Editorial
Stellen Sie sich aufrecht hin. Verteilen Sie Ihr Gewicht gleichmässig über die Fusssohlen. Die Beinmuskulatur ist aktiv und zugleich unangestrengt. Der Bauch leicht angespannt, die Schultern entspannt und etwas nach hinten gerollt. Drehen Sie die Innenseiten der Ellenbogen nach vorne, um Platz im Brustkorb zu schaffen. Schultern, Hüfte, Knie und Knöchel bilden eine Linie. Entspannen Sie Ihr Gesicht und schliessen Sie die Augen. Nehmen Sie Ihren Atem bewusst wahr und wenden Sie den Fokus nach innen.
Tadasana, die Berghaltung, ist die Ausgangsposition für viele stehende Stellungen im Yoga. Der gleichmässige Stand auf beiden Füssen ist Sinnbild für Stabilität und Gelassenheit im Leben. So wie ein Berg nicht den Ort wählt, an dem er steht, so wählen auch wir nicht immer, wo uns das Leben gerade hinführt. Nicht umsonst hat die Beständigkeit und Standfestigkeit der Berge eine beruhigende Wirkung auf viele. Und so soll auch Tadasana, regelmässig ausgeführt, uns erden und stärken können.
Tadasana ist auch Symbol für den Weltenberg Meru in der indischen Mythologie. Der Mythos besagt, dass dessen Gipfel sich in den unendlichen Weiten des Himmels verliert und dessen Wurzeln bis ins Innerste der Erde reichen. Die Sonne, der Mond und die Sterne sowie alle Planeten, so die Mythologie, drehen um den Meru. Alles Wasser entspringt seiner Quelle. Wir alle, so heisst es, tragen mit der Wirbelsäule ein Abbild des Mount Meru in uns, gleich einer Achse, die unsere zwei Pole verbindet: Die Verankerung in der Erde, auf der wir leben und die uns nährt und der Kosmos, in welchem unser Geist sich entfalten kann.
Ich wünsche Ihnen, liebe Autor_innen und liebe Leser_innen, einen wunderschönen Sommer. Vielleicht haben Sie das Glück, mal einen Gipfel zu erklimmen oder eine schöne Wanderung zu machen. Und wenn nicht: Holen Sie den Berg zu sich nach Hause. Tadasana.