Fünf junge Nachwuchsforscher_innen der Unifr haben es geschafft. Sie werden ihre Dissertation basierend auf einer Zusammenarbeit zwischen der Unifr und einer ausländischen Hochschule schreiben und erhalten dafür einen Unterstützungsbeitrag von max. CHF 10’000.-. Wir stellen sie und ihre Forschung in einer Portraitreihe vor.
Heute befassen wir uns näher mit der Forschung von Michael Barben. Der 42-jährige Doktorand wird von Prof. Dr. Volker Reinhardt betreut und schreibt seine Arbeit in Geschichte der Neuzeit.
Wenn meine Supervisor_innen mich in drei Worten beschreiben müssten:
Interessiert, motiviert, mehrere Perspektiven einbeziehend.
Worum es in meiner Forschung geht:
Psychoanalytische Interpretationen von Bildern aus der Renaissance und Methodenreflexion. Ich untersuche Bilder aus der italienischen und deutschen Renaissance nach unbewussten Inhalten bei Künstler_innen, Publikum und Gesellschaft. Dazu reise ich zu den originalen Standorten der Bilder, um in die Erlebniswelt jener Zeit einzutauchen und durch Selbsterfahrung zu einem vertieften Verständnis und grundlegenden Motiven von Bildern, Menschen und Zeiten zu gelangen. Mit Hilfe von Sekundärliteratur und Gesprächen mit Professor_innen und Psychoanalytiker_innen (vor allem vom Psychoanalytischen Seminar in Zürich) komme ich ebenfalls zu neuen Einsichten in die Thematik. Unbewusstes ist oftmals unschön, wenn es zum Vorschein kommt und es geht darum, diese Realitäten nicht zu verbergen, sondern anzuerkennen. Geschichtsverzerrungen, Projektionen in Geschichte sind ebenfalls ein wichtiges Erkenntnisfeld der Arbeit. Ängste, Wut, Trauer, Lust und Frust können aus unterschiedlichen individuellen und gesellschaftlichen Zuständen unbewusst werden. Im Aufdecken jenes Unbewussten steckt ein Stück Wahrheitsgewinn und vielleicht auch ein authentischeres Lebensgefühl als Lohn.
Meine Partnerhochschule im Ausland und warum sie so wichtig für mein Projekt ist:
Die FH Potsdam (Berlin), bei Prof. Peter Stephan, Kunstgeschichte. Professor Stephan ist ein Experte für Kunstgeschichte und kann mir im genauen Studium der Bilder und von Bildtraditionen die kunsthistorische Sichtweise für meine untersuchten Bilder näher bringen. In meinem Erasmus-Semester in Rom hatte ich keinen institutionellen Anschluss und kam mir manchmal verloren und einsam vor, was sicherlich durch die sozialen und kulturellen Einschränkungen durch die Corona-Massnahmen verschärft wurde. Der Kontakt mit Prof. Stephan in Berlin ist für einen Auslandaufenthalt eine fachliche Orientierung und auch menschlich ein Gewinn. Dazu ist Berlin sozial und kulturell enorm spannend, wird es doch auch als Babylon Berlin gefeiert oder verhöhnt, je nach Geschmack der Urteilenden und ist damit heute nicht weit weg von Rom, das ja von deutschen Reformatoren als Hure Babylon bezeichnet wurde.
Was ich mir von diesem «Cotutelle de thèse»-Projekt erhoffe:
Ich hoffe, offen zu sein für das, was kommen mag. Die Partnerschaft schafft Verbündete und stärkt in der Suche nach Sinn. Das Projekt führt auch zu anderen Perspektiven, was eine Erweiterung der Sicht ist. Schliesslich gibt es etwas Geld, um die Lebenskosten zu decken und all diese Punkte führen zu einer grösseren Motivation, mit dem Gefühl mehr Teil von etwas Gesellschaftlichem zu sein, wo der Alltag als Doktorand meist einsam ist. Ein Auslandaufenthalt führt zu veränderten Wahrnehmungen, Vorurteile können abgebaut und differenzierter betrachtet werden, neue Erfahrungen entstehen.
Das könnte eine Herausforderung für mich sein:
Currywurst zu essen. Mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und nicht in den tausend Möglichkeiten der Stadt zu verlieren und deren Vorzüge dennoch zu geniessen. Die kunstgeschichtliche Perspektive in meine Arbeit zu integrieren und zwei Professoren (Prof. Volker Reinhardt in Freiburg) damit zu überzeugen.
Das sollten meine Kommiliton_innen unbedingt wissen:
Der bürokratische Aufwand lohnt sich in vielerlei Hinsicht und gerade wenn es am Schwierigsten ist, kann eine erfolgreiche Bewerbung zu neuen Perspektiven, Kontakten, Reisen, Erfahrungen und Motivation führen. Wird es zu Hause langweilig, mach es, auch in Pandemiezeiten! Ich mache neben dem Doktorat eine Ausbildung als Psychoanalytiker und hoffe auf einem oder beiden Gebieten zukünftig arbeiten zu können. Ein kleiner Werbeblock zum Schluss: Bei Fragen zum Doktorat oder bei Interesse, eine Psychoanalyse zu machen, könnt ihr euch gerne bei mir melden und wir schauen es uns mal an.
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- Weitere Informationen zum Projekt
- Webseite der Fachhochschule Potsdam
Haben Sie jetzt auch Fernweh?
Nutzen Sie die Gelegenheit und wagen Sie einen Studienaustausch an einer europäischen Partneruniversität der Unifr. Gerade hat es noch Restplätze für 2021/2022. First come, first served! Zum Mobilitätsprogramm der Unifr: https://www.unifr.ch/studies/de/mobilitaet
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