Die Doktorandin Patricia Schafer arbeitet derzeit im Rahmen eines wissenschaftlichen Politikstipendiums bei den Parlamentsdiensten. Diese Stipendien bieten Personen aus dem wissenschaftlichen Bereich die Möglichkeit, für ein Jahr in einem Kommissionssekretariat zu arbeiten und die politischen Entscheidungsprozesse aus nächster Nähe mitzuerleben. Ziel ist es, den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft zu fördern. Ein Erfahrungsbericht.
Wie oft hast du schon gehört, dass die Wissenschaften in der Politik zu wenig Gehör finden? Ich bin vor Kurzem auf eine Aussage vom ehemaligen Bundeskanzler Walter Thurnherr gestossen. Bei einer Diskussionsrunde der Akademien der Wissenschaften im Jahr 2022 sagte er: «[…] Das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft ist von fundamentaler Bedeutung. Wie wir mit dem Wissen umgehen, das uns vorliegt, ist das Kriterium, an dem uns künftige Generationen messen werden. Deshalb ist wichtig, was Sie heute sagen. Sprechen Sie deutlich und klar […]». Doch wie können wir als Wissenschaftler_innen unsere Erkenntnisse deutlich und klar in den politischen Prozess einbringen? Einen konkreten Beitrag hierzu möchte die Stiftung wissenschaftliche Politikstipendien leisten. Die Stiftung ermöglicht Abgänger_innen von Hochschulen mit Forschungserfahrung, für ein Jahr bei den Parlamentsdiensten am Puls der Schweizer Politik zu arbeiten. Das gibt den Stipendiat_innen die Möglichkeit, die Funktionsweise des politischen Systems in der Praxis kennenzulernen und soll letztlich dazu beitragen, dass Wissenschaflter_innen ihre Erkenntnisse besser in den politischen Prozess einbringen können.
Hüterinnen des Parlamentsrechts
Konkret arbeiten die Stipendiat_innen für ein Jahr bei den Parlamentsdiensten in einem Sekretariat einer Sachbereichskommission mit. In meinen Augen ist dies der ideale Ort, um das Verständnis für die politischen Prozesse zu stärken. Denn obwohl ich mich in meiner Dissertation im Bereich der politischen Ökonomie an der Universität Freiburg mit politischen Institutionen beschäftige, so habe ich mich bis vor Kurzem (zugegebenermassen) nicht vertieft mit detaillierten Verfahrensfragen des Parlaments auseinandergesetzt. Nun bin ich seit bald einem halben Jahr für ein Kommissionssekretariat tätig und bin ehrlich gesagt erstaunt darüber, wie viel Neues ich in dieser kurzen Zeit über die Funktionsweise der Schweizer Politik gelernt habe. Der Fokus der Arbeit bei den Sekretariaten der Sachbereichskommissionen ist denn auch ein ganz anderer als in meiner Forschung: Es geht hierbei nicht um die «grossen» Fragen zu den politischen Institutionen, sondern vielmehr um die «technischen Details». Wie meine Chefin neulich sagte, sehen wir uns als «Hüterinnen des Parlamentsrechts» – wir sorgen also dafür, dass die Verfahren korrekt ablaufen und leisten somit einen wichtigen Beitrag zu den politischen Ergebnissen.
Hohe Qualitätsansprüche
Doch wie gestaltet sich diese Arbeit und welche Einblicke kann ich hierbei gewinnen? Konkret unterstütze ich das Sekretariat einer Sachbereichskommission – in meinem Fall das Sekretariat der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) – bei verschiedensten Tätigkeiten. Ich trage Unterlagen für die Kommissionsmitglieder zu den politischen Geschäften zusammen, nehme Anträge entgegen, schreibe Kommissionsberichte sowie Medienmitteilungen und nehme an Kommissionssitzungen teil. Die Arbeit bei den Parlamentsdiensten unterscheidet sich im Rhythmus stark von meinen bisherigen Erfahrungen an der Universität. Selbstverständlich gab es auch dort gewisse Fristen einzuhalten – wer kennt den Abgabestress vor schriftlichen Arbeiten nicht – dies aber normalerweise in weniger regelmässigen Abständen. Da Kommissionssitzungen teils im Wochen- oder Zweiwochenrhythmus stattfinden, ist das Sekretariat phasenweise parallel mit den Vor- und Nachbereitungen der Sitzungen beschäftigt. Da viele Dokumente entweder für die Ratsmitglieder oder für die Öffentlichkeit gedacht sind, bleiben auch in diesen Phasen die Qualitätsansprüche hoch.
Den Dialog bereichern
Was mich an der Arbeit jedes Mal aufs Neue fasziniert, ist die Teilnahme an den Kommissionssitzungen. Diese ermöglichen den direkten Kontakt mit Parlamentarier_innen, sind vertraulich und finden hinter geschlossenen Türen statt. Die Kommissionen beraten die politischen Geschäfte vor und stellen Anträge an ihren Rat – in den allermeisten Fällen befolgt der Gesamtrat die Empfehlung der Kommission. Hier mit dabei zu sein, ist eine ganz spezielle Erfahrung, da dies der Ort ist, an dem die Weichen der politischen Geschäfte gestellt und die grossen Pflöcke eingeschlagen werden. Das Stipendium ermöglicht also einen Einblick in die Feinheiten der Politik und ich bin davon überzeugt, dass solche Erfahrungen den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik bereichern können.
Bist auch Du daran interessiert, wie sich die politischen Prozesse in der Schweiz gestalten? Dann bewirb Dich für die Stipendien, welche ab September 2024 vergeben werden. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis am 31. März 2024. Weitere Infos findest Du unter https://www.politikstipendien.ch/.
Zur Autorin: Patricia Schafer ist Doktorandin am Lehrstuhl für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und wissenschaftliche Politikstipendiatin bei den Parlamentsdiensten.
_________
- Website Politikstipendien
- Irene Gassmann: Tradition und Moderne im Einklang - 19.11.2024
- Brettspiele im Mittelalter und heute – Gastbeitrag - 14.11.2024
- Geisteswissenschaften in der Krise? - 21.10.2024