In einer Zeit, in der der Nahostkonflikt oft von emotionalen und politischen Standpunkten überlagert wird, gewinnt die Diskussion darüber, ob und wie Hochschulen einen Raum für sachliche Diskussionen schaffen können, an Bedeutung. Aus diesem Grund findet am 12. März 2024 eine interne Veranstaltung für die Universitätsgemeinschaft statt. Vorab bietet ein Interview mit Prof. Dr. Siegfried Weichlein vom Departement für Zeitgeschichte einen Einblick in diese Debatte.
An einem internen Event wurde betont, dass ein Bedürfnis nach wissenschaftlich fundierten Informationen besteht, die frei von emotionalen und politischen Standpunkten sind. Ist es Ihrer Meinung nach möglich, sich in Bezug auf den Nahostkonflikt neutral zu verhalten und frei von politischer Beeinflussung zu bleiben?
Neutralität ist hier sicherlich schwer, schaut man auf die vielen persönlichen Bindungen in den arabischen respektive den israelischen Raum. Die Universität sollte einen Raum bieten, frei von politischer Einflussnahme. Was wir in den Lehrveranstaltungen sagen, sollte auch hier möglich sein: Ursachenanalyse ohne Schuldigensuche, Rationalität der Akteure, ohne sie für irrational zu erklären, kurzfristige und längerfristige Ursachen ohne Determinismus.
Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) hat in einem öffentlichen Schreiben explizit die Schaffung von Räumen für wissenschaftliche, kritische und sachliche Diskussionen gefordert. Können Sie das nachvollziehen?
Solche Räume sind nötig und wir versuchen sie herzustellen. Unabdingbare Voraussetzung ist Aufmerksamkeit und Respekt vor dem Diskussionspartner, der hier oft eine andere Position hat. Respekt bis es weh tut, sonst haben wir keine Chance, uns zu verständigen. Die ganz grosse Gefahr ist, aneinander vorbeizureden. Das wäre sinnlos und würde die Gräben nur vertiefen.
Welche Rolle sehen Sie für die Hochschulen im Umgang mit solchen Konflikten? Welche Verantwortung tragen sie in diesem Zusammenhang?
Die Hochschulen sind hier in der Pflicht, das, was sie im Unterricht lehren, auch hier ernst zu nehmen. Keine vorschnelle Urteilsbildung, Offenheit der Fragestellungen, evidenzbasierte Aussagen. Lösen werden wir damit den Konflikt damit freilich nicht. Aber es wäre schon viel gewonnen, bessere Fragen zu stellen.
Abschliessend: Welche konkreten Erwartungen haben Sie an die Podiumsdiskussion, und wie erwarten Sie, dass sie zur Klärung von Fragen und zur Vertiefung des Verständnisses über den Nahostkonflikt beitragen wird?Verständnis ist ohne einen Vorschuss an Vertrauen an das Gegenüber nicht möglich. Was beim Textverstehen gilt, wünsche ich mir auch hier: Hören auf die Stimme der anderen.
_________- Veranstaltung «Krieg im Nahen Osten», mit zwei Inputreferaten und einer Podiumsdiskussion
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