Editorial
Therese starb im Juli 2013 mit 64 Jahren an Alzheimer. Ihr Leiden dauerte an die 15 Jahre, niemand weiss, wann genau es angefangen hat – bis auf sie selber. Therese kannte den Teufel, der in ihr wohnte ganz genau. Als es ihr noch gut ging, hat sie jahrelang ihren ebenfalls an Alzheimer erkrankten Vater gepflegt. Wann hat sie gemerkt, dass ihre Schussligkeit nicht mehr als solche zu erklären ist? Wann hat sie es gewagt, diesen Gedanken zuzulassen? Wie alleine sie sich dabei gefühlt haben muss. Therese brachte es nicht über sich, den sicherlich wachsenden Verdacht mit ihren Nächsten zu teilen. Im Gegenteil: Mit viel Fantasie hat sie lange und immer wieder neu versucht, bestimmte von der Familie bemerkte Verhaltensweisen zu erklären und zu überspielen. Wie lange musste sie dieses Verstecken des Unaussprechlichen erdulden? Hat sie es gewusst? Oder nur geahnt? Oder gänzlich verdrängt? Die Frage, wie es ihr in dieser Zeit der ersten Krankheitssymptome ergangen ist, wird nie eine Antwort erhalten. Aber sie lässt mich nicht los, gerade weil die Früherkennung bei Alzheimer von grosser Wichtigkeit ist, wie unser Themendossier «Leben in Erinnerung» aus verschiedenen Perspektiven aufzeigt. In wissenschaftlicher Hinsicht sind diesbezüglich enorme Fortschritte gemacht worden; mittlerweile ist es möglich anhand von Biomarkern, über Speichel oder Blut etwa, gewisse Veränderungen im Gehirn sehr früh zu erkennen und die betroffene Person entsprechend zu therapieren.
Was früh erkannt werden soll, darf nicht versteckt werden. Alzheimer ist nicht peinlich; es ist eine Krankheit und keine Schande. Noch ist leider keine Heilung möglich. Eine Therapie ist aber in der Lage, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen; Symptome können behandelt werden. Nicht zuletzt befreit der Gang zum Arzt sowohl die Betroffenen wie auch deren Umfeld von einer grossen Last.
Mit einem besonderen Gedanken an meine Tante.