Erfahrungen im stationären Arbeitsumfeld zum anderen, den Zugang zu beiden Bereichen habe, erleichtert die systemische Denk- und Arbeitsweise, sowie die Arbeit im Bildungs- und Erziehungskontext.

 

Und was ist das Interessante an dem Job, den du nun ausübst?

Es macht mir Freude gemeinsam mit engagierten Mitarbeitenden das Aeschbacherhuus weiterzuentwickeln, Ideen umzusetzen und Bestehendes zu hinterfragen. Ich sehe, dass Ideen, welche gemeinsam entwickelt wurden, gut verankert sind.

Auch wenn ich nicht in der Betreuung mithelfe, esse ich immer wieder auf den Gruppen. Ich möchte die Kinder kennen und wissen, was sie beschäftigt. Auch mal ein Bilderbuch mit ihnen anzuschauen, macht immer wieder Spass. Es scheint ihnen sogar wichtig zu sein, dass sie den «Chef» kennen. Ich stehe daher auch regelmässig mit den Kindern sowie den Eltern in Kontakt. Auch nehme ich an gemeinsamen Lagerwochen teil, da dies besonders erlebnisreiche Tage sind.

Weiter schätze ich es Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zu begegnen. Sei es der obdachlose Vater oder seien es Eltern mit einer Beeinträchtigung. Seien es Nachbarn und sonstige Menschen aus der Bevölkerung, welche sich für unsere Arbeit interessieren. Seien es Behörden und Sozialdienste oder andere Anspruchsgruppen wie bspw. Ausbildungsstätten. Die Vielseitigkeit dieser Arbeit macht den Reiz aus.