«Die Universität soll kein Raumschiff sein»

«Die Universität soll kein Raumschiff sein»

Einmal im Monat geschieht in der Kirche des Franziskanerklosters etwas ganz Besonderes: sie füllt sich mit besonders vielen Studierenden und Dozierenden, die vor und hinter den Kulissen des Gottesdienstes mit der Freiburger Gemeinde zusammenkommen. Wir waren live vor Ort, um mehr über das aussergewöhnliche Konzept zu erfahren.

Das Franziskanerkloster «Heilig Kreuz» ist das älteste noch aktive Kloster des Franziskanerordens in der Schweiz. Wer vorne in der Kirche Platz nimmt, sitzt auf dem ältesten vollständig erhaltenen Chorgestühl des Landes. Da, wo sich früher die Mönche aufhielten, sind an jedem letzten Sonntagabend eines Monats nun besonders viele junge Menschen zugegen, darunter alte Hasen, aber auch zahlreiche neue Füchse. Dass hier unterschiedliche Generationen zusammenkommen, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer besonderen Zusammenarbeit: Hinter diesen Messen steht eine generationenübergreifende Projektgruppe «Liturgie», welche vonseiten der Katholischen Universitätsseelsorge den Gottesdienst mitgestaltet. Geleitet und unterstützt wird sie dabei von Prof. Joachim Negel und Universitätsseelsorger Martin Bergers.

Die Messe beginnt jeweils im Chorgestühl. Audio-Auszug mit Gesang. 

Im Chorgestühl spielt sich jeweils der Wortgottesdienst ab. Für die Eucharistiefeier mit der Wandlung der Gaben, also nach katholischem Glauben die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi, bewegen sich die Anwesenden später in einer Prozession zum Kirchenschiff. Joachim Negel, Professor der Fundamentaltheologie an der Theologischen Fakultät und Leiter der elfköpfigen Gruppe, steht der Messe vor.

Nach einem ersten Teil begeben sich die Anwesenden zum Kirchenschiff. Audio-Auszug der Verwandlung.

Nach der weiterhin eher förmlichen Zeremonie ist die Atmosphäre beim darauffolgenden Apéro umso gelassener. Hier haben wir die Gelegenheit am Schopf gepackt, um die Leitenden der Projektgruppe mit ein paar Fragen zu löchern.

Martin Bergers und Joachim Negel, warum ist es wichtig, Universitätsgemeinschaft und Stadtbevölkerung zusammenzuführen?
Martin Bergers: Weil wir mit dieser Zusammenführung gute Erfahrungen gemacht haben. Als das erste Mal Studierende und ältere Leute in den „Exerzitien im Alltag“ abseits dieser Messen zum Austausch über das Gebet zusammenkamen, gab es auf beiden Seiten vorerst Vorbehalte. Ziemlich schnell wurde der Austausch über die Gebetserfahrungen als sehr positiv und bereichernd empfunden. Die älteren Leute freuen sich, dass sich junge Menschen für den Glauben interessieren, die Jungen profitieren dafür von der Lebenserfahrung. Für mich ist es auch hier im Gottesdienst sehr spannend, unterschiedliche Mentalitäten und Kulturen zusammenzubringen.

Joachim Negel: Wenn die Universität kein „Raumschiff“ in Freiburg sein soll, sondern ein Ort der intellektuellen und politischen Auseinandersetzung, dann ist sie ein Ort für die ganze Freiburger Bevölkerung. Wenn wir hier versuchen, eine Liturgie zu etablieren, die speziell Freiburger Universitätsgemeinde anspricht, so geschieht das nicht nur im Blick auf die immatrikulierten Studierenden oder die Dozierenden, sondern wir denken an alle Freiburgerinnen und Freiburger, die Freude an einer ästhetisch feinfühligen und theologisch elaborierten Liturgie haben.

Woran machen Sie den Erfolg Ihrer Messen fest?
Martin Bergers: Als Teil der Uni sind wir Vordenkerinnen und Vordenker – was auch unsere grundsätzliche Aufgabe ist – und experimentieren im Rahmen dieser Messen ein Stück weit. Wir beginnen die Messe deshalb im Chorgestühl, um dort die Gemeinschaft intensiver zu erleben. Hier ist der Gesang lebendiger, die Menschen sind stärker beteiligt. Beim Singen und Beten wirklich dabei sein zu können, ist insbesondere für junge Menschen ansprechend. Wir holen sie im Jahr 2018 ab und feiern gemeinsam mit ihnen. Dieser Prozess ist nichts Verstaubtes, sondern wird mit Leben erfüllt. Dahinter stecken nicht nur der Professor und der Seelsorger, sondern eine ganze Gruppe mit Erfahrungen und Ideen, die gehört und umgesetzt werden. Für das Eine oder Andere braucht es noch ein wenig liturgische Bildung. Das beansprucht Zeit, fördert dafür die Eigenverantwortung.

Sie planen gerade die zweisprachige Eröffnungsmesse, welche am 26. September stattfinden soll. Wie inkludieren Sie dabei die französischsprachigen Studierenden?
Martin Bergers: Die Vorbereitungen verlaufen in Zusammenarbeit mit französischsprachigen Professorinnen und Studierenden. Dabei können unterschiedliche Liturgie-Kulturen beobachtet werden. Es gibt bei französischen Messen z.B. einen sogenannten Animator für die Gesänge, den man auch gut im deutschsprachigen Gottesdienst gebrauchen könnte. Des Weiteren unterscheiden sich Liedtexte inhaltlich und ergänzen sich deshalb gut. Beide Kulturen dürfen in der Messe Platz haben.

Sind Ihnen Geschichten bekannt, die aus diesem Projekt entstanden sind? Besondere Freundschaften oder vielleicht sogar eine Liebesgeschichte?
Martin Bergers: Das Projekt ist noch zu jung, als das sich bereits solche Beziehungen entwickeln könnten, aber in der Universitätsseelsorge haben sich schon zwei Paare gefunden und es gab kürzlich auch eine Verlobung.

Musik und gemeinsames Singen sind wichtiger Bestandteil des Gottesdienstes. Audio-Auszug mit Orgelmusik. 
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  • Webseite der Universitätsseelsorge
  • Kontaktdaten für Interessierte: kug@unifr.ch
  • Telefon: 026 300 71 70 oder 079 350 34 91

Author

Lovis Noah Cassaris ist Germanist_in, Philosoph_in und Autor_in, seit 2018 zudem Redaktor_in und Social-Media-Expert_in im Team Unicom. Lovis bezeichnet sich selbst als Textarchitekt_in und verfasst in der Freizeit Romane und Kurzgeschichten.

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