Wissenschaftliche Programmatik
Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) forscht zu Fragen an der Schnittstelle von Islam und Gesellschaft. Die Forschung unterliegt folgender wissenschaftlicher Programmatik:
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1. Interdisziplinärer Rahmen: Theologie, Geistes- und Sozialwissenschaften
Als interfakultäres Institut an einer zweisprachigen Universität arbeitet das SZIG in einem interdisziplinären Diskursraum, der Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen auf den gemeinsamen Forschungsgegenstand Islam zusammenführt. Besonderes Augenmerk erfährt dabei die Verschränkung islamisch-selbstreflexiver und gesellschaftsbezogener Ansätze. Methodologisch wird dafür – je nach Forschungsfrage und -projekt – auf unterschiedliche Ansätze aus den Geistes- und Sozialwissenschaften zurückgegriffen, die von kontextualisierenden Textanalysen bis hin zur empirischen Feldforschung reichen. Dieser Zugang fördert eine interdisziplinäre Diskussion mit angrenzenden Disziplinen und setzt zugleich die Anerkennung der Islamisch-theologischen Studien als neue Disziplin voraus. Damit leistet das Institut auch einen Beitrag zur Klärung der Frage, wie sich das neue Fach Islamisch-theologische Studien im europäischen Kontext konkret konfigurieren und in der Schweiz betreiben lässt.
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2. Systematischer und praktischer Forschungsschwerpunkt
Aus dem breiten Spektrum an Forschungsdesideraten legt das SZIG seinen Fokus auf Fragestellungen, die zeitgenössisch und gesellschaftlich von besonderer Relevanz sind. Da solche Forschungsfragen in der Regel mehrere Teildisziplinen eines etablierten islamisch-theologischen Fächerkanons tangieren, arbeitet das SZIG mit einer gängigen Wissenschaftsklassifikation, die zwischen historischer, systematischer und praktischer Forschung unterscheidet, wobei letztere beiden prioritär behandelt werden. Die systematische Forschung zeichnet sich durch eine vertiefte Auseinandersetzung mit islamischen Wissensbeständen aus, die im Zusammenspiel mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen diskutiert und weiterentwickelt werden. Die praktische Forschung nimmt die konkreten Lebenswirklichkeiten und Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen zum Ausgangspunkt und untersucht unter Einbezug empirischer Ansätze soziale Handlungsfelder und gesellschaftliche Interaktionen, die wiederum an Theorien rückgekoppelt werden.
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3. Partizipativer Ansatz
Das SZIG verfolgt einen partizipativen Ansatz, der verschiedene Akteure und Stakeholder im Bereich von Islam und Gesellschaft nicht lediglich als Objekte der Forschung betrachtet, sondern als Subjekte würdigt. Diese kommen nicht nur in der Feldforschung als Interviewpartner zu Wort, sondern wirken auch in verschiedenen Projekten an der Entwicklung des Forschungsgegenstandes mit und werden beim Transfer von Forschungserkenntnissen partnerschaftlich einbezogen. Das bedeutet unter anderem, dass Bedarfsanalysen, dynamischen Austauschformaten und dem Einbezug von Praxisperspektiven besonderes Gewicht beigemessen wird. Damit wird diversen muslimischen Akteuren Raum für Selbstpositionierungen gegeben, die wissenschaftlich reflektiert und eingebettet werden. Der partizipative Ansatz schafft darüber hinaus eine Grundlage dafür, dass Forschungsergebnisse breit rezipiert und gesellschaftlich wirksam werden können.
Thematisches Profil
Das SZIG setzt einen besonderen Akzent auf die Bearbeitung systematischer sowie praktischer Fragestellungen aus den folgenden Feldern:
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1. Tradition, Autorität und Gelehrsamkeit
Der Forschungskomplex zu Tradition, Autorität und Gelehrsamkeit fragt danach, wie religiöses Wissen produziert, legitimiert und weitergegeben wird. Analysiert wird unter anderem, wie sich weltanschauliche Ansprüche in islamischer Absicht im Sprechen und Handeln niederschlagen, in welchem Modus der Kommunikation sie verhandelt werden, wann welche Themen adressiert werden oder welche Personen(gruppen) welches Gewicht in der Meinungsbildung besitzen. Modelle sozialwissenschaftlicher Forschung zur Etablierung von Autorität, etwa durch Amt, Kompetenz oder soziale Integrität, gehören hier genauso zum Spektrum der wissenschaftlichen Ansätze wie theologische Überlegungen zur Gestalt islamischer Offenbarung, Prophetie und historischer Verweise auf eine bewährte religiöse Tradition. Das SZIG entwickelt einen diskursiven Ansatz zur Verhandlung von Geltungsansprüchen, der als kommunikative Schnittstelle verschiedene weltanschauliche Standpunkte und Funktionszusammenhänge zusammenführt und ins Gespräch bringt.
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2. Sozialethik und soziales Handeln
Die sozialethische Forschung fragt nach der strukturellen Gestaltung eines guten und gerechten Zusammenlebens unter den Bedingungen von Pluralismus und (Post-)Säkularität. Dabei werden auch religiöse Ressourcen und ihre Potenziale etwa für die Wohlfahrt, Menschenrechte, Konflikttransformation und Friedensethik diskutiert. Zentrale Forschungsfelder bilden dabei Soziale Arbeit, Seelsorge und religiöse Bildung. Wie und aus welcher Motivation heraus muslimische Organisationen und Individuen gemeinnützige Dienstleistungen erbringen und welche Verbindungen zu bestehenden Wohlfahrtsstrukturen vorhanden sind, wird im Bereich der Sozialen Arbeit erforscht. Im Bereich der Seelsorge wird etwa darüber reflektiert, wie die aus einem praktischen Bedarf heraus erwachsene muslimische Seelsorge im Rahmen säkularer Institutionen religiöse Sinnangebote in die psycho-soziale Begleitung einbringen kann und welche neuen Konzepte sich für deren Grundlegung und Praxis entwickeln lassen. Im Bereich der religiösen Bildung wird ausgelotet, wie sich traditionelle Lehr- und Lernverständnisse und moderne Religionspädagogik aufeinander beziehen lassen und wie religiöse Inhalte im Kontext der Schweiz unter Einbezug hiesiger Lebenswirklichkeiten und Bedürfnisse Orientierung bieten können.
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3. Muslimische Lebenswelten in der Schweiz
Die konkreten Lebensrealitäten von Musliminnen und Muslimen in der Schweiz nehmen als Forschungsthematik einen besonderen Stellenwert ein. Hierzu gehören Aspekte der religiösen Identität, des Gemeindelebens und der Religionspraxis im Kontext einer postmigrantischen Gesellschaft. Diese sind eingebettet in einen gesellschaftlichen Diskursrahmen, der Fragen zur religionspolitischen Steuerung, öffentlich-rechtlichen Anerkennung, Radikalisierung und Prävention sowie Qualifizierung von Imamen und religiösen Betreuungspersonen aufwirft. Ausgehend von den vielfältigen Erfahrungshorizonten von Musliminnen und Muslimen werden durch die Forschung religiöser Weltdeutungen und Selbstpositionierungen – z.B. wie sich der Umgang mit religiöser Autorität konkret im Feld abbildet oder wie Seelsorge umgesetzt wird – sichtbar gemacht, wissenschaftlich reflektiert und theoretisch rückbezogen. Das SZIG öffnet so einen Raum für die Artikulation und Einordnung vielfältiger Weltdeutungen und religiöser Lebenswirklichkeiten und begleitet auf diese Weisegesellschaftliche Debatten.