Der traditionelle Literaturwettbewerb der Universität Freiburg findet alle zwei Jahre statt. Ausgezeichnet werden Texte in den Sprachen, die in der Hochschullehre vertreten sind. Gewinner in der deutschen Sprache ist dieses Jahr Philipp Spicher.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Preis. Was bedeutet das für Sie? Warum haben Sie an diesem Wettbewerb teilgenommen?
Vielen Dank für Ihre Glückwünsche. Ich habe sehr viel Arbeit und Zeit in «Lichter über der Vorstadt» gesteckt, und das ist jetzt die Anerkennung. Es war ein wahrer Glücksmoment, als ich informiert wurde, dass ich den diesjährigen Literaturpreis der Universität Freiburg gewonnen habe.
Schreiben Sie regelmässig? Was hat Sie motiviert, diesen Text zu schreiben?
Ich habe bereits vor zwei Jahren am Literaturwettbewerb teilgenommen, damals aber nicht gewonnen. Deswegen wollte ich es noch einmal probieren. Ich versuche, neben dem akademischen Schreiben an der Universität auch das literarische Schreiben immer wieder aufzugreifen. Diese Abwechslung gefällt mir sehr gut. Meistens kommen mir die Ideen für neue Geschichten auf Reisen, so auch für diese. «Lichter über der Vorstadt» spielt zum grössten Teil in Vilnius, der Hauptstadt Litauens, wo ich vor einigen Jahren ein paar Tage verbracht habe. Und genau dort hatte ich die Grundidee für die Erzählung.
Worum geht es (ohne zu spoilern)?
Die Geschwister Nikolaj, Irena und Jonas befinden sich in einer Extremsituation: Sie wandern durch die dunkle Stadt Vilnius. Ihre Mutter hat sie in Vilnius beim Vater zurückgelassen, der jetzt aber tot ist; er ist verblutet. Doch Nikolajs, Irenas und Jonas‘ Leben geht weiter, es muss weiter gehen.
Parallel dazu liegt die Geschichte von Dmitri, der vor seinen Eltern flüchtet, weit weg aus dem eiskalten Ural. Er reist durch das grosse Land in Richtung Westen, immer auf der Suche nach einer Perspektive in seinem Leben.
Es ist eine Geschichte über Freundschaft, über Einsamkeit, über Familien, über Eltern- und besonders Vaterfiguren und über die Vorbestimmtheit der Geschichte. Sind wir eigentlich Herr über uns selbst?
Haben Sie eine Schreibroutine?
Keine feste. Es zieht mich aber immer wieder zur Tastatur hin. Es ist eine Abwechslung vom akademischen Alltag und dem akademischen Schreiben, die ich sehr schätze. Aber es kommt immer auf die Situation drauf an. Manchmal habe ich eine gute Idee, die ich sofort niederschreiben muss, egal an was ich gerade dran bin.
Wie würden Sie Ihren Schreibstil beschreiben?
Mein Schreibstil ist schnörkellos und handlungsorientiert. In «Lichter über der Vorstadt» ist der Erzähler sehr nahe an den darin vorkommenden Jugendlichen dran. Er erzählt wie sie. Die Handlung ist insgesamt sehr wichtig, beschreibende Passagen treten eher in den Hintergrund.
Haben Sie Schreibvorbilder?
Nein, keine spezifischen. Ich habe zahllose Krimis gelesen, die mich zum Schreiben gebracht haben. Besonders geprägt hat mich die Krimireihe «Roman über ein Verbrechen» vom schwedischen Autorenpaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö, die 1965-1975 herausgekommen sind. Diese Bücher habe ich immer wieder gelesen; Verbrechen nehmen auch in «Lichter über der Vorstadt» eine wichtige Rolle ein.
Haben Sie weitere literarische Projekte geplant?
Ich bin immer wieder am Schreiben. Im Moment ist nichts Konkretes geplant. Das kann sich aber schnell wieder ändern. Ein paar Ideen liegen herum, die es aber noch auszubrüten gilt.
Der nächste Schritt jedoch wird vermutlich eher eine Überarbeitung von «Lichter über der Vorstadt» sein, um die Geschichte flott zu kriegen und sie bei einem Verlag einzureichen.
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- Webseite des Literaturwettbewerbs
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