Portrait

Mit Bauchgefühl an die Spitze

Sie ist so bekannt wie bescheiden: Die stellvertretende Generaldirektorin der SRG und Direktorin der Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) über Fleiss, Herzlichkeit und Durchhaltewillen.

Ladina Heimgartner, wie viele Stunden hat Ihr Tag?

Ich arbeite viel und sehr gerne. Mein Tag beginnt um halb sieben, der Feierabend hat keine fixe Zeit. Wichtig sind mir kleine Pausen, etwa wie heute, da bin ich für unser Gespräch zu Fuss zum Marzili runtergelaufen. Oder ich schaue mal eine Serie während einer Zugfahrt. Eine strikte Trennung zwischen Arbeitstag und Freizeit ist mir nicht so wichtig.

 

Sie waren ja selber Journalistin: Welche Frage stellen Sie der Frau, die seit Monaten immer wieder in den Medien auftaucht – sei es als Quotenfrau, als Retterin der SRF oder als sympathische Bündnerin?

Meine Stellung als Frau wird häufig angesprochen und ist offenbar ein Anliegen. Entsprechend würde wohl auch ich eine solche Frage stellen. Etwa: Was würden Sie jungen Frauen raten, die Karriere machen möchten?

 

Und die Antwort?

Es ist zweifelsohne ein Vorteil, workaholische Tendenzen zu haben. Man darf sich nicht hinter dem Schreibtisch verstecken und hoffen, der Chef komme nicht noch mit mehr Arbeit. Ganz wichtig auch: Man darf nicht zu stolz sein, sich fördern zu lassen. Und man muss Gelegenheiten schaffen, Menschen treffen, Kontakte pflegen. Aber: Frauen sollten vermeiden, sich wie Männer zu benehmen, sobald sie in Führungspositionen sind oder eine solche übernehmen möchten.

 

Sie haben an der Uni Freiburg Germanistik und Rätoromanisch studiert. Was hat Sie nach Freiburg geführt?

Ganz simpel: Dass einige aus meiner Klasse nach Freiburg gingen. Auch die Wahl des Studienfachs war nicht gross durchdacht. Ich war gut in Deutsch: Also Germanistik. Zuerst habe ich noch Anglistik studiert, dann aber zu Rätoromanisch gewechselt. Aber nur, weil da so symphatische Leute waren. Ich würde ja gerne erzählen, dass meine Studienwahl profunde Gründe hatte… aber ich habe die Bauchentscheide nie bereut!

 

Also keine Karriereplanung?

Nein, ganz und gar nicht. Ich war schon immer zielstrebig, ja. Aber geplant habe ich meine Karriere nicht. Ich hatte nicht einmal den Plan, in den Journalismus einzusteigen. Ich habe mich während des Studiums bei den «Freiburger Nachrichten» und dem «Bündner Tagblatt» beworben, um meinem Vater zu beweisen, dass ich sicher nicht genommen werde. Beide haben mich genommen.

 

Welche Erinnerungen haben Sie an den Lokaljournalismus bei den «Freiburger Nachrichten»?

Ich kam da ziemlich auf die Welt! Als ich zum ersten Mal nach Givisiez an eine Gemeindeversammlung musste, habe ich vor Ort erst begriffen, dass da ja Französisch gesprochen wird. Ich verstand nicht mal das Wort «Stimmenzähler» und war froh, dass mir eine welsche Kollegin geholfen hat. Aber grundsätzlich hat mich die Arbeit im Lokaljournalismus sehr begeistert.

 

 

© stemutz

Wann kam der Schritt zur Managerin?

Der ist schleichend passiert. Zwei Tage nach meiner letzten Prüfung an der Uni konnte ich beim «Bündner Tagblatt» das Kulturressort übernehmen. Nach einer gewissen Zeit wechselte ich zur SRG. Auch dort wurde mir bald schon eine Ressortleitung angeboten. Plötzlich hatte ich 20 Leute zu betreuen, Radio, Fernsehen, Online… alles schön konvergent. Darunter waren auch Fernsehredaktoren, die hätten nicht nur mein Vater, sondern fast mein Grossvater sein können. Und ich mit 27 musste diese Leute führen. Das war eine anspruchsvolle Zeit.

 

Wie stehen Sie der angesprochenen Medienvermischung gegenüber?

Ich glaube, man muss dies differenziert betrachten. An den «konvergenten» Menschen als Schablone für alle glaub ich nicht. Es gibt zwar Redaktorinnen und Redaktoren, die ein Talent für verschiedene Medien haben und dieses sollten sie auch ausleben können. Andere sind stark mit einem Medium verbunden – und sollten sich dort vertiefen dürfen.

 

Es ist ja geplant, dass das Radiostudio Bern nach Zürich umzieht und dort ein grosser Newsroom entsteht. Viele in Bern ansässige Medienschaffende wehren sich gegen diesen Umzug. Können Sie diese Abwehrhaltung verstehen?

Ich kann sie verstehen, ja. Ich sehe aber auch die andere Seite. Das Prinzip des Newsrooms hat in den letzten Jahren leider etwas gelitten. Ein Newsroom ist ja nicht per se schlecht. Wichtig ist die publizistische Grundhaltung. Ob die Menschen in einem Raum sind oder an verschiedenen Orten, spielt keine so grosse Rolle, solange die Vielfalt in der Berichterstattung ein zentraler Wert ist. Aber es gibt natürlich, verbunden mit den Standorten, noch die ökonomischen Aspekte und die Notwendigkeit, das öffentliche Medienhaus weiterzuentwickeln. All diese Aspekte gilt es abzuwägen.

 

Sie sagten nach dem Nein zu «No-Billag», die SRG werde nie mehr dieselbe sein. Was hat sich geändert?

Wir standen vor der «No-Billag»-Initiative quasi vor dem Abgrund, wussten nicht, müssen wir springen oder nicht. Bis zum 4. März bin ich ständig mit zwei Szenarien im Kopf zur Arbeit. Das prägt schon sehr stark. Seit ich dies erlebt habe, haben sich alle anderen Schwierigkeiten relativiert, auch die Sparmassnahmen. Wir, die Mitarbeitenden der SRG, schätzen jetzt noch mehr, was wir leisten dürfen für das Land.

 

Ladina Heimgartner (38) ist im Unterengadin aufgewachsen und hat an der Universität Freiburg Germanistik und Romanistik studiert. Sie begann ihre jour­nalistische Laufbahn 2001 als freie Mit­arbeiterin der «Freiburger Nachrichten» und als Mitarbeiterin des «Bündner Tagblatt». 2014 wurde Heimgartner Direktorin von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR); im Herbst 2017 erfolgte die Berufung zur stellvertretenden Generaldirektorin der SRG. Daneben amtet sie unter anderem als Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Kommuni­kations- und Medienwissenschaft, Vizepräsidentin des Museumsrats des Schweizerischen Nationalmuseums und Mitglied der Eidgenössischen Medien­kommission.

Fotos © stemutz,  Video Christian Doninelli