Warum Lichttherapien gegen Depressionen helfen können

Warum Lichttherapien gegen Depressionen helfen können

Lichtbehandlungen sind mehr als Esoterik. Biochemiker Urs Albrecht hat in Experimenten mit Mäusen herausgefunden, dass Licht am Ende der Nacht ein spezielles Gen in der lateralen Habenula anstellt – und sie damit mehr Glückshormone ausschütten lässt.

Kurze Wintertage, Nebel, Schwermut, vielleicht sogar eine gewisse Antriebslosigkeit – die meisten von uns bringen diese Dinge aus dem Bauch heraus miteinander in Verbindung. «Intuitiv wissen wir, dass ein Zusammenhang zwischen Licht und gewissen Arten von Depressionen besteht», sagt Urs Albrecht. Der Professor am Departement für Biologie der Universität Freiburg denkt dabei insbesondere an den seasonal affective disorder, der in lichtarmen Monaten verbreitet ist. Es gibt auch bereits Therapieformen. Vor allem in Nordeuropa weiss man schon seit Längerem, dass Lichtbehandlungen am Ende der Nacht einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden haben können. «Aber niemand wusste, warum das so ist. Deshalb haben viele diese Behandlungen nicht ernstgenommen.»

Nachbessern über das Uhren-Gen
Albrecht aber holt die Lichttherapien nun definitiv aus der esoterischen Ecke. Fast zehn Jahre lang hat er mit seinem Team an der Studie gearbeitet, die er im Juli im Fachmagazin PLOS Genetics veröffentlicht hat. In Experimenten mit Mäusen hat er herausgefunden, wie das Licht die Hirnregion, die für die Stimmung mitverantwortlich ist, beeinflusst: Zur richtigen Zeit eingesetzt, aktiviert es das Uhren-Gen Period 1 in der lateralen Habenula. Das Spezielle an diesem Gen: Es reagiert nur spät in der Nacht, am stärksten zwei Stunden bevor der Tag beginnt. «Wird es angestellt, sorgt es dafür, dass sich das Wohlbefinden verbessert.» Mäuse, die Licht ausgesetzt wurden, zeigten im Forced Swim Test positives Verhalten – ausser ihnen war das Gen vorher aus der lateralen Habenula entfernt worden. In diesem Fall hatte das Licht plötzlich gar keinen Einfluss mehr auf ihre Stimmung.

Urs Albrecht vergleicht die laterale Habenula mit Justitia, der Göttin der Gerechtigkeit, weil sie für die richtige Balance sorgt. Dafür, dass weder zu viel noch zu wenig Dopamin – im Volksmund auch als Glückshormon bekannt – ausgeschüttet wird. Und schafft sie es nicht selbst, diese Balance herzustellen, können wir sie mit Licht dahingehend beeinflussen, dass sie mehr Dopamin ausschüttet.

Mehr Glaubwürdigkeit für Therapien
Das zumindest lässt das Verhalten der Mäuse vermuten. Wie sehr aber lassen sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen? «Grundsätzlich sollte man in der Wissenschaft immer zurückhaltend sein. Mäuse sind nachtaktiv, Menschen tagesaktiv», sagt Albrecht. «Allerdings ist die Induktion des Period 1-Gens bei Menschen und Mäusen genau gleich, das Timing der Expression ebenfalls. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb gross, dass vieles mehr oder weniger eins zu eins übertragbar ist.»

Das Interesse an der Studie ist entsprechend gross. Urs Albrecht hat in den letzten Tagen Interviews in Australien und den USA gegeben, in Österreich sind ebenso Artikel darüber erschienen wie in China. Gut möglich, dass diese Aufmerksamkeit der Lichttherapie zu mehr Glaubwürdigkeit verhilft. «Wir konnten aufzeigen, dass es eben nicht nur ein Gefühl ist, sondern ein mechanistischer, biologisch erklärbarer Prozess.» Lichtbehandlungen hätten bei Weitem nicht bei allen Formen von Depressionen einen Nutzen. «Aber bei ganz spezifischen Fällen helfen sie eben sehr stark – und das ohne Nebenwirkungen.» In der Praxis lesen Patient_innen dann beispielsweise einmal pro Woche um fünf Uhr morgens vor einer starken Lampe eine halbe Stunde bis eine Stunde lang ein Buch.

«Sklaven unserer Umgebung»
Dass das Licht direkt unser Wohlbefinden und dadurch unser Handeln beeinflusst, lässt Urs Albrecht auch noch zu einer ganz grundsätzlichen Erkenntnis kommen: «Wir sind nicht so unabhängig und frei, wie wir denken. Wir sind bis zu einem gewissen Grad Sklaven unserer Umgebung.» Mit seiner Forschung will der Biochemiker, der sich seit 23 Jahren mit den Mechanismen der inneren Uhr beschäftigt, dazu beitragen, dass wir uns mit zusätzlichem Wissen optimal an die Umgebung anpassen können.

Author

Matthias Fasel ist Gesellschaftswissenschaftler, Sportredaktor bei den «Freiburger Nachrichten» und freischaffender Journalist.

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