Dossier

Die Schule erreicht das digitale Zeitalter

Der Lehrplan 21 legt die Kompetenzen fest, die die Deutschschweizer Schülerinnen und Schüler in ihrer obligatorischen Schulzeit erlernen sollen. Dazu gehört auch das neue Fach «Medien und Informatik» – eine Herausforderung auf verschiedenen Ebenen.

Mit der Erarbeitung eines gemeinsamen Lehrplans für die Volksschule hat die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) den 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantonen die Möglichkeit gegeben, den Artikel 62 der Bundesverfassung umzusetzen, das heisst, die Ziele der Schule zu harmonisieren. Kompetenzen, die im Zusammenhang mit sozialen Medien gefordert sind, werden im Modul «Medien und Informatik» definiert. Die Schülerinnen und Schüler sollen damit auf die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft vorbereitet werden. Im Fokus steht dabei die Fähigkeit, Medien und ihre Bedeutung für die Gesellschaft zu verstehen, kritisch zu hinterfragen und kompetent und verantwortungsvoll zu nutzen. Ausserdem sollen die Schülerinnen und Schüler verstehen, welche technischen Mechanismen hinter den digitalen Medien stecken, damit sie diese Grundkonzepte der Informatik nutzen können, um eigene Probleme zu lösen. Schliesslich sollen sie auch befähigt werden, Hard- und Software zu nutzen, um Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schule, im Alltag und im Berufsleben einsetzen zu können.

Im Zyklus I, der die ersten vier Jahre einschliesslich Kindergarten umfasst, soll die Medienkompetenz fächerübergreifend aufgegriffen werden. Ziele des ersten Zyklus sind etwa, dass die Kinder ein Gerät einschalten und sich anmelden können oder dass sie lernen, Medien stufengerecht kreativ zu nutzen und sich über ihre eigene Medienerfahrung auszutauschen. In den Zyklen II (3.– 6. Schuljahr) und III (Sekundarstufe 1) empfiehlt der Lehrplan, dass die Schülerinnen und Schüler mindestens zwei Stunden Medien und Informatik pro Woche besuchen, um zentrale, grundlegende Themen systematisch zu erarbeiten. Im dritten Zyklus sollen sie unter anderem lernen, die Absicht hinter Medienbeiträgen zu erkennen, Medien zur Veröffentlichung eigener Ideen zu nutzen und Algorithmen für Computerprogramme mit Variablen und Unterprogrammen zu erstellen. Auf Gymnasialstufe ist das Fach Informatik ein Pflichtfach.

Im Herbst 2014 wurde die Vorlage des Lehrplans 21 von den Deutschschweizer Erziehungsdirektorinnen und-direktoren freigegeben. Die Verantwortung für die Einführung obliegt aber den Kantonen, wobei diese 21 Kantone die Einführung des Lehrplans ab spätestens 2020 beschlossen haben. Freiburg führt den Lehrplan 21 in Deutschfreiburg auf das Schuljahr 2019/20 ein und wird die Inhalte von Medien und Informatik bis zur vierten Klasse fächerübergreifend unterrichten. Im zweiten und dritten Zyklus ist in der fünften bis siebten Klasse eine Jahreslektion Medien und Informatik vorgesehen. Zum heutigen Zeitpunkt hat rund die Hälfte der 21 Kantone diesen eingeführt. Die andere Hälfte startet die Einführung gerade oder hat sie geplant. Die Tatsache, dass alle deutsch- und mehrsprachigen Kantone die Umsetzung des Lehrplans 21 beschlossen haben, ist dabei nicht selbstverständlich. Da die Kantone die Hoheit über die Bildung haben, haben verschiedene Akteure die Möglichkeit, ihr Veto einzulegen, was Reformen erschwert. In Bezug auf die Anzahl Stunden des Fachs «Medien und Informatik» setzen die Kantone allerdings weniger als die empfohlenen Stunden um. Die meisten Kantone unterrichten während vier Jahren eine Lektion «Medien und Informatik» pro Woche. In Freiburg werden es drei Jahre sein.

 

 

unifr #lehrplan21 #schule2.0 #harmosinaction #medienundinformatik  ©stemutz

Die Effektivität des neuen Fachs «Medien und Informatik» wird von der Befähigung der Lehrpersonen in der Aus- und Weiterbildung und der Qualität und Attraktivität der Lehrmittel abhängen. Lehrmittel für die Fächer sind momentan noch knapp, neue Lehrmittel sind noch in Erarbeitung. Daneben stellen die knappen Ressourcen die zentrale Herausforderung dar. Eine Umfrage im Schul-leiterverband hat ergeben, dass der Lehrplan 21 und der digitale Wandel die Schulleiterinnen und Schulleiter herausfordern und sie dafür viel Zeit brauchen. Die Lehrerschaft muss sich umstellen für den Unterricht nach den neuen harmonisierten Lehrplänen. Die schnelle Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und die Auswirkungen auf die Gesellschaft erfordert eine laufende Anpassung des Lernplanmoduls «Medien und Informatik», insbesondere auch bei der Aus- und Weiterbildung. Ein Rektor sagte in einem Interview: «Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler wird in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt».

Neben den erforderlichen kontinuierlichen Anpassungen in der Aus- und Weiterbildung der Lehrerschaft und der Schulleitungen gilt es auch der Infrastruktur (Geräte, Software aber auch Berücksichtigung neuer Lehr- und Lernformen bei der Ausgestaltung und Nutzung der Schulgebäude) und ihrer Anwendung Beachtung zu schenken. Auch hier haben sich Freiburg und die anderen Kantone auf den Weg gemacht. Es gilt nun, diesen weiter zu gehen, damit die Schülerinnen und Schüler in der Volkschule die Informatik- und Medienfähigkeiten erlernen, die es in Zukunft braucht und ihnen die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, um sich als aufgeklärte und kritische Bürgerinnen und Bürger in der heutigen Informationsgesellschaft zu bewegen.

 

Unsere Expertin Regula Hänggli ist Professorin am De­partement für Kommunikationswissenschaft und Me­dien­forschung (DCM) der Universität Freiburg. Sie forscht zu Herausforderungen der Demokratie, Meinungsbildungsprozessen, Digitalisierung und deren gesell­schaftlichen Folgen.

regula.haenggli@unifr.ch