Das Wort der RektorinPublikationsdatum 09.01.2020

Diversität – Nichtdiskriminierung – Gleichstellung


Diese in verschiedenen Kontexten bedeutsamen Konzepte knüpfen an grundlegende menschenrechtliche Garantien an und bilden ein Fundament unseres Rechtsstaates. So darf nach Art. 8 der Bundesverfassung niemand diskriminiert werden, insbesondere nicht aufgrund der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der Überzeugung oder wegen einer Behinderung. Auch die Statuten unserer Universität verpflichten diese auf die Achtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung in all ihren Tätigkeiten (Art. 9 der Universitätsstatuen). In diesem Sinn entfaltet die Universität auch ganz unterschiedliche Aktivitäten und Initiativen. Als Beispiele seien hier die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs für Studierende, diverse Sensibilisierungsaktivitäten (wie z.B. die der Thematik LGBT+ gewidmete Ausgabe des Wissenschaftsmagazins universitas), die Existenz einer Ombudsstelle oder jüngst der Beitritt zu trans welcome, ein Projekt von Transgender Network Switzerland, genannt.

Gleichzeitig ist die Universität der Wissenschaftsfreiheit, der Freiheit von Lehre und Forschung sowie der Meinungsäusserungsfreiheit verpflichtet und hat den Persönlichkeitsschutz aller Angehörigen der Universitätsgemeinschaft zu gewährleisten. Die Abgrenzung zwischen der Wahrnehmung der erwähnten Freiheiten und der Achtung des Gebots der Nichtdiskriminierung kann dabei durchaus Schwierigkeiten bereiten. Hier gilt allgemein, dass alle Meinungen – immer soweit sie die Grundsätze einer freiheitlich-demokratischen Ordnung nicht verletzen – zu achten sind und geäussert werden dürfen; andere Meinungen sind – auch wenn sie einem nicht passen – zu ertragen. Und die Frage, ob eine bestimmte Äusserung diskriminierend ist oder nicht, ist auf der Grundlage der geltenden Rechtsordnung und damit objektivierbar zu beantworten; die Deutungshoheit liegt damit gerade nicht bei jedem Einzelnen, ganz abgesehen davon, dass man sich über Konzepte der Nichtdiskriminierung und ihrer Durchsetzung trefflich streiten kann.

In diesem Sinn ist gerade die Universität als offene und liberale Gemeinschaft der Ort, an dem Auseinandersetzungen über gewisse Werte, Grundsätze und Handlungsoptionen im Diskurs geführt werden. Eine Einengung des öffentlich Sagbaren per se (also jenseits der Einhaltung der Rechtsordnung) widerspräche dem wissenschaftlichen Grundprinzip, dass auch Gewissheiten und (scheinbar) klare Konzepte in Frage gestellt werden können und Differenzen diskursiv und argumentativ anzugehen sind. Die Universität lebt von dieser partizipativen und diskursiven Kultur, die es letztlich ermöglicht, die Kraft von Gegensätzen und Vielfalt zu entdecken. Und sie lebt von uns allen als engagierte Mitglieder der Universitätsgemeinschaft, die sich an diesem Diskurs beteiligen.

Ich freue mich auf viele spannende Diskussionen in diesem Geist im neuen Jahr, für das ich Ihnen und Ihren Familien meine besten Wünsche übermittle.

Astrid Epiney
Rektorin

Photo: Pierre-Yves Massot